Gentechnik: Gegenwind im Wahljahr?

Auf dem Acker und dem Teller wollen sie nur wenige

 

Nicht nur die Bundesliga war spannend in diesem Frühsommer, auch die Politik zur Agro-Gentechnik. Erstmals sagten deutsche, nichtgrüne Bundesminister nein zur Gentechnik! Umweltminister Sigmar Gabriel im EU Ministerrat, dann Landwirtschaftministerin Ilse Aigner mit dem Verbot von Monsantos Maissorte Mon810. Haben sie denn nicht mitbekommen, dass vor einem halben Jahr EU-Kommissare und Staatschefs sich hinter verschlossenen Türen auf eine bessere Durchsetzung der Agro-Gentechnik verständigt haben? Oder merken die Minister in ihren Ressorts als erste, dass da gar kein Fortschritt durch die Gentechnik kommt? Denn seit zwanzig Jahren wird – auch mit sehr viel Staatsgeld – geforscht: doch fast nur an Pflanzen, die Welthandelsware sind. Und im Einsatz ist bisher nur die Verträglichkeit gegen eines der giftigsten Herbizide, das bei Soja und Baumwolle alles andere Leben kleinhält. Außerdem ist Gentechnik aus Sicht der Evolution eine Technik der Bakterien. Die regierten vor dreieinhalb Milliarden Jahren die Welt. Warum haben sich wohl seitdem höhere Pflanzen entwickelt?

 

Im landwirtschaftlichen Erzeugungsprozess ist Gentechnik nur ein kleiner Teil. Sie macht die Züchtung, die nur einer von gut einem Dutzend Ertragsfaktoren ist, hier und da ein wenig schneller und ermöglicht Patente. Landwirtschaft aber ist ein sektorübergreifendes Wirtschaften mit der Natur. Industrielle Stückproduktion nach Blaupause, wie es die Gentechnik nahelegt, ist sie jedenfalls nicht. Was nützen z. B. Hochleistungskühe, wenn EU-Bauern in den Milchseen ertrinken bzw. sowenig Geld bekommen, dass es nicht mal lohnt, Futter zu mähen?

 

Gut, dass nun Politiker Position beziehen. Auch wenn es bei der CSU wie taktisches Sticheln gegen Berlin wirkt: vor Ort bekommt die bayrische Partei mächtig Druck von den Bauern. Man muss kein Demeter-Landwirt sein, wie CSU-Mitglied Hubert Steffl, um zu verstehen: den mittleren und kleinen Bauern bringt Gentech-Saatgut nichts. Alle Kreisobmänner in Bayern sind gegen Agro-Gentechnik, berichtet er. Die sorgen sich eher um den Milchpreis. So zieht die CSU teils aus Überzeugung, teils durch Bürgerdruck mit. Doch am Horizont zieht ein Problem herauf: die FDP ist 100%ig für Gentechnik. Wenn die in den Wahlen gestärkt wird …

 

Agro-Gentechnik ist eine Herausforderung für die Demokratie. Seit mehr als einem Jahrzehnt ändert sich an der mehrheitlichen Ablehnung der Bevölkerung nichts, laut der jüngsten Umfrage wollen sie 75% der Deutschen nicht. Das interessierte die Politik bisher wenig, sie verschanzt sich hinter vagen Zukunftsoptionen und hinter Wissenschaftsgremien, deren Mitglieder oft nicht ohne Eigeninteressen sind, wie eine Studie der Grünen unlängst aufzeigte. Gen-Forscher wiederum fordern seit 20 Jahren mehr staatliche Propaganda, halten die Bürger nicht für mündig, um hier mitzureden. Das gilt vielleicht für ihr Labor, aber sicher nicht für den Esstisch. Da muss Wahlfreiheit gelten. Auch die meisten landwirtschaftlichen Fachleute lehnen Agro-Gentechnik ab.

 

Es geht eigentlich nicht an, dass eine neue Technik flächendeckend und irreversibel von unhinterfragten Eliten durchgesetzt wird – ohne dass die, die es auslöffeln müssen, ein Mitspracherecht oder die Auswahl haben. Bereits heute, bei hierzulande nur geringem Anbau genmanipulierter Pflanzen, sind die Kosten für die Vermeidung von Gentech-Verunreinigungen höher als der Nutzen von Landwirtschaft mit Gentechnik, wie der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft jüngst vorrechnete. Bezahlen müssen das die, die sie nicht wollen, u. a. die Ökobauern und Bio-Konsumenten. Aktuell kämpfen Bio- und Umweltverbände für einen strengeren Grenzwert bei Saatgut. Der aktuelle kennzeichnungspflichtige Wert von 0,9% bedeutet z. B. bei Weizen auf jedem Quadratmeter ca. zwei GVO-Pflanzen, viel zu viel für Bio-Saatgut. Demeter jedenfalls hat gerade das Monitoring verschärft.

 

Michael Olbrich-Majer in Info3, Juni 09