Gerecht wirtschaften ?

Nachhaltige Landwirtschaft sucht neue Regeln

 

Fairplay steht gerade hoch im Kurs, nicht nur wegen gelben und roten Karten, Bankerboni und Kürzungen des Bundeshaushalts. Eine wachsende Zahl Menschen macht sich Gedanken über sozial verträgliches Verhalten in der Wirtschaft, Konsumenten wie Unternehmensführer. Wer „Bio“ kauft, hat meist auch „fair“ im Sinn. Doch ist es nicht selbstverständlich, dass ein Bio-Lebensmittel auch allen Beteiligten gerecht wird, was Einkommen und Preise angeht. Nicht umsonst gibt es inzwischen eine Handvoll Marken, die den fairen Aspekt zusätzlich am Bio-Produkt deklarieren: Fair Trade für Bananen aus Übersee und im Hinblick auf einheimische Bauern fair&regional oder Naturland-fair oder Bestes Bio-fair für alle. Sogar die Netto-Discountkette hat „ein Herz für Erzeuger“ – 10 Cent für konventionelle Bauern bei einigen Produkten.

Im letzen Jahr stürzten die Einkommen des Durchschnittsbauern um 21 bis 25 % ab, egal ob Acker- oder Milchbauer. Dass Landwirte immer weniger verdienen, ist Trend, seit Jahrzehnten sinken die realen Preise für ihre Erzeugnisse. Getreide kostet heute soviel wie vor 50 Jahren, Brötchen heute zehnmal soviel wie damals. Auch die Biobranche kann sich diesem Preisstrudel nicht entziehen. So mancher Biobauer schuftet unter Tarif. Pech nur, dass er sein eigener Unternehmer ist. Familie und Eigentum müssen den Zuschussbetrieb abpuffern.Viele Biohöfe leben mehr von Hofladen und Verarbeitung als von der Landwirtschaft. Im Biohandel gibt es da wie generell im Einzelhandel noch Nachholbedarf, nicht nur bei kleinen Läden. So reagierten Alnatura und BioCompany auf entsprechende Presseberichte damit, dass sie die unteren Lohngruppen überprüfen und wo nötig, an den Tarif anpassen wollen.

 

Das diesjährige Schwerpunktthema der Biofach-Messe „organic&fair“ war also treffend gewählt. Denn natürlich hat Bio diesen Anspruch. Doch wie misst man „Fairness“ im Geschäftsleben? Und wer überprüft das? Also noch ein Label und noch mal Kontrollaufwand. Mit dem Risiko, dass die Wettbewerbszentrale klagt, wie gegen den Produktnamen „faire Milch“? Da Bio-Bauern ohnehin sehr viel Zeit mit Schreibtischarbeit für Behörden verbringen, hält sich die Begeisterung in Grenzen. Auch bei Demeter: Zwar hat sich der Verband mit einer sozialen Charta einen Rahmen gegeben und steht das Thema „Gerechtes Wirtschaften“ mit einem aktuellen Leitbild hoch im Kurs. Doch ist die Realisierung alles andere als einfach. Nun hat die Delegiertenversammlung im April den Vorstand beauftragt, einen Kriterienkatalog und eine freiwillige Zertifizierung zu entwickeln, sowie einen Demeter-Wettbewerb auszuschreiben. Gutes Beispiel ist die Initiative fair&regional mit zahlreichen Demeter-Höfen und dem Bäcker Märkisches Landbrot. Maßstab dürfte auch der Demeter-Milchpreis sein, kostendeckend ist er für die Bauern bisher selten. Doch werden sich solche Elemente nur halten können, wenn sich Demeter organisatorisch mit neuen Formen der rasanten Konzentration im Agrobusiness stellt.

 

Gerecht heißt noch mehr: „Wer ernährt die Zukunft“ fragten sich im Juni 100 Teilnehmer eines Symposiums auf dem Demeter Hofgut-Oberfeld. Ist es gerecht, wenn eine Milliarde Menschen hungern und wir durch unser industrielles Ernährungssystem 50% der verfügbaren Kalorien verschwenden? Die Demeter-Delegierten hatten deshalb bereits im April mit einer Resolution eine andere Agrarpolitik gefordert - gerade werden die Weichen in der EU neu gestellt: Bisher belohnen Subventionen Besitz, nicht Arbeit. Doch sind Agrarsubventionen, z. B. die Kuhprämie, überhaupt gerecht in einer Gesellschaft? Sind Exportsubventionen gerecht, die woanders die Nahrungsmittelerzeugung ruinieren? Sind riesige Mengen an Importfutter für unseren Fleischkonsum mit allen Folgen gerecht? Letztlich kommt es darauf an, Wirtschaft in allen Bereichen bewusster mit- zu gestalten.

 

Michael Olbrich-Majer in Info3 Nr.7/8 ,Juli 2010, http://www.info3.de