Preise gut - alles gut?

Zum Preisanstieg bei Lebensmitteln

 

Die Verbraucher sind betroffen, die Bauern freuen sich noch: Endlich eine Trendwende am Markt für Lebensmittel: Seit 50 Jahren sinken die Preise für Milch, Getreide, ja für alle landwirtschaftlichen Erzeugnisse, jetzt steigen sie erstmals. Was von den Tagesnachrichten dramatisiert wird, ist zum Teil die Wirkung des freien Marktes, den alle immer wollen. Jetzt, wo die Bauern die Wahl haben, statt nur mehr oder weniger Milch zu melken auch Energiepflanzen anzubauen oder Milchpulver nach China zu liefern, muss man ihnen mehr bieten. Denn die Einkommen der Landwirte sind eher karg – wohl zum Ausgleich für das kostenlose Fitnesstraining in frischer Luft und schöner Landschaft. Selbst Biobauern erwirtschafteten 2005 im Durchschnitt nur einen Stundenlohn von 7,10 €uro brutto.

 

Dürfen wir uns also solidarisch mitfreuen, wenn wir mehr für Lebensmittel bezahlen? Kommt das beim Bauern an?

 

Bei den konventionellen Bauern wird der Zuschlag von den gestiegenen Energiekosten aufgefressen: mehr als 2-3 Cent extra bekommen sie nicht. Warum kostet dann die Milch 10 Cent mehr? Und die Butter 40 Cent? Letzteres ist eher verständlich, man braucht 25 Liter Milch für ein Pfund Butter. Aber die Butter wurde vor der Preiserhöhung gemacht. Und wo bleiben die sieben Cent bei der Milch? Auch manche Demeter-Bauern bekommen 4,5 Cent mehr, seit September 6,5. Das meiste wird im Handel bleiben, gemäß der üblichen an Prozenten orientierten Verfahrensweise: Kosten werden nicht in Cent durchgereicht, sondern als Prozentaufschläge. 5% sind am Ende der Kette gemessen in Cent mehr als am Anfang. Das bremst übrigens den Absatz von Demeter-Produkten, denn bei höheren Preisen wirkt das Prozentprinzip am stärksten. Andrerseits: bei tegut ist Demeter-Butter nun billiger als konventionelle Weihenstephaner.

 

Warum eigentlich steigen die Preise gerade jetzt? Bisher wurden nur Milchprodukte und Geflügelfleisch teurer. Getreide wird folgen. Gemüse ist deutlich billiger als im Vorjahr. Wie Preise entstehen, hat nur bedingt etwas mit den freien Kräften des Marktes oder Ernteschwankungen zu tun. Nirgends ist der Markt so reguliert wie in der Landwirtschaft der EU: Bauern dürfen z. B. Milch(liefer)quoten nicht überschreiten, es gibt Preisstützungskäufe, sogenannte Interventionen, Exportsubventionen und ein unglaublich umfangreiches Prämien- und Kontrollsystem zur administrativen Mengensteuerung der Produktion. Kurzum: Im späten Frühjahr waren erstmals die EU- Butterlager und Milchpulverhallen leer, die Welt aber rief nach Milchprodukten und der Preis für Milchpulver stieg. Ursache Welthandel, auch wenn er nur 7% der Milcherzeugnisse betrifft?

 

Vielleicht darf man nicht unterschätzen, dass der Kampf um faire Preise gerade bei der Milch schon länger währt. Immer mehr Milchbauern organisieren sich im Bundesverband deutscher Milchviehhalter: 40 Cent heißt die Marke, ab der sich Melken lohnt, aktuell sind es knapp 30. Auch Biobauern sammeln ihre Marktmacht. Vorreiter war die von Bioland- und Demeter- Bauern gegründete Upländer Molkerei, die mit dem Konzept „Erzeuger-FairMilch“, 5 Cent, die direkt an die Landwirte durchgereicht werden, zeigte: Es geht doch - die Verbraucher verstehen das! Dass jetzt Aldi und Co ihr jährliches Preisdiktat nach unten nicht mehr weiter treiben können, ist vielleicht einfach ein glückliches Zusammentreffen. Oder sie haben kapiert, dass sie dabei wieder den größeren Teil vom Kuchen kriegen.

 

Michael Olbrich-Majer in Info3, Oktober 2007