Editorial

Rein in die Gummistiefel

Urban Farming, Gardening und so weiter – für mich war das anfangs ein hippes Wort für eine in neuen Farben wieder auflebende städtische Kleingartenbewegung gepaart mit einem Aufflackern der Ideale der 1978er ökomotivierten Generation: Die Welt retten? Fangen wir mit unserem Garten, einem Hof oder öffentlichem Grün an! Historisch waren die Phasen blühender Gartenkunst eher restaurative denn revolutionäre, ob in Europa oder China. Doch diesmal scheint etwas anders: es geht nicht um die private Idylle, die Kartoffel für den eigenen Topf, sondern um das Miteinander, um Beziehungen, die verstanden und geflochten werden wollen, um Sinn in der Ödnis des ökonomisierten Weltbildes und um Gestaltung der Welt im kleinen, da wo man unmittelbar Einfluss haben kann. Bewusst, aber nicht primär politisch. Einfach mal anfangen, so das Motto.

 

Längst ist Gärtnern, sein Gemüse selbst ziehen, ein Trend, zumal in Zeiten, in denen bereits Grillen als Abenteuer vermarktet wird und das Reality-TV mit Serien wie „ab ins Beet“ Zuschauer lockt. So werben „Ackerhelden“ mit ihrer Website in verschiedenen Städten fürs Saisongärtnern, eines der Modelle, bei denen sich Städter und Bauern näher kommen. Pflanzen und Säen, aber dann Pflege und Ernte den Konsumenten überlassen, das entdecken inzwischen sogar konventionelle Bauern. Doch gibt es noch andere Stufen, von der FoodKoop bis zur temporär unternehmerischen Beteiligung in einer Gemeinschaftsgetragenen Landwirtschaft, vom Mitinvestieren gegen Genussscheine bis zur Öko-Holding, z. B. nach dem Modell der Regionalwert AG oder der Kulturland-Genossenschaft.

 

Die weltweite Verstädterung und klimatisierte Lebensweise einerseits, anonyme Warenströme und Nahrungsmittel andererseits erzeugen Gegentrends, die auf einen Wertewandel zielen: Suffizienz – die Frage nach dem rechten Maß, Resonanz – die Frage wie das, was wir tun auf die Welt wirkt, und Resilienz – die Kraft, mit Wandel umzugehen, werden Leitbegriffe in einer Bewegung zur Veränderung unseres Konsumstils. Es entstehen postkapitalistische Experimentierräume für kooperative anstelle konkurrenzierender Formen des miteinander Lebens. Das ist zu begrüßen, denn nach wie vor gilt zum Beispiel hinsichtlich unseres Energieverbrauchs: Faktor fünf. Um diese Größenordnung müsste er schrumpfen, um auf den Weltdurchschnitt von zwei Tonnen zu sinken. Das gilt auch für die Ressourcen: der Welt-Ökoschuldentag, an dem unser ökologischer Fußabdruck die Regenerationsfähigkeit des Planeten überschreitet, liegt heute Mitte August, Ende der 1980er noch Mitte Dezember.

 

Was heißt das für die Biobauern und die biodynamische Bewegung? Nun, hier interessieren sich Menschen für die Landwirtschaft jenseits von Abokiste oder Streichelzoo, suchen in der der erlebbaren Ursprünglichkeit – jedenfalls relativ zum urbanen Leben – die Hebel zur Reform unseres ressourcenintensiven Lebensstils, manchmal einfach auch nur das gute Gefühl, zu sehen, was man geschafft hat. Haben wir nicht darauf gewartet? Zumindest für Betriebe im Dunstkreis der Städte ergeben sich hier neue soziale Möglichkeiten, die auch ökonomische Relevanz haben. Wer keine Lieferverträge mit seitenlangen Qualitätsklauseln will, der findet in Gemeinschaftsgetragener Landwirtschaft freudige Abnehmer auch für seine krummen Gurken. Und vor allem: Hier sind Menschen, die den Ursprungsimpulsen des Ökolandbaus durchaus nahestehen – aber auch ihren Blick mit diesen Kriterien einbringen. Das verspricht spannendende Konstellationen und Anstöße, für die man als Betriebsleiterfamilie bereit sein muss, vielleicht auch als Verband – wenn es um die künftige Ausgestaltung und Verbindlichkeit von Betriebsentwicklungsgesprächen geht. Und wir könnten zur Kenntnis nehmen, dass es auch Stadt-Wirte gibt, Menschen, die mit Freude und Phantasie versuchen, ihr urbanes Umfeld nach den Prinzipien des Ökolandbaus zu gestalten; da geht es nicht um Zertifizierung, sondern um die Idee und ihre Praktiken.

 

Viele Felder also zum fruchtbaren Verknüpfen.

 

Ihr