Editorial

Ökologisch gezüchtet – und dann?

Die gute Geschichte beginnt so: Biodynamische Forscher und biodynamische Gärtner wollen Nutzpflanzensorten für den Menschen geeigneter machen, schließen Allianzen mit anderen Gärtnern und Züchtern, die die Vielfalt erhalten wollen und erreichen eine Menge: Eine Alternative zur Gentechnik deutet sich an, obwohl das nicht unmittelbar geplant war, mehr als 50 neue Gemüse- und 29 Getreidesorten wurden bereits biodynamisch gezüchtet. Dass der Ökolandbau eigene Sorten braucht, das zweifelt kaum jemand an. Und dass Biodiversität bestimmte soziale Strukturen braucht, hat sogar der EU-Gesetzgeber verstanden, wenn auch nicht hinreichend umgesetzt. Dass Getreidesorten für Bio-Betriebe nach dafür sinnvollen Kriterien geprüft werden, konnte auch hierzulande erreicht werden. Alles mit viel, viel Ehrenamt und Hingabe, praktisch wie politisch.

 

Hier beginnt der zweite Teil der Geschichte: Wer kauft diese Sorten und honoriert zugleich die züchterische Arbeit für die Zukunft? Noch zu wenige! Saatgut, ein Kulturgut – soll man es vielleicht nur ausstellen? Wo finde ich als Lebensmittelkunde Rodelikasaft oder Goldritternudeln? Und welcher Verbraucher fragt überhaupt nach der Sorte, wenn es sich nicht um Äpfel oder Kartoffeln handelt? Vielleicht muten wir als ambitionierte Bewegung den Konsumenten auch ein wenig zu viel zu. Andrerseits geben sich eine Reihe von Demeter-Verarbeitern, aber auch Züchter und Saatgutunternehmen wie die Bingenheimer redlich Mühe, Donator-Sauerkrautsaft, Milan, die frische Salatmöhre oder Brot aus Lichtkornroggen an die Frau zu bringen, die einkauft. Forscher fanden zudem relevantere Kriterien für Brotgetreide als die Volumenausbeute im standardmäßigen Rapid-Mix-Test (vgl. LE  6-2012).

 

Muten die Züchter aber auch den Landwirten zu viel zu? Ihr Engagement speist sich schließlich aus der Einsicht in die Erfordernisse der Praxis. Und im Ökolandbau heißt das, die optimale Mischung aus Qualität und Ertrag zu gestalten; nicht das Maximum zählt, sondern das Optimum. Leider sind die Ökosorten noch keine Selbstläufer, auch noch nicht in der Bezahlung, sonst gäbe es mehr Anbaufläche davon. Aber selbst im Maximalfall reicht die geringe Ökofläche noch nicht aus, um z. B. per Sortenlizenz nachhaltig Züchtung zu finanzieren. Und dabei haben wir noch gar nicht von Leguminosen, Mais, Kartoffeln oder Futterpflanzen und Gräsern gesprochen, oder gar von Strauch- und Baumobst und Reben, denen ebenfalls Züchtung guttun würde.

 

Da ist also noch ordentlich was zu tun. Deshalb haben die Demeter-Delegierten nach dem Vorbild des Schweizer Ökodachverbandes eine jährliche Förderung der Züchtung beschlossen. Das Beispiel darf gerne Schule machen. Denn wie die jüngsten Probleme mit CMS-Hybriden im Handel zeigten, befinden sich die Ökozüchter immer noch im Wettlauf David gegen Goliath, es braucht noch viel mehr Sorten, um den immer mehr im Labor gezogenen Hybridsorten etwas entgegenzustellen. Denn Letztere sind verstärkt auch bei Getreiden in Arbeit.

 

Zugleich sind noch ein paar politische Weichen zu stellen: Die EU-Saatgutregelung muss auch regional bzw. funktional adressierte Neuzüchtungen wie für den immer noch kleinen Ökosektor zulassen. Bei den Verhandlungen zur Freihandelszone TTIP mit den USA muss die Hintertür für Agro-Gentechnik verriegelt bleiben. Und die Forschungsmittel für den Ökolandbau insgesamt, einschließlich Öko-Züchtung müssen im Verhältnis zur Anzahl Ökobauern stehen – also 40 bis 50 Mio. statt weniger als 8 Mio. Euro umfassen. Dann geht‘s auch voran.

 

Wie die Geschichte ausgeht, wissen wir also noch nicht. Aber wir können daran mitwirken.

 

Ihr