Editorial

Saat – gut?

Eigentlich ist es eine wunderbare Erfolgsgeschichte: Eine Handvoll biodynamischer Pflanzenzüchter tritt gegen die Saatgutkonzerne dieser Welt an und züchtet und registriert binnen zwanzig Jahren mehr als dreißig Getreidesorten, 80 Gemüsesorten und noch ein paar andere Pflanzen. Ohne Geld, nur mit Sachkenntnis, Organisationstalent und Spenden. Soweit so gut. Doch der Wettlauf um Sorten auf unseren Feldern, die frei von Gentechnik und Hybridisierung sind, die zudem speziell für den Ökolandbau gezüchtet und geeignet sind, ist damit nur eine Runde weiter: vielleicht 3.000 Meter von 10.000.

 

Denn nach wie vor bestimmen andere, meist konventionelle Sorten die 300.000 Hektar Ökoacker- und Gemüsebaufläche in Deutschland. Dabei gibt es inzwischen auch eine Reihe etablierter Züchtungsunternehmen, die Sorten für Ökobauern anbieten, was wenig daran ändert. Woran hängt es also? Bauern mindern das Risiko. Neue Sorten sind ein Risiko, im Vergleich zu vertrauten. Sie müssen sich am jeweiligen Standort bewähren, klar. Aber das gilt auch für die konventionellen Züchtungen.

 

So geht es neben der Frage der Leistungsfähigkeit einer Sorte vor allem um Bekanntheit, Vertrauen erweckenden Wuchs im Versuchsanbau. Aber gerade wir als Demeter-Verband haben da ja Möglichkeiten, die auch Sog erzeugen können. Es gab ein Projekt zu Getreidesorten. Und einige Demeter-Verarbeiter sind das Thema der Sorten, der Herkunft, der Züchtung angegangen, werben damit auf Verpackungen und ihrem Marketing.

 

Allein, das reicht noch nicht. Zum einen ist selbst beim Getreide die biodynamisch gezüchtete Auswahl groß, aber noch nicht bei allen Getreidearten hinreichend. Und beim Gemüse fehlen noch viele Varietäten, die der Bearbeitung harren. Auch passen die Sorten nicht immer ins System des jeweiligen Betriebes, und ein ordentlicher Anteil Hybriden wird bei Gemüse nach wie vor angebaut, zur Risikoabsicherung. Doch würde sich jeder Demeter-Betrieb einen bestimmten Prozentsatz auf die Fahnen schreiben­, würde es schneller voran gehen. Das wäre auch in der Verarbeitung gut. Und der Verband würde den nächsten konsequenten Schritt gehen, nach der schon erfolgten Demeter-Zertifizierung von Züchtung.

 

Denn, damit sich die Züchtung lohnt, müssen die Sorten auch angebaut werden. Und eigentlich muss der Anbau die Züchtung refinanzieren. Ein Getreidezüchter geht für eine Sorte mehr als zehn Jahre lang in Vorleistung; der Nutzen aber wird beim Landwirt und beim Verarbeiter erzielt. Die Vermehrung und damit das Angebot an Saatgut ist bei weitem noch nicht flächendeckend aufgebaut – es braucht Vermehrer, und je nach Region auch mehr Demeter-Betriebe hierbei.

 

Nicht geklärt ist die Finanzierungsfrage. Hier sind die Züchter sich nicht ganz einig, und es macht einen Unterschied, ob es um Gemüse oder um Getreide geht. Bei Getreide geht es um deutlich größere Flächen und Summen. Auch wenn die Verbände als Zahler hier nicht infrage kommen, wäre eine gemeinsame Initiative für z. B. einen Züchtercent zu begrüßen, ähnlich des Engagements in der Hühnerzüchtung.

 

Vor fast zwanzig Jahren schrieb ich die erste Reportrage über einen biodynamischen Getreidezüchter. Es wäre schön, wenn deren Beitrag gesichert würde und den Ökolandbau weiterentwickeln hilft. Denn: in der konventionellen Landwirtschaft entstanden fünfzig Prozent des enormen Ertragsfortschrittes der letzten fünfzig Jahre durch Züchtung, also neue Sorten. Und der Ökolandbau hadert gerade mit der Notwendigkeit zur Intensivierung. Hier, in der Züchtung liegt ein wichtiger Teil der Antwort. Auch zur Risikoabsicherung mit Sorten, die ins System passen und tolerant gegen vielerlei Unbilden sind. Doch selbst Hofsorten oder Populationen muss jemand pflegen. Um all das sollte sich der Ökolandbau mit vereinten Kräften kümmern.

 

Ihr