Finanzkrise? Demeter-Höfe erproben andere Wirtschaftsmodelle

Ja, es gibt sie noch, die Realwirtschaft, auch wenn sie unter der allgemeinen Renditegier leidet und von der Finanzkaste ausgebeutet wird. Eine sehr reale Branche ist die Landwirtschaft, gegessen werden muss immer. Leider zu immer geringeren Realpreisen. Die vor allem in Deutschland verbreitete Geringschätzung dessen, was Leib und Seele zusammenhält, setzt auch Öko-Landwirte unter Druck. Denn faktisch sind ihre Preise an die der konventionellen Lebensmittel gekoppelt.

Wer innovativ sein will oder auch nur einen tiergerechten Stall bauen will, braucht dazu Kapital, was ein Hof selten abwirft. Also geht er als Kleinunternehmer zur Bank - ob die aber in unsicheren Zeiten in eine "Minderleister"-Branche investiert, in der zudem viele vom Eigenkapital zehren, ist fraglich. Ausnahme ist die GLS- Bank, die zahlreiche Biohöfe und Bioläden mit vernünftigem Geschäftsplan unterstützt.

 

Doch nutzen findige Bauern auch andere Möglichkeiten: So gibt ein Demeter-Betrieb Genussscheine aus - und finanziert mit Kapital von Freunden und Kunden den neuen Stall. Die können ihre jährliche Rendite auch als Warengutschein mit zusätzlichem Rabatt einlösen. Weiter in der Verbindlichkeit geht das Modell der CSA - Community-Supported Agriculture - wie sie der Buschberghof oder der Gärtnerhof Entrup praktizieren: Kunden finanzieren für ein Jahr den Aufwand für die Ernte vor und erhalten dafür Demeter-Hofprodukte, gemeinsame Anbauplanung inclusive. Ein interessantes Modell für Städter ist die Gemüse-Selbsternte, die der biodynamische Gärtner Volker Rahm für knapp 30 Nutzer ermöglicht. Die mieten eine mit Vielfalt gepflanzte Parzelle, pflegen ihre Kulturen und Kontakte.

 

Es geht auch größer. Den Wirtschaftkreislauf über den eigenen Hof hinaus alternativ zu gestalten, das versucht Demeter-Landwirt Peter Striffler mit dem Regiogeld "Tauber-Franken": Wertschöpfung bleibt so eher in der Region. Klassisch unternehmerisch, aber mit ökosozialer Rendite, geht das der Demeter-Gärtner Christian Hiß an: Seine vielfältige Gärtnerei hat er mit Hilfe von Aktionären in eine Regionalwert-AG umgeformt, die ihm und weiteren Bewirtschaftern landwirtschaftliche Betriebe verpachtet. So will er mit Investivkapital die Region um Freiburg ökologisch verwandeln - Rendite sind die immateriellen Werte, die Ökolandbau schafft, wie intakte Landschaft, sauberes Trinkwasser, gesunde Böden. Aktionäre tragen auch das biodynamische Saatgutunternehmen in Bingenheim oder das Hofgut Oberfeld in Darmstadt.

 

Traditionellere Wege, sich oder sein Geld für eine gesunde Landwirtschaft einzusetzen, sind die Mitgliedschaft in einem Verein, der z. B. im Falle des sauerländischen Birkenhofs Eigentümer und kultureller Träger ist oder als (Zu-)Stifter. Diese eher ideellen Anlagen sichern durch den Erwerb von Flächen oder Betrieben über die jetzige Generation hinaus ökologische Bewirtschaftung. Auch die GLS steigt im Herbst mit einem Bodenfonds in dieses Thema ein.

 

In jedem Fall geht es darum, Landwirtschaft graduell vom Unwesen der Kapitalmärkte zu entflechten. Denn jede Subvention steigert die Pacht, überzogene Renditeerwartungen senken die Erzeugerpreise, weltweit flottierendes Kapital dirigiert auch Agrarmärkte. Was aber, wenn Obstbäume und Kühe anderen Regeln als denen für Quartalsberichte gehorchen?

Der Demeter-Verband versucht, mittels einer Sozialcharta und Anregungen für sozial verantwortliches Geschäftsverhalten dieser prinzipiellen Differenz Rechnung zu tragen. Denn es tut Not, sich in Zeiten der kommerziellen Hypnose (Andreas Weber in "Biokapital"), auf die Grundlagen des Lebens auf der Erde zu besinnen: Alle Kraft geht von der Sonne aus. Deren Strahlen speisen alles Leben und somit auch alles Wirtschaften. Die Landwirtschaft sitzt also an der Quelle. Ihr muss es nur gelingen, sie richtig zu fassen.

 

Michael Olbrich-Majer in Info3 September 09: