Der Bio-Boom - ein Erfolg?

Sollen wir uns über Bio Möhren bei Aldi freuen?

 

Mit Bio-Lebensmitteln werden Umsatzzuwächse in Rekordhöhe erzielt, 16% waren es im Jahr 2006. Doch ist das nicht nur Grund zum Jubeln: die einheimischen Öko-Bauern bleiben außen vor. Händeringend suchen die Öko-Verbände seit einem Jahr Umsteller und Ware, hierzulande wächst da wenig nach, kümmerliche 3% waren es 2006. Warum?

 

Der Boom kommt bei den hiesigen Bauern nicht an. Die Politik kürzt die Prämien und bremst die Forschung, die halbstaatlich organisierte Beratung interessiert sich nicht für Ökolandbau und für die meisten konventionellen Betriebe ist der Zug zur Bio-Welt ohnehin abgefahren: zu spezialisiert. Deutsche Landwirte denken nicht ans Umstellen, maximal 10% erwägen das. Aktuell sind die Preise für Milch und Getreide aus konventioneller Erzeugung wieder gestiegen, umstellen auf Ökolandbau lohnt nicht. Dazu kommt noch staatliche Wettbewerbsverzerrung: konventionelle Bauern bekommen im Schnitt mehr Subventionen und die Folgekosten ihrer Wirtschaft bezahlt der Steuerzahler. Ökobauern vermeiden meist Umweltfolgen, doch zahlen sie das selbst bzw. die Konsumenten. Anders als Renate Künast es wollte, ist Ökolandbau kein Leitbild in Deutschland .20% Ökobauern hierzulande bleiben also Utopie, 2006 waren es 4,4%.

 

Das ist auch in anderen Ländern so: Trotz EU-Aktionsplan stagnieren die Zahlen im alten Europa – bei den Bauern, nicht im Lebensmittelhandel .Wo kommt dann die ganze Ware her? Für Deutschland, dem nach der USA mit Japan größten Markt für Bioware, schätzt die GTZ die Importquote auf 40%. In Osteuropa boomt der Anbau und wird kräftig gefördert. China ist binnen fünf Jahren zum weltweit größten Bioproduzenten geworden, sieht man vom Weideland Australien mal ab. Jetzt, wo einheimische Bioware knapp ist, kommen die Exportnationen besonders gut ins Geschäft – ein Verdrängungswettbewerb setzt ein. Doch gibt es auch hierzulande den Trend zur Industrialisierung im Bioanbau, z. B. Bio-Hühnerfarmen. Die EU-Verordnung erlaubt immer noch die Teilbetriebsumstellung – was kostengünstige Produktion vereinfacht.

 

Ein anderer Trend ist in den Regalen zu sehen: so gibt es viele Produkte, die als Bio gar keinen Sinn machen oder aufwändig transportiert werden. Die Briten diskutieren z. B. ein Flugverbot für Bioimporte. Zugleich steigen Unternehmen in den Markt ein, die allein die Umsätze im Auge haben, mit Bio aber nichts am Hut. Mehr und mehr zählen so Größe, nehmen Marktkonzentration und Filialisierung zu. Am schnellsten wächst der Bio-Umsatz in Discountern, dort werden zwei Drittel aller Biomöhren in Deutschland gekauft.

Kein Wunder, dass eine Diskussion um Werte aufkommt: Die alten Hasen rufen die ursprünglichen Ideen in Erinnerung. Die Pragmatiker wollen verhindern, dass die großen Supermarktketten die politischen Regeln zu ihren Gunsten verändern – zu bio-light. Und alle wollen sich auf einmal mit Premium-Bio von anderen absetzen, um mehr zu verdienen. Händler erfinden Edel-Bio-Marken mit entsprechendem Verpackungsdesign - Konkurrenz für die echten Premium-Marken, hinter denen Inhalte stehen, wie Demeter.

 

Vor vierzig Jahren waren die 300 Demeter Betriebe und ein paar Dutzend andere Ökos die einzigen. Noch ist die Demeter-Marke bekannt, aber nicht überall zu bekommen. Und nicht leicht zu haben. Demeter setzt nach wie vor auf Vertrauen, Authentizität, Originalität. Dazu sind dicke Bretter zu bohren, wie z.B. eine eigene Züchtung oder größere Ställe für Kühe mit Hörnern. Das macht sonst keiner. Doch darüber muss man reden. Der Demeter-Verband ist dabei, sich neu zu organisieren, um sich für die geänderten Zeiten strategisch zu wappnen.

 

Michael Olbrich-Majer in Info3 , Januar 2008