Ein Zeichen für Klimaschutz

Lebensmitteleinkauf mit noch mehr Verantwortung

 

 

Kann eine Wurst klimafreundlich sein? Im Rahmen der diesjährigen Biofach, der Weltleitmesse für Öko-Produkte, wurde eine Bratwurst präsentiert mit dem Anspruch „klimaneutral hergestellt“. Müssen wir die nun kaufen, wenn wir keine Vegetarier sind? Nun ja, Tofu schneidet in der Klimabilanz deutlich besser ab als Wurst und Käse. Doch wer frisst dann das Gras auf der Alm, wenn alle Soja speisen? Die Bratwurst jedenfalls ist ordentlich zertifiziert nach dem System „Stop Climate Change“, ausgeheckt von der Gesellschaft für Ressourcenschutz und Ingenieuren von Agra-Teg. Die bilanzieren anhand von Schätzwerten die Treibhausgase, die im Rahmen der Wertschöpfungskette von den Schweinen bis zum Handel anfallen, machen Vorschläge zur Reduktion und was übrig bleibt, wird kompensiert: durch den Erwerb von Emissionszertifikaten, die die GLS-Bank Bochum ausgibt. So fördert der Wursthersteller Ökoland „zum Ablass“ Windkraft in Indien.

 

Eine ähnliche CO2 Diät hat auch der Demeter-Bäcker Märkisches Landbrot hinter sich, nur ohne Extra- Label. Denn das fordert den Konsumentinnen und Konsumenten einen neuen Lernprozess ab: Aha, hier das ist klimaneutral – sind andere Bio-Lebensmitteln klimaschädlich? Offenbar gibt es Unterschiede. Kompliziert wird es, wenn man zusätzlich abwägen muss zwischen Zertifikaten für tiergerechte Haltung, biodynamische Züchtung, fairen Handel, regionale Herkunft , Sozialstandards, Artenschutz, ohne Gentechnik, umweltfreundliche Verpackung etc. Dazu muss man den Durchblick behalten bei EU-Bio-Siegel, dem deutschen Bio-Siegel, den Marken der Bio-Verbände, vielleicht wurde das Lebensmittel auch im Mondrhythmus geschöpft? Uff! Für was soll man sich da bei so ganz unterschiedlichen Auslobungen entscheiden? Dann doch nach Geschmack und Vorliebe?

 

Soweit ist es noch nicht ganz, aber der Trend ist da. Die Biobauern waren eigentlich angetreten mit einem Gesamtpaket: Zwar kann man Einzelaspekte besser machen, ein Spezialist ist immer effizienter als ein Generalist. Aber den umfassenden Nutzen über alle Bereiche, vom Schutz von Natur und Landschaft, von Trinkwasser, bis hin zum gesunden Lebensmittel, in diesem modernen Zehnkampf holen die Ökoverbände bisher mit Abstand die meisten Punkte.

 

Doch mit zunehmender Konkurrenz am Markt reicht „bio“ nicht mehr, es muss ein Zusatznutzen, ein Extra geboten werden, um sich von Bio-Massenware zu unterscheiden.

Und da ist es gut, wenn die Anbieter aufs Klima setzen, statt auf Schnickschnack, auch wenn es bei den zugrunde liegenden Zahlen fachlichen Diskussionsbedarf gibt und eine Firmenzertifizierung aussagefähiger wäre. Sekem beispielsweise kompensiert mit seiner Kompostkette das CO2 der Transportwege. Und wir sollten das Brot backen dem Bäcker überlassen, das ist energieeffizienter.

 

Ernährung trägt hierzulande ca. 20 Prozent zum Ausstoß von Treibhausgasen bei, davon Landwirtschaft gut die Hälfte, allein die Erzeugung tierischer Lebensmittel 44 Prozent, die Aktivitäten der Konsumenten immerhin fast ein Drittel davon. So sind denn auch die sieben Schritte zu klimafreundlicher Ernährung einfach abzuleiten: weniger Fleisch, Bio-Lebensmittel, Vollwerternährung, Einkauf regionaler und saisonaler Erzeugnisse, gering verarbeitete Lebensmittel, Energieeffizienz im Haushalt, und am besten Einkauf zu Fuß bzw. mit dem Fahrrad. Denn für uns Mitteleuropäer gilt beim Klimaschutz: Faktor 5! Wir müssen runter von 10,4 Tonnen CO2-Äquvalent auf 2, wenn man den Weltdurchschnitt als Maßstab nimmt. Die Ernährung ist da nur ein Hebel, die anderen heißen: Runterdrehen, Abschalten, Recyceln und zu Fuß gehen sowie energieeffizient Modernisieren.

 

Michael Olbrich-Majer in Info3, März 09