Die Macht der Discounter

Billige Lebensmittel kosten extra

 

Mit Preissenkungsrunden im Zweiwochentakt erfreuten die deutschen Discounter im letzten Halbjahr die Konsumenten, passend zur Wirtschaftskrise. Deutschland ist bei den Kosten für Lebensmittel europaweit ein Paradies. Ihr Anteil an den Lebenshaltungskosten fällt stetig und beträgt gerade mal 12,5 Prozent. Da bleibt genug übrig für Zweitwagen oder Zweiturlaub, Spenden oder Privatschulbeitrag.

 

Möglich wird das durch einen knallharten Konkurrenzkampf in der Lebensmittelbranche. Aktuell verkaufen fünf Ketten 90 Prozent aller Lebensmittel: Edeka, Lidl, Aldi, Rewe, Metro. Fast jeder zweite Euro fließt inzwischen in die Kassen von Discountern. Konkurrenz belebt das Geschäft. Aber wird sie allein über Preise ausgetragen, wirkt sie sie als Totengräber, zunächst für die Lieferanten, und dazu gehört unsere heimische Landwirtschaft. Mehr gegessen wird nicht – so geht Gewinn nur zulasten anderer.

 

Dabei punkten Discounter durch schlanke Organisation, effektive Logistik, minimales Sortiment, Verzicht auf Markenartikel und Schnickschnack wie soziales Unternehmertum. Und durch ihre Preisdrücker-Macht. Die schiere Größe ermöglicht es, den Lieferanten den Preis zu diktieren, die müssen ja nicht mitmachen. Ökonomisch verbrämt spricht man von „Skaleneffekten“.

 

Im erbitterten Konkurrenzkampf der Lebensmittelhändler sind die Preise nur Munition: Grundlage dafür ist der Überfluss, 20 % der Lebensmittel werden im Handel zu Abfall. Doch haben 2009 die deutschen Landwirte 20% weniger verdient. Gleichzeitig legt die Bundespolitik ein Hilfsprogramm Landwirtschaft mit 500 Mio. Euro auf. Hier wird das eigentliche Problem klar: Umverteilung auf Kosten des Steuerzahlers.

 

Dabei hilft die Politik, ob ungewollt oder beabsichtigt. So wurde das Schlachtgewerbe durch Subunternehmen unterhöhlt, die für sittenwidrige Löhne Rumänen beschäftigten, während zugleich kleine Schlachter durch die Folgeinvestitionen aufgrund immer höherer Auflagen vom Markt gedrängt werden. Gezielt gelockerte Hygieneregeln ermöglichten den Discountern, das Selbstbedienungsgeschäft mit dem Fleisch an sich zu reißen. Metzgern bleibt zum Überleben der Partyservice. Ähnlich ist es bei Mineralwasser: Nur fünf Hersteller beliefern sämtliche Discounter mit Einwegflaschen, beim Rest häufen sich die Pleiten. Die laschen Pfandregeln waren der Einstieg. Dito Milch und Milchprodukte. Die Discounter haben einen Marktanteil von 43% und bestimmen den Preis. Milchbauern machten im letzten Jahr 45% Verlust.

 

Und da betrifft es auch die Biobranche, denn nach wie vor bedeutet bio nur einen Aufschlag auf den konventionellen Preis. Das Prinzip Discounter bedingt rasche Industrialisierung der Landwirtschaft, auch der ökologischen: Vielfalt adé! Zweidrittel aller Biomöhren werden über Discounter vertrieben. Bei Bio-Eiern z.B. - Discounteranteil 41 %- legen industrielle Öko-Großbetriebe die Haltungsvorschriften weit aus. Auch hier half die Gesetzgebung, indem sie bei der Reform der EU-Ökoverordnung erneut auf die Pflicht zur Gesamtbetriebsumstellung verzichtete.

 

So wirken Discounter letztlich als Verstärker negativer Tendenzen: Die qualitative Abwertung von Lebensmitteln kommt ihrem Vertriebssystem zugute – jüngstes Beispiel. ESL- Milch, drei Wochen haltbare „Frischmilch“ mit Gütesiegel von Ökotest. Die drückt auch auf den Preis. Dass nur große Hersteller die geballte Marktmacht überhaupt beliefern können, ist ein weiterer Nachteil des Systems Discounter.

 

Demeter beschränkt die Vertriebswege seiner Partner bewusst auf den Naturkostfachhandel und besonders qualifizierte Einzelhandelsunternehmen wie z.B. Tegut oder inhabergeführte Edeka-Märkte. Nur in einer gewissen Abkopplung vom Massentrend liegt die Überlebenschance für biodynamische Betriebe. Und wir sollten uns fragen, wem wir unser Geld anvertrauen. Den milliardenschweren Eigentümern von Aldi und Lidl oder Unternehmen, für die Öko kein Feigenblatt ist.

 

Michael Olbrich-Majer in Info3 Nr.2 , Februar 2010, http://www.info3.de