Bio-divers

Ökolandbau: Vielfalt gegen die Gleichförmigkeit

 

Braunbären kommen auf Bioäckern nicht vor, ebenso wenig wie Luchse im Lauch. Orchideen auf Bio-Wiesen und -Weiden dagegen schon. Um Fauna, die ins Gewicht fällt, zu schützen, reicht es meist nicht, ein paar Biosprengsel in der Landschaft zu haben. Die Tiere lehren uns den größeren Zusammenhang, in dem sie stehen. Um z. B. der Großtrappe, einem Laufvogel im Osten Deutschlands, das Leben leichter zu machen, haben sich ökologisch bewirtschaftete Zonen bewährt. Konventionelle Landwirtschaft ist meist Gift für seltene Arten und immer für die Vielfalt. Manchmal reicht aber auch der Ökolandbau nicht und es braucht zusätzliche Maßnahmen. Doch auch hier bietet Öko-Bewirtschaftung die beste Vorraussetzung.

 

Denn nicht nur in den Böden der Biobauern ist es lebendiger, auch oben darauf kreucht und fleucht es in weit größerer Zahl und Vielfalt als bei konventioneller Landwirtschaft. Am meisten bei biologisch-dynamisch, wie Landzeitversuche zeigen. Wenn das schon auf kleinen Versuchfeldern gilt, um wie viel mehr dann für einen Hof, der ja auch die Landschaft mitgestaltet, idealerweise zusätzliche Vielfalt schafft, z. B. durch Fruchtfolge, Misch- oder Blütensaaten, Hecken oder Pflege und Nutzung zum richtigen Zeitpunkt. Auch hier gibt es preisgekrönte Demeter-Betriebe. Denn bei denen spielt der Gesichtspunkt der Landwirtschaft als „eine Art Individualität“ eine große Rolle. Richtig gelesen – was Bauer, Tiere, Pflanzen und Böden aus den Kräften der Sonne gestalten, ist nirgends identisch, ist wie individuell. Ganz anders das konventionelle Modell: Stückkosten senken durch möglichst weltweite Standardisierung der Naturgrundlagen. Ob Boden, Dünger, Agrargifte oder Sorten – die Mono-Kultur ist das Ziel, weil scheinbar effizient.

 

Auch bei den Nutzpflanzen und Nutztieren ist der Ökolandbau-Vorbild. Alte Varietäten oder Rassen erhalten, vor allem aber neue Pflanzensorten züchten (bei Tieren ist es schwieriger). Denn Ökolandbau braucht für seine Bedingungen eigene Sorten, ob bei Getreide oder Gemüse. Auch so steigt die Vielfalt. Biologisch-dynamische Züchter haben schon mehr als 30 Sorten bei Gemüse angemeldet. Bei Getreide allerdings bremst sie das Bundessortenamt seit Jahren aus.

 

Und so gibt es weitere Probleme für innovative Ökobauern: die Gleichschaltung in der Landwirtschaft vor allem durch Gentechnik ist das sichtbarste. Aber auch durch überzogene Vorschriften z. B. bei Hygiene, wo industrielle Maßstäbe gelten oder durch Fördermaßnahmen: So legte ein Demeter-Landwirt eine der ersten Agroforstanlagen Deutschlands an - Mischkultur aus abwechselnd Acker und Baumstreifen, das bindet CO2 und bringt später Holzertrag. Das Amt wollte die Umweltprämien streichen: was der Beamte nicht kennt, das fördert er nicht. Ebenso die Sturmversicherung.

Oder das Beispiel Bienen: Wo früher bunte Wiese waren, sind heute grüne Rasen, sehr früh und meist gleichzeitig gemäht. Wiese kahl, Bienenfutter ade. Am Netzwerk Blühende Landschaft, getragen von den Demeter Imkern im Verein Mellifera, kann sich übrigens jede(r) beteiligen.

 

Und denken wir mal an unsere Lebensmittel: Auch dank Ökolandbau kennen wir wieder mehr Äpfel als nur Granny Smith und Golden Delicious. Und gäbe es ohne Öko-Branche Müsli, Grünkernbouletten, sortenreine Säfte Thermogetreide, Pastinake, Backferment, Möhrenlaibchen, Abokiste, oder Brot aus Lichtkornroggen? Die ökologische und vor allem die Biologisch-Dynamische Wirtschaftweise bringt Vielfalt auf den Teller. Denn gerade die letztere ist kein Rezept, sondern überall auf der Welt nach gewissen Prinzipien neu zu erfinden: ob Teeplantage oder Bienenhaltung, Gemischtbetrieb in Norwegen oder Äcker mit Baumzeilen in Brasilien.

 

Michael Olbrich-Majer in Info3, Juli 2008