Editorial

Die dritte Dimension nutzen

Bäume oder Gehölze und Landwirtschaft denken wir heute selten zusammen, auch nicht im biodynamischen Kontext. Dabei haben viele Betriebe „Bauernwald“, pflegen Hecken oder Streuobstwiesen und einige experimentieren mit Agroforst- oder Permakulturansätzen. Und aktuelle Bestseller wie „Das geheime Leben der Bäume“ oder „Die geheime Sprache der Bäume“ laden geradezu dazu ein, indem sie den lebendigen Zusammenhängen im Wald intensiv nachgehen. In seinem Kurs für Landwirte geht Rudolf Steiner 1924 gar soweit, ein Bild zu geben, wie ein Zusammenhang zwischen Bodenfruchtbarkeit und dem Waldbestand vor Ort besteht. Er weist auf die Regulierung des Waldanteils hin: Mehr Wald bedinge besseres „Bodenwachstum“, weniger Wald dann mehr Samenkraft, das Ganze unter dem Aspekt der Kräfte, welche die Bäume , aber auch die vom Gehölz beherbergte Tierwelt in einer Landschaft verteilen. Die Erfahrung vieler Demeter-Betriebe mit Hecken und Knicks, oder die Effekte der gezielten Aufforstung des Betriebs Marienhöhe vor vielen Jahrzehnten zeigen, dass da was dran ist.

 

Sowohl Agroforst als auch Permakultur gehen da als Lösungen für bestimmte Standorte oder Klimate noch einen Schritt weiter, nutzen die Möglichkeiten des Raumes – Bodentiefe und Lichtraum – möglichst effektiv. Im Rahmen von hofeigenen Energiekonzepten (Brennholz), aber auch hinsichtlich einer Diversifizierung – Fruchtgehölz in Feldkulturen – sind das Ansätze, die den Betrieb im Sinne einer biodynamischen Geschlossenheit weiter abrunden können. Das gilt bei näherer Betrachtung auch für Hecken, deren historische Nutzung nicht nur Brennholz, sondern auch Obst und Beifutter umfasste. Mit moderner Technik lässt sich an einer geeignet aufgebauten Hecke auch heute Laubheu ernten.

 

Der Wald selbst wird in vielen Demeter-Betrieben eher „konventionell“ betrachtet, biodynamische Waldpflege steht da erst am Anfang. Denn es gibt zwar einige biodynamische Demonstrationswälder und einen rührigen Arbeitskreis biodynamische Waldpflege (vgl. auch LE 6/2003 bzw. LE 1/2010), doch kursieren weder deren Erfahrungen flächendeckend, noch wird dazu wirklich geforscht. Dabei wäre es schon interessant, festzustellen, was biodynamische Arbeit im Wald bewirkt. Zum Beispiel bei der Holzqualität. Über geeignete Fällzeitpunkte gibt es bereits wissenschaftliche Publikationen, aber über biodynamische Maßnahmen wie Präparate oder Pflanzzeitpunkte? Und was bewirkt das früher verbreitete Hüten von Nutztieren im Wald im Vergleich zu dem meist satten Wildbesatz? Eichelmast für Schweine oder Blattdiät für Rindvieh gibt es heute so gut wie nicht, da findet man eher Ziegen und Schafe aus Naturschutzgründen gegen wuchernden Brombeer-Unterwuchs im Wald, natürlich gezäunt.

 

Auf jeden Fall macht, wer auf Dauerwald im Sinne der Arbeitsgemeinschaft naturgemäße Waldwirtschaft (ANW) umstellt, den Wald lebendiger und langfristig ertragreicher. Und mit kluger, nicht nur standorttreuer Pflanzung auch zukunftsfester, wenn man sich bereits auf den Klimawandel einstellt.

 

Denn die Ergebnisse der Arbeit im Wald sieht man erst nach Jahrzehnten: das Denken in Generationen – das können wir vom Wald lernen.

 

Ihr