Portrait

Qualität kommt aus dem Weinberg

Familie Saahs kultiviert auf dem Nikolaihof Spitzenweine, biodynamisch

Von Michael Olbrich-Majer

 

Riechen, kosten, spucken, das soll's dann gewesen sein? Christine Saahs vom Weingut Nikolaihof ist von der üblichen sekundenschnellen Weinverkostung nicht überzeugt. Ein Wein muss ihrer Ansicht auch einer sensorischen Probe standhalten, wenn er schon ein paar Tage offen ist. Die üblichen Verkostungen und Bewertungen werden vom Nikolaihof daher nicht beschickt, hier hat man eigene Qualitätsmaßstäbe. Der Familienbetrieb in der Wachau kann es sich leisten, seine Weine rangieren in der Weltspitze, gelobt in renommierten Weinführern wie Parkers, Johnsons, oder Clarkes, sind zudem mehrfach preisgekrönt.

 

Nicht dass Christine Saahs oder ihr Mann Nikolaus die Nase hoch tragen, im Gegenteil: auf dem stimmungsvollen, historischen Weingut geht es herzlich und familiär zu. Die Weißweine vom Nikolaihof sind das Ergebnis jahrzehntelanger Erfahrung und besonderen Bemühens um Qualität. Dabei sind die Urteile einer handvoll Kritiker, die den Markt bewegen, nicht so wichtig. Qualität ist für die Saahsens deutlich mehr als nur der Gaumeneindruck. Qualität muss spürbar sein, der Wein soll zum Wohlbefinden beitragen.

Respekt vor dem Ort

Der Nikolaihof, Teil eines altehrwürdigen Gebäudeensembles, liegt in Mautern, wo Österreichs berühmtes kleines Weißweingebiet beginnt, die Wachau. Wenn man über die Donaubrücke kommt, steinige Weinberge im Rücken, grüßt links der Turm der ehemaligen Kapelle im Hof und rechts die Pfarrkirche. Stilvolle Altbauten, dazwischen Römermauern - Mautern war Kastell, die Weinlagen hier sind uralte Kulturlandschaft, schon von den Kelten besiedelt, früh christianisiert. Der Nikolaihof, einst Bischofs- und Verwaltungsssitz Passauer Klostergüter und Ausgangspunkt für weitere Klostergründungen, ist das älteste Weingut Österreichs. Heute schmückt die Kapellfassade den gemütlichen Innenhof, in dem unter der großen Linde die Gäste Speis' und Trank zusprechen. Die Familie pflegt die Geschichte des Ortes, immerhin stand hier auch mal ein keltischer Altar und der Weinkeller ist auf Resten einer frühchristlichen Basilika gebaut.

 

Dieser Respekt vor dem Ort gilt am Nikolaihof auch für die Weinwirtschaft. Für Nikolaus Saahs, der vor über vierzig Jahren hier in den Weinbau einstieg, hieß das, einen eigenen Weg zu suchen, ohne Kunstdünger und Chemie und abseits der Moden: Qualität kommt ausschließlich aus dem Weinberg, danach hat er auf dem Nikolaihof schon gearbeitet, als von dem Weinkennern heute so wichtigen "Terroir" noch nicht die Rede war. Auf Gneis, Glimmerschiefer, Schotter und Löß im warm-trockenen Marillenklima stehen hier nur Weißweine, links der Donau auf terrassierten Steillagen mit den typischen Mauern, rechts der Donau auf sanften Hängen. Die Rebstöcke sind parallel zur Höhenlinie gepflanzt, eine weitere Eigenart der Wachau. Die Landschaft hier ist UNESCO-Weltkulturerbe.

 

Sechs Hektar und das Wohnhaus als Erbe waren 1962 das Startkapital des 20jährigen Nikolaus Saahs. Weinbau lernte er im schwäbischen Weinsberg. Der Nikolaihof, 1803 säkularisierter Klosterbesitz, aufgeteilt und ein Teil 1894 vom Großvater erworben, war infolge der einquartierten Besatzung ziemlich herunterkommen. Inzwischen ist der Betrieb schmuck renoviert und mit ca. 22 ha einer der großen in der Wachau. Ohne Geld für Kunstdünger lernte Saahs beobachten, im Weinberg wie im Keller die Naturprozesse nutzen. Als in den siebziger Jahren die Kinder kamen und dank eines befreundeten Ärztepaares fand Familie Saahs zu anthroposophischem Gedankengut; dies und die daraus ableitbaren biologisch-dynamischen Prinzipien wurden zur Lebensphilosophie, vom Verzicht auf Fieberzäpfchen bis zum Einsatz biologisch-dynamischer Präparate. Auch beim Essen kommt "wohs giftigs", sprich nicht ökologisches, nur im Notfall auf den Tisch, das Wasser, auch im Restaurant, ist vitalisiert.

 

Dem Wein kommt es zugute, Saahs senior wird in Weinführern gerne mit dem Satz zitiert "Wir sind so altmodisch, dass es schon wieder modern ist." Das ist natürlich untertrieben, denn weglassen von Chemie ist nur der halbe Weg. Was im Weingarten und im Keller geschieht, beruht auf langjähriger Erfahrung und Tüftelei. Der Winzer, neben seiner Frau, die die Gäste und Kunden betreut, eher im Hintergrund, steht in den Reben, lauscht am Fass, kümmert sich, kurzum er hat ein intensives Verhältnis zu seinen Reben und Weinen. Im letzten Jahr ist auch Nikolaus junior, eines der vier Kinder, in den praktischen Weinbau eingestiegen, als künftiger Betriebsleiter. Er studiert Weinbau in Geisenheim am Rhein.

Was ist anders im Weinberg?

Es fängt schon beim Pflanzen an: die hier üblichen Sorten, vor allem Grüner Veltliner und Riesling, werden zum richtigen Zeitpunkt gepflanzt, nach dem Mondkalender von Maria Thun. Auf kräftige Weinstöcke wird Wert gelegt, wobei ortsüblich geschnitten und gebunden wird: hochgezogen, in zwei flachen Cordons. Mit Gründüngung und kompostierten Preßrückständen wird gedüngt, alle zehn Jahre gibt es Kuhmist von einem benachbarten Biobauern, gereift mit biodynamischen Kompostpräparationen. Die Bodenbearbeitung folgt keinem Rezept, sondern dem, was die Rebstöcke brauchen, im Frühjahr etwas tiefer zum einmulchen der im Herbst gesäten Gründüngung (Leguminosen oder Insektenfutter). Der Aufwuchs wird gelassen, im Juli und August wird der Boden allerdings offengehalten wegen der Trockenheit. Meist werden die Reihen angehäufelt. In einigen Lagen ist eine Tröpfchenbewässerung installiert.

 

Die Rosen vor jeder Reihe sind eine Art Frühwarnsystem für Mehltau. Saahs hält die Pilze mit Brennesseljauche mit Schwefelzusatz, nach der Blüte dann mit Brennesselkaltauszügen in Schach. Zum gleichen Zweck wird Ackerschachtelhalm als Kaltauszug gespritzt und in nassen Jahren verdünnter Baldrianextrakt. Die relativ weiten Reihen und der zurückhaltende Mengenertrag von ca. 40 bis 50 hl je Hektar mindern ebenfalls den Befallsdruck.

 

Intensiv wird mit den biologisch-dynamischen Präparaten Hornmist und Hornkiesel gearbeitet. Rudi Hoheneder, befreundeter Berater, bringt diese mindestens ein- bis zweimal mit dem Squad und einer für dies vierrädrige Motorrad angepassten Spritze aus. Gerührt wird per Hand und mit einem Gerät von Wenz. Die erste Kieselspritzung gibt's erst nach der Blüte, im Sommer dann aber bis zu viermal: das stärkte im heißen Jahr 2003 die Pflanzen. Eine späte Kieselgabe wie im September 2004 lässt die Trauben besser ausreifen: weniger Säure, mehr Zucker als bei konventionellen Kollegen berichtet Christine Saahs. Das Fladenpräparat, ein Ersatz für die Wirkung der biodynamischen Kompostpräparate, wird seltener verwandt, meist bei Neupflanzung. Auch hier gilt, nichts nach Rezept: man muss sich selbst Gedanken machen, meint Saahs senior. Schließlich war der Winzer jahrelang mehr oder weniger auf sich gestellt. Demeter ist in Österreich lange nicht so verbreitet wie in Deutschland.

Ernte und Keller

Wie für Vieles bei Familie Saahs gibt es auch für die Ernte gute Tage: möglichst im aufsteigenden Mond, an "schlechten" Tagen (nach Thuns Aussaatkalender) wird die Lese unterbrochen. Die verschiedenen Qualitätsstufen werden durch mehrmaligen Durchgang nach Sorte und Weingarten geerntet - mit der Hand, so etwas geht mit dem Vollernter nicht. Auch entrebelt wird nicht, die Beeren bleiben beim Pressen in der Traube. Und wie sieht die Kellerwirtschaft aus? "Da haben wir praktisch keine" lacht Christie Saahs. Tricks im Keller führen weg vom Naturprodukt, "Wir halten nichts von dem Trend, Wein zu Cola zu machen".

 

Der Wein darf spontan gären, ohne Zusatz von Reinzuchthefen, nur so kommt der natürliche Jahrgangscharakter zustande. Zuvor werden die Trauben ohne bzw. nur mit kurzer Standzeit abgepresst. Bei der Gärung wird nicht, wie konventionell verbreitet, gekühlt, Wärme und Luft gehören für Saahs zur Weinbereitung. Jeder Wein hat seine eigene Wärmekurve, wie beim Fieber, da muss man halt beobachten und notfalls mal die Tür aufmachen. Kurzum, der Wein darf mit dem Gären aufhören, wenn er fertig ist, wird nicht, wie oft üblich, gestoppt. Statt vordergründiger Duftigkeit beim Verkosten ist das die Basis dafür, beim Abgang ein Zentrum zu entwickeln. Nach dem ersten Abziehen wird geschwefelt, auf die Flasche gezogen - an Fruchttagen im aufsteigenden Mond - werden die leichten Weine nach einem halben Jahr, manche aber erst nach mehr als zehn. Metalltanks gibt es nur für die Verarbeitung, gelagert wird der Wein in ca. dreißig großen Holzfässern im historischen Gewölbekeller, das größte fasst 12.500 Liter. Eindruck machen die mit Schnitzerei verzierten Fässer, die das Ehepaar für jedes Kind hat anfertigen lassen.

Die Weine

Weder Stabilisierung (z. B. mit Metaweinsäure) noch Mostkonzentration, kein Vakuumverdampfer und keine Zentrifuge, auch kein An- oder Entsäuern vor dem Abfüllen - der Wein vom Nikolaihof ist wirklich 100% Natur. Und überzeugt nachhaltig durch sein: "brilliantes Fruchtspiel feiner Säure mit dezenten Aromen" wie die Stilistik der Weine im Führer "Spitzenweingüter Österreichs" beschrieben wird. Als ausgeglichen und in der Mitte bleibend, beschreibt der Senior seine Weine, um Säure macht er sich keine Gedanken, die passt eh immer, die Wachau hat ein günstiges Klima. Wichtig ist die optimale Reife, die Arbeit im Weinberg bereitet das vor, und der richtige Erntezeitpunkt. Außerdem achtet er darauf, nur beste Lagen zu kaufen bzw. zu pachten. Wald, Obst und ein Teich gehören übrigens auch zum Betrieb. Das meiste ist Riesling (55%) oder Grüner Veltliner (35%), daneben Neuburger, Weißburgunder, frühroter Veltliner, Chardonnay. Die werden sowohl vom erstmals beernteten Stock als Jungfernwein abgefüllt, als anregender Hefeabzug, wie auch nach 21 Jahren im Holzfass als "Vinothek"-weine. Und natürlich in den hiesigen Qualitätsstufen, Steinfeder, Federspiel, Samaragd, die ähnlichen den deutschen QbA, Kabinett, Spätlese abgestuft sind. Den Weinstein aus den Fässern nimmt übrigens die Weleda ab.

 

Immer der Qualität auf der Spur wollten die Saahsens aber noch mehr wissen: Wie wirken sich bestimmte Maßnahmen in Anbau aus, wie belebt sind die Böden, lässt sich das im Wein sichtbar machen? Mittels einer neuen, bildschaffenden Kristallisationsmethode des Morphogenetischen Zentrums von Thomas Steinemann ließen sich tatsächlich deutliche Unterschiede zu konventionellen Weinen und Böden darstellen. Den Gesundheitswert der Weine vom Nikolaihof belegt auch eine Ehrung der deutschen Gesellschaft für Humantoxikologie: Aufgrund des niedrigen Redoxpotenzials wurde der 2003er Riesling Federspiel als "gesündester aller weltweit getesteten Weißweine" empfohlen.

Für Liebhaber

Der beste Wein aber nutzt nichts, wenn ihn keiner trinkt und dazu braucht es Anlässe und Kenntnis. Diese herzustellen hat sich Christine Saahs zu Aufgabe gemacht. Die Winzerstocher und gelernte Köchin schmeißt nicht nur die Restauration, sondern auch das Marketing. Das heißt, eigentlich haben sie ja keines. Eine Website, ja. Aber der Nikolaihof steht im Zentrum, die Winzerfamilie will ihren Wein selbst sprechen lassen. Seit sie vor gut 15 Jahren aus Lust und Laune eine Weinmesse besucht hatte, ist Christine Saahs viel auf Reisen als Botschafterin des Nikolaihofs. Ohne Verkaufsdruck präsentiert sie mit ihrer natürlichen und überzeugenden Art den Wein und stellt dar, wie er entsteht. Ihre kompetente Freundlichkeit und die Spitzenweine sind eine unschlagbare Kombination: Imagewerbung, meist auf Einladung der Händler und bzw. Importeure. Denn inzwischen verkauft der Nikolaihof 60% seines Weins im Ausland, vor allem in den USA und Japan. Auch in der Spitzengastronomie Deutschlands und Österreichs sind die Weine vertreten, der Rest wird über Großhändler, Gastronomen, Vinotheken und den Handel vermarktet. Die Demeter- Auslobung spielt keine Rolle, ja zunächst fiel der Umsatz bei Gastwirten sogar krass ab: Die Assoziationen zu Biowein waren offenbar selten positiv. Im eigenen Restaurant des Nikolaihofes aber wird nur der eigene Wein ausgeschenkt - und roter von Christine Saahs Schwester, der Biowinzerin Ilse Maier vom Geyerhof, die den elterlichen Betrieb ebenfalls zu einem Top-Weingut geführt hat.

Weinkultur

Landschaft und Architektur gewordene Geschichte, daraus gewachsener Weine, das kommt im Hofensemble des Weingutes stilvoll auf den Punkt. Und dann ist da ja noch die Küche, regional, herzhaft, fein austariert und ohne Zweifel köstlich. Sehr hoher Bioanteil, eigener Kräutergarten, selbstgebackenes Brot und eine traditionelle Karte mit Pfiff: der Genuss vor Ort zieht die Gäste auch aus Wien auf den Nikolaihof, eine dreiviertel Stunde Fahrt ist es hierher. 150 Plätze gibt es drinnen und draußen, wer mag, kann auch einen der drei stimmungsvollen Säle mieten, ob in Barock oder Gewölbe. Neben der Gastlichkeit und der Historie kultiviert Familie Saahs auch Region und Ökologie. Die Biopartner kommen aus der Region, ihre Erzeugnisse werden auch mal in Tischgedecken präsentiert. Mit dem WWF Österreich läuft eine Aktion, bei dem ein Euro des Kaufpreises an die Naturschutzorganisation geht. Und die Mauern und Böschungen, Markenzeichen der Wachau, werden intensiv gepflegt und erhalten, so dass zwischen Weinstöcken auch Orchideen gedeihen.

 

Zu guter Letzt: Der Wein vom Nikolaihof ist auch getauft! Jedes Jahr zu St. Martin läßt das Ehepaar mit Familie, Freunden und geladenen, teils prominenten Gästen den neuen Wein segnen. Dann hält der Prälat einen Gottesdienst im Keller, Nikolaus senior berichtet in einer Jahresrückschau aus Weinberg und Familie, zuletzt von der Ankunft des vierten Enkelkindes. Ohne Presse übrigens. Die war zuvor geladen, als Nikolaus junior die riesige, ca. 15 m lange uralte Holzpresse wieder in Betrieb nahm. Symbol für Weinkultur mit Geschichte und Zukunft.

Betriebsspiegel

  • ältestes Weingut Österreichs, Weine unter den 100 besten weltweit

  • 20 ha weiße Reben biologisch-dynamisch, Terrassen- und Hanglagen

  • vor allem Riesling und Grüner Veltliner, sowie Weißburgunder, Chardonnay, Neuburger

  • Familienbetrieb, 10 Mitarbeiter im Weingut, 6 im Restaurant

  • Naturbelassene Weinbereitung ohne Hefe- oder sonstige Zusätze bzw. Verfahren

  • Spezialitäten: Lagerung im Holzfass bis zu 21 Jahren, Jungfernwein, Hefeabzug

  • Eigene, gehobene Restauration

  • Feste am geschichtsträchtigen Platz, sowie Veranstaltungen gemeinsam mit Top-Köchen

Nikolaihof Wachau

  Familie Saahs

  A-3512 Mautern / Wachau

  Fon 0043-2732-82901

  Fax 0043-2732-76440

  http://www.nikolaihof.at