Editorial

Freiräume zurück gewinnen

Manche Demeter-Landwirte schwärmen neuerdings von Solidarischer Landwirtschaft: Zumindest der Aspekt, sich nicht um Vermarktung etc. kümmern zu müssen, sondern sich wieder mehr der eigentlichen Landwirtschaft widmen zu können, hat für sie einen Reiz. Denn das, wofür viele angetreten sind und was auch viele Auszubildende motiviert, die Pflege der Erde, der respektvolle Umgang mit Nutztieren und der Natur, droht für Bio-Betriebsleiter hinter dem Organisieren des Drumherum und der Sorge um ein nachhaltiges Wirtschaften tendenziell zu kurz zu kommen.

 

Gerade die Vielfalt, die Bio- und speziell Demeter-Betriebe anstreben, birgt eine besondere Herausforderung. Die wesentliche Aufgabe der Verantwortlichen ist es oft weniger, den Boden oder das Vieh zu begleiten, sondern per Handy, PC und Gesprächen den Betrieb zu verwalten und zu lenken, zwischen Vermarktung, Personalführung, Baustellen und Backstube, technischen Fragen, Dokumentation, Prämienanträgen oder einer der zahlreichen Kontrollen den biodynamischen Kurs zu halten. Das schöne daran: der Beruf ist vielfältiger geworden. Aber fühlt man sich da noch als Bauer? Und braucht man da nicht neue Fähigkeiten? Ohne die alten zu verlieren?

 

Im Laufe des neunzehnten Jahrhunderts wurde der Bauer zum Landwirt, mit der Bauernbefreiung, landwirtschaftlicher Fortbildung durch Hausväterliteratur, ersten landwirtschaftlichen Fakultäten und der aufkommenden Vorstellung, dass Landwirtschaft nicht nur (natur-)zyklisch, sondern auch linear zu denken ist: kurzum durch das Bewusstsein dafür, dass Bauernhöfe eben auch Unternehmen sind. In ihrer aktuellen Stellung in der technisierten Informationsgesellschaft sind sie das mehr denn je.

 

Nun zeichnet den Unternehmer eine gewisse Freiheit aus, die aber in der Landwirtschaft nur in Grenzen wirksam werden kann: die Gebundenheit an die Naturgrundlage und die langfristige Kapitalbindung – nur wenige Arbeitsplätze sind kapitalintensiver als der des Landwirts – schränken die Flexibilität ein. Und die intensive Verflechtung in ein Zertifikats- und Prämienwesen engen zusätzlich ein. Dabei ist das landwirtschaftliche Unternehmertum im Vergleich zu anderen Sektoren der Wirtschaft in mehrfacher Hinsicht besonders: Die Produktionsfaktoren Boden und Arbeit sind eher immobil. Landwirtschaft kann ihre Betriebsmittel (z. B. Saatgut, Nachzucht oder Gesundheit) selbst erzeugen. Sie kann gesellschaftlich relevante Güter schaffen, die aber nicht bewertet werden (Naturkapital wie Biodiversität, Bodenfruchtbarkeit, Trinkwasser, Landschaft etc.). Zugleich nimmt sie in hohem Maße am Fortschritt der Produktivität teil: 1980 ernährte ein Landwirt 47 Menschen, 2014 waren es schon 131, um 1900 erst vier. Das offenbart den hohen Druck im aktuellen Landwirtschaftsmodell, der zurzeit vor allem zu Lasten der Naturgrundlage gelöst wird und oft auch zu Lasten einer vernünftigen Entlohnung und Work-Life-Balance der in der Landwirtschaft Tätigen.

 

Dennoch gelingt es vielen Bio-Betrieben, aus diesen Bedingungen das Beste zu machen, zu wachsen, der nächsten Generation den Einstieg zu ermöglichen, sich zu engagieren oder über die reine Erzeugung hinaus als Idee auszustrahlen, den Ökolandbau immer noch innovativ und effizient zu gestalten. Das geht, wenn Phantasie erlaubt ist und auf Realismus und Organisationsfähigkeit trifft. Dafür braucht es Freiräume, sowohl um Bereiche oder gar Ziele neu zu denken, wie auch anders zu organisieren, z. B. bei der Zusammenarbeit, dem Finden von Kapital, der Außenkommunikation, die bei vielen Betrieben auch zu den Aufgabenfeldern gehört. Dazu muss man im Gespräch sein, mit sich, der Familie, den Mitarbeitern und Kollegen aber auch dem betrieblichen Umfeld, sei es nun die Bank, der Trägerkreis oder die Gemeinde. Da ist es hilfreich, einen Platz haben, wo Ideen und Ideelles reifen. Vielleicht am Rührfass?

 

Ihr