Editorial

Ein bisschen Bio. Und wie weiter?

Jedes Erfolgsmodell kommt mal in die Jahre. Da braucht es dann eine gründliche Überholung. Wie es ginge, den Schwung für den Ökolandbau neu zu entfachen und zu stabilisieren, darüber diskutieren seit einigen Jahren Fachleute, Verbände und Wissenschaftler, suchen geeignete Wege und Strategien, meist mit dem Focus auf Forschung und deren Förderung ... (u.a. auch diese Zeitschrift – vgl. 5-13). Wir leben ja im wissenschaftsgläubigen Zeitalter. Doch faktisch ist Wissen nur einer von vielen Antrieben, die unser Leben, unsere Gesellschaft und auch den künftigen Ökolandbau gestalten.

 

Bei jungen, am Ökolandbau interessierten Landwirten ist es längst klar: Es kann künftig nicht nur darum gehen, die leckersten Vollkornbrötchen ab Hof zu backen oder die ertragreichste Bio-Furche zu ziehen. Entwicklung ist da weniger bei produktionstechnischen Finessen gefragt als beim sozialen Fortschritt auf dem Land und in der Landwirtschaft, damit sie lebenswert bleibt. Denn Landwirtschaft ist nicht nur Produktion, sondern eine Lebensform, immer noch.

 

Der Ökolandbau als System aber steht vor Herausforderungen – politisch u.a. durch die Revision der EU-Verordnung, verfahrenstechnisch z. B. beim Pflanzenschutz, sozial, was den Generationswechsel, faire Arbeitsbedingungen oder bezahlbare Flächen angeht. Und er steht im Wettbewerb um gute Lösungen im Hinblick auf eine dauerfähige Ernährungssicherheit weltweit. Denn die konventionelle Seite hat, zumindest was die Forschung zur Nachhaltigkeit angeht, aufgeholt. In der Nische denken und so nur die Fakten wahrnehmen, die unser Bio-Selbstbild bestätigen, das gefährdet unsere Zukunft. Aber ein zur Industrie 4.0 analoger Wettlauf ist nicht angemessen: Pflanzen und Kühe hören nicht auf eine App. Als mit Landwirtschaft betraute dürfen wir nicht verkennen, dass es um prinzipiell völlig unterschiedliche Sphären geht: für das Lebendige gelten ganz andere Naturgesetze und Werte als im Bereich der reinen Materie. Die Gesetze der Biologie werden gerade erst von der Forschung entdeckt.

 

Wie viel Maschine ist noch bio, fragt die österreichische Bergbauernzeitschrift angesichts der zunehmenden Differenz zwischen Hightech auch auf dem Acker und dem Fehlen einfacher Arbeitsplätze für Menschen, die diese brauchen. Eine kritische Haltung ist nicht nur da oder bei (zu) schwerem Gerät berechtigt. Mehr und mehr nehmen uns mathematisierte Modelle der Natur, Expertensysteme etc. Wahrnehmung und Denken ab. Wohin das führt, zeigt die leidige Diskussion um die Kuh als Klimakiller, die wie einst beim Spinat auf unvollständig erhobenen Zahlen beruht.

 

Auch unsere Handelspartner in der Biobranche stehen vor einem Umbruch, wie das Ringen um Marken und Profil zwischen Fachhandel, Biomärkten, Supermärkten und Discountern zeigt. In dieser Situation haben die neuen Demeter-Vertriebsgrundsätze (S. 48) die Diskussion befeuert. Mittelfristig aber wird die Herausforderung sein, die online- und supermarkt-affine junge Kundengeneration für Bio zu gewinnen.

 

Die Schlüsselfrage für den Erfolg des Ökolandbaus jedoch sind ehrliche Preise. Die Wettbewerbsverzerrung am Markt zugunsten der konventionellen Kollegen, die weder die Verteuerung der Trinkwassergewinnung oder das Verschwinden von Arten angerechnet bekommen, noch umfangreiche Bio- oder Gentech-Kontrollen zahlen müssen, die gilt es, nach dem Verursacherprinzip abzuschaffen bzw. über Steuern und Abgaben auszugleichen. Und Subventionen sollten umgestellt werden, weg von der pauschalen Flächenförderung zu gezielten Maßnahmen im Rahmen der zweiten Säule. Dann wird der Ökolandbau auch ein attraktives Modell, das durch seine Gesamtleistung überzeugen kann.

 

Ihr