Demeter: naturverfeinert, schonend, innovativ:
Kulturkost statt Naturkost

Bei uns zuhause ist der Sahnepropf in der Demeter-Milchflasche immer wieder Thema. Die Klümpchen machen sich einfach nicht gut im Kaffee oder im Fitnessdrink. Zwar sind sie, wenn die Flasche liegend lagert und gelegentlich aufgeschüttelt wird, leicht zu vermeiden – aber das erfordert Konsequenz. Oder man sahnt ab – für´s Kochen oder für´s satte Müsli.

Noch vor zwanzig Jahren war das Aufrahmen der Milch Kriterium für höchste Qualität und Frische. Die heutigen Ernährungssitten kommen damit nicht mehr klar, in Anpassung an sie muss die Milch sogar „länger frisch“ bleiben und im quasi H-Milch-Verfahren für drei Wochen haltbar gemacht werden – sogenannte ESL- Milch – auf dem Etikett nicht erkennbar.

Demeter macht da nicht mit, genauso wenig, wie die Demeter-Milch homogenisiert werden darf, um das Zusammenballen der Sahne zu vermeiden. Denn Homogenisierung wird verdächtigt, Allergien zu begünstigen.

 

Demeter – das sind nicht nur beste bio-dynamische Erzeugnisse aus Feld und Stall, sondern auch mit Bedacht behutsam verarbeitete Lebensmittel. Kulturkost statt Naturkost, wie es der Demeter-Gärtner Christian Hiss nennt. Dafür gibt es ein Leitbild und Richtlinien, die detailliert, je nach Produktgruppe, regeln, wie die Behandlung sein darf und was rein darf, wenn Demeter draufsteht. So gibt es z.B. keine Demeter- H-Milch, das Geschäft damit machen die Kollegen vom Naturland-Verband. Das Leitbild auf Grundlage der anthroposophischen bzw. Vollwerternährungslehre verlangt, dass die Qualität erhalten oder weiterentwickelt wird, fordert schonende Verarbeitung , ehrliche Produkte, Transparenz, Fairness und Umweltverträglichkeit bis hin zur Verpackung.

 

Das ist keine Philosophie des „ohne“, des dogmatischen Verzichts, sondern eine Abwägung zugunsten des reinen, unverfälschten Geschmacks und zugunsten eines sinnvollen Beitrags zur Ernährung. Daran orientieren sich die Kompromisse, die auch Demeter immer finden muss, wenn der Verband mit seinen Herstellern und mit der Zeit gehen will. So gibt es zwar keine Säfte aus Konzentrat, keine Tütensuppen und keinen Schnaps von Demeter-Herstellern, doch ermöglicht genau das auf der anderen Seite auch Innovation und Profil: Einst war die braune, vor Licht schützende Milchflasche eine umstrittene Neuerung, wie aktuell der preisgekrönte Klima und Rohstoffe schonende Milchbeutel des Demeter-Betriebs Brodowin aus Kalk-Kunststoff. Backferment, sortenreine Säfte aus samenfesten bio-dynamischen Neuzüchtungen, Goldkeimlingsbrot, Schwedenmilch, Kornfix, Käsespezialitäten wie Möhrenlaibchen bereichern die ganze Lebensmittelwirtschaft um Anstöße.

 

Was als Beschränkung durch die Demeter-Richtlinien empfunden werden kann, hält also andererseits das Niveau hoch. Nicht jeder kann da mit, nicht jedes Produkt geht da, oft leider auch, weil es an Ware fehlt. Die Unterschiede zu EU-Bio sind umfassend: konventionelle Beimischungen sind nicht erlaubt, die Verfahren zur Herstellung begrenzt – z. B. keine indirekte Homogenisierung durch die Molkereitechnik bei Milch oder keine Hammermühle weil das Mehl da zu warm wird. Und kann die übliche Lebensmittelwirtschaft auf ca. 400 Mittelchen zurückgreifen bzw. erlaubt die EU Öko-Verordnung noch pauschal 83 Stoffe, sind es bei Demeter 35 Zusatzstoffe und Hilfsstoffe, die nur für einzelne Produkte zugelassen sind. So kann man als Kunde sicher sein, dass im Himbeerjoghurt auch nur Himbeere drin ist und kein fruchtfremder sogenannter „natürlicher Aromastoff“. Die Echtheit kostet natürlich, vorgetäuschte Frische ist billiger. So sind Demeter-Hersteller auf aufgeklärte und bewusste Kunden angewiesen, um diesen Wettbewerbsnachteil ausstehen zu können.

 

Michael Olbrich-Majer in Info3, Juli 09