Berichte & Initiativen

Wie sieht der Ökolandbau der Zukunft aus?

Vier Ansichten mit vier unterschiedlichen landwirtschaftlichen Hintergründen

„Perspektivenwechsel“ war das Thema der 11. Ökojunglandwirte-Tagung vom 11. bis 13.November in Fulda und der abschließenden Podiumsdiskussion. Wie sieht der Ökolandbau der Zukunft aus? Vier Podiumsteilnehmer mit unterschiedlichem landwirtschaftlichen Hintergrund haben jeweils ihre Vorstellungen dazu geäußert.

Ökolandbau als weltweite Agrarkultur

Ich sehe imÖkolandbau die Landwirtschaft der Zukunft. Dabei ist Ökolandbau nicht nur ein Zertifizierungs- oder Anbausystem, sondern eine Agrarkultur. In der Ökobranche sehe ich zurzeit die Gefahr, sich zu sehr an den Mainstream anzupassen, um damit gesellschaftlichen Zwängen zu entsprechen. Mein Wunsch ist, dass sich der Ökolandbau seinen Grundwerten und Prinzipien treu bleibt und sich am Leitbild einer biobäuerlichen Agrarkultur weiter entwickelt. Schwachpunkte im Ökolandbau sehe ich z. B. in den Wachstumsschritten. Die Nachfrage nach Bioprodukten ist viel größer als die Erzeugung und es wird zwanghaft versucht, an Rohware zu kommen, wobei Regionalität oft vernachlässigt wird. Dadurch bleiben die Erzeugerpreise zu niedrig und der wirtschaftliche Druck aus der kapitalistischen Denkweise (mehr Wachstum) wird so groß, dass letztendlich die ökologischen Werte untern Tisch fallen. Die Entwicklung des Ökolandbaus muss gemeinsam mit gesellschaftlicher Veränderung einhergehen. Interessant ist hier z. B. die Degrowth-Bewegung. Der Ökolandbau sollte sich als ein Teil der Bewegung für Ernährungssouveränität verstehen, solidarisch mit Kleinbauern weltweit und gemeinsam mit der Gesellschaft, um unser gesamtes Ernährungssystem ökologischer und sozial gerechter zu gestalten.

Henrik Maaß, junge AbL

 

Prinzipien der Nachhaltigkeit für die gesamte Landwirtschaft

Ich finde es toll, was der Ökologische Landbau macht. Doch ich sehe auch Grenzen. Nicht jeder Betrieb kann ein Ökobetrieb werden. Der Betrieb bestimmt, wo man ist. Hier gilt es, die Chancen zu sehen und das Beste daraus zu machen. Für den für Ökolandbau wünsche ich mir natürlich auch, dass er weiter wächst und viele Konsumenten überzeugen kann. Weil die Prinzipien der Nachhaltigkeit, die der Ökolandbau in seinen Statuten hat, für alle Landwirte gelten sollten. Ich habe mich diesen auch verpflichtet, jedoch ohne Siegel. Für beide Landwirtschaftsformen (konventionell und ökologisch) wäre mehr unternehmerisches Denken erstrebenswert: Startups, nicht immer nur neue Ställe bauen, sondern innovativ werden, statt passiv abzuwarten.

Theresa Ungru, konventionelle Landwirtin

 

Vertrauen der Verbraucher nicht enttäuschen

Ich sehe den Ökolandbau als Vorreiter einer artgemäßeren Nutztierhaltung. Zwar gibt es hier auch noch Konflikte zu lösen, wie beispielsweise die männlichen Eintagsküken bei der Legehennenzucht, die männlichen Kälber in der Milchviehhaltung oder die ganzjährige Anbindehaltung von Milchkühen. Dennoch habe ich den Ökolandbau bzw. viele seiner Mitglieder bisher als selbstkritisch und lösungsorientiert wahrgenommen und bin überzeugt, dass er sich dieser Probleme stellen wird. Von all dem kann auch die konventionelle Landwirtschaft profitieren und bei der Nutztierhaltung einiges verbessern. Ein Großteil der Verbraucher schenkt dem Ökolandbau sehr viel Vertrauen und ist bereit, für Bioprodukte mehr Geld auszugeben. Dieses Vertrauen gilt es, auch zukünftig zu erhalten. Hier hoffe ich auf eine offene und transparente Kommunikation seitens der Bioverbände. Es wäre schön, wenn sich noch mehr Landwirte für die ökologische Landwirtschaft entscheiden würden. Im Grunde geht es doch um nichts anderes, als nachhaltig mit den Tieren und der Natur im Einklang zu wirtschaften und die bäuerliche Landwirtschaft zu erhalten.

Stefanie Pöpken, provieh

 

Mut zu Ehrlichkeit und Transparenz nach außen

Das rasant schnelle Wachstum des Bio-Marktes in den letzten Jahren lässt für die Zukunft hoffen. Doch dieses Wachstum hat auch zu einer Entfremdung der einzelnen Teilnehmer der Wertschöpfungskette geführt. Zudem ist das Verbraucherbild des Ökolandbaus geprägt von romantischen Vorstellungen einer Landwirtschaft und Lebensmittelherstellung, die die perfekte Lösung für jedes Problem kennt und komplett risikofrei ist. Ich wünsche mir für die Zukunft wieder eine kooperative und vertrauensvolle Zusammenarbeit auf allen Ebenen der Wertschöpfungskette. Dies bedeutet, den Fokus nicht nur auf Wachstum und das Ziel von 100 % Bio für alle zu legen, sondern auch einen kritischen Blick nach innen zu werfen, zu hinterfragen, was denn gesundes und nachhaltiges Wachstum bedeutet. Wachstum ist sowohl für Landwirte, als auch für Verarbeiter sehr individuell, aber Transformation kann auf mehreren Ebenen stattfinden und jeder kann seine Rolle in diesem Transformationsprozess finden. Mut zur Ehrlichkeit auf allen Ebenen und Transparenz nach außen sind für mich die einzige Lösung, um den Verbrauchern ein treffendes Bild der Bio-Branche zu ermöglichen. Und nur dann sehe ich das langfristige Ziel als realistisch an, eine nachhaltige Land- und Lebensmittelwirtschaft zu ermöglichen, die die Natur bewahrt und genussvolle Mittel zum Leben schenkt.

Johanna Stumpner, in Vertretung für die AÖL Jungunternehmer