Ernährung

Fair, sozial – oder assoziativ?

Gerechte Formen des Handels und Demeter

Peter Schaumberger

 

Produkte mit einem Fair Trade-Label haben in den letzten Jahren enorme Wachstumsraten hingelegt. Über die ursprünglich stark kirchlich orientierten Kreise hinaus spricht das Thema immer mehr Menschen an. Ein Grund hierfür ist sicher die weite Verbreitung über viele Vertriebsschienen und die gewachsene Produktvielfalt. Seit kurzem beschränkt sich fair gehandelte Ware auch nicht mehr nur auf Landwirtschaft und Handwerk in Entwicklungsländern, sondern hat den Sprung geschafft nach Deutschland: Faire Preise auch für deutsche Bauern. Welche Position kann der Demeter-Verband bei diesem Thema einnehmen?

Ein Beitrag zur Entwicklung?

Bei jedem wachsenden Wirtschaftszweig und an jeder neuen Idee gibt es Kritik. Ein entscheidender Punkt ist, dass Konsumenten nicht wissen, wie sich der Preis zusammensetzt, und wie viel von dem bezahlten Mehrpreis auch bei dem Kleinbauern ankommt. Jean-Pierre Boris macht in seinem Buch (Un)Fair Trade folgende Rechnung auf: 2003 wurden 19.000 t Kaffee, 0,3 % der Welternte, als Fair gehandelt. Den Bauern bringt dies nur 40 Mio. Dollar mehr ein im Vergleich zum normalen Welthandel, 5 Euro im Monat pro Kopf, rechnet Boris vor. Schwerwiegender ist vielleicht seine Beobachtung, dass nur Bauern bzw. Kooperativen mit hohem Ausbildungsniveau es überhaupt schaffen, den administrativen und sozialen Aufwand einer Fair Trade Zertifizierung hinzubekommen. Auch das gestiegene Interesse von großen Handelsketten (z. B. LIDL) oder multinationalen Konzernen bringt das Thema in den Verdacht, nur zum Imagegewinn missbraucht zu werden. Solche Aspekte betreffen aber auch Öko-Produkte.

Fair Trade heute

Als in den 70er Jahren kirchliche Kreisen mit einem alternativen Ansatz zur Entwicklungshilfe – Handel statt Almosen – begannen, war das vor allem auf handwerkliche Produkte beschränkt. Heute wird Fair Trade mit Lebens- und Genussmitteln verbunden: Kaffee, Tee, Kakao/Schokolade und Bananen sind die mit Abstand wichtigsten Produkte. Die Produktpalette erweitert sich stetig: z.B. um Honig, Fruchtsäfte, Eistees, Wein, Sportbälle (im WM-Jahr), Reis und Rosen. Der Umsatz in Deutschland stieg in 2006 um 50 Prozent auf 110 Millionen Euro, weltweit waren es 2006 1,6 Milliarden Euro. Dennoch hat fair gehandelter Kaffee in Deutschland nur einen Anteil von etwas über 1 %. 70 % der Fair Trade Produkte tragen auch ein Bio-Siegel. Die Produzentenorganisationen in Afrika, Asien und Lateinamerika erhielten laut TransFair-Vorsitzenden Norbert Dreßen 2004 Fairtrade-Prämien in Höhe von 1,2 Millionen Euro. 43 Prozent der deutschen Konsumenten kennen das FairTrade Siegel, 16 Millionen Menschen kaufen Fairtrade-Produkte. In Deutschland bieten 110 Lizenznehmer rund 750 FairTrade-gesiegelte Produkte, seit Sommer auch der Discounter Lidl. Ab Herbst 2007 sollen Bekleidung, Heimtextilien und Kosmetikartikel aus Fairtrade-Baumwolle auf dem deutschen Markt erhältlich sein. Eine Initiative zur Beseitigung von sozialen Misständen bei der Computerherstellung wurde 2006 von der Nichtregierungsorganisation "Weed" gestartet.

Fairer Handel in Deutschland

Die als "Erzeuger Fair Milch" deklarierte Milch der Upländer Bauernmolkerei ist im regionalen Naturkostfachhandel erhältlich, und wer sie dort kauft, zahlt für die regionalen Bauern einen Mehrpreis von 5 Cent pro Liter. Zusätzlich fordern die Naturkosthändler bei der Upländer Bauernmolkerei "Erzeuger Fair Milch"-Aktionsaufkleber, so genannte Fairkaufsmarken an. Die Aufkleber werden vor Ort in den Fachhandelsgeschäften auf die Milchtüten geklebt. Dadurch wurde eine versteckte Preiserhöhung vermieden.

Bei der "Fair Zertifizierung" prüft Naturland die Verarbeitungsbetriebe auf Kriterien wie soziale Verantwortung, faire Erzeugerpreise, langfristige Handelsbeziehungen, regionalen Rohstoffbezug, gemeinsame Qualitätssicherung und Förderung von Projekten. So müssen nach den Naturland Fair-Kriterien mindestens 80 % der regional verfügbaren landwirtschaftlichen Erzeugnisse aus der Region kommen. Drei deutsche Naturland-Verarbeitungsbetriebe wurden seither zertifiziert, es ist also keine flächendeckende Zertifizierung.

Fair Trade und Globalisierung

Der aktuelle Schritt des Fair Trade Gedankens in die Industrieländer ist vor allem eine Folge der Globalisierung und der vorübergehend niedrigen Preise bei Bio-Rohstoffen. Thomas L. Friedman stellt in seinem empfehlenswerten Buch "Die Welt ist flach" drei Phasen der Globalisierung dar: 1492 bis etwa 1800, dominiert durch Länder und Regierungen basierend auf Mechanik und militärischer Macht, die nächste bis etwa 2000, dominiert durch multinationale Unternehmen, möglich gemacht durch sinkende Transport- und Kommunikationskosten. Die dritte, gerade begonnene Phase zeichnet sich aus durch ubiquitäre Information (Internet) und internationale Arbeitsteilung nicht nur bei Güterproduktion, sondern auch bei Dienstleistungen (Steuerberater und Buchhalter in Indien) und durch einen ganz neuen Träger und Entscheider in der Entwicklung: das Individuum. Der Wirtschaftskolonialismus geht zu Ende. So wandelt sich auch Fair Trade vom Ablasshandel des schlechten Gewissens der Bewohner von Ex-Kolonialmächten und Industrienationen hin zur Erkenntnis: Ich muss dem Bauern ausreichend Geld bezahlen, sonst geht er weg und wirtschaftet woanders! Das ist vielleicht weit voraus gedacht, aber macht den künftigen Zusammenhang klar: Der faire Preis für das Produkt ist der Preis für die zukünftige bestmögliche Tätigkeit der Wertschöpfungskette, und damit für die Qualität der Arbeit und ihre Effizienz.

Bio-dynamisch und "Assoziation"

Die bio-dynamische Bewegung, verstanden als einer der praktischen Zweige der Anthroposophie und ganzheitlich auf dieser fußend, hat sich nie allein auf Landwirtschaft und Lebensmittelqualität beschränkt. Immer war die Frage des miteinander Wirtschaftens ein ebenso zentrales Thema, aufbauend auf den Ideen zur sozialen Dreigliederung von Rudolf Steiner. Das kann hier nicht umfassend ausgeführt werden. Steiner kritisiert sowohl das kapitalistische System, als auch die Bildung von Genossenschaften. Als "wirkliches Assoziationsprinzip" formuliert er: "Da wird zuerst produziert und dann das Produzierte auf Grundlage des Zusammenschlusses der produzierenden Personen zum Konsum gebracht." (Vortrag vom 25.10.1919, Das Wirtschaften auf assoziativer Grundlage, in GA 332a). Dies stellt er in deutlichen Gegensatz zum Genossenschaftsprinzip, das darauf beruht, dass Menschen in Gemeinschaft Beschlüsse fassen, um Produktionsprozesse zu verwalten. Was letztendlich wiederum die kapitalistische bzw. von Politikern verwaltete Form darstellt.

Was ist gerecht?

  • Bedürfnisprinzip (den verschiedenen/verschieden großen Bedürfnissen gerecht werden)

  • Vertragsprinzip (dem Vereinbarten gerecht werden)

  • Leistungsprinzip (wer viel für die Gemeinschaft leistet, dem steht auch mehr zu)

  • Gleichheitsprinzip (jeder bekommt das Gleiche)

  • Gleichberechtigungsprinzip (Chancengleichheit)

  • Differenzprinzip nach Rawls (Chancengleicheit so gestalten, dass Benachteiligte bessere Chancen haben)

  • Generationengerechtigkeit (nach Rawls)

  • Autoritäres Machtprinzip (nach Wikipedia, John Rawls, Robert Nozick)

Wie sieht es bei Demeter aus?

Seit Jahren beschäftigt das Thema den Verband, und da es offensichtlich noch keine klare Vision gibt, gibt es auch noch keine pragmatische Aussage für Verbraucher. Das Thema muss von den geistigen Grundlagen her richtig angegangen und durchdrungen werden. Partnerschaftliches, assoziativen Wirtschaften- diese Grundgedanken sind seit jeher in bio-dynamischen Projekten und Wirtschaftszusammenhängen auch weltweit, mit anwesend. Viele Initiativen im Ausland setzen sich von Beginn an mit Aspekten der Kinderarbeit, der Aus- und Weiterbildung etc. auseinander: Ein hervorragendes Beispiel ist SEKEM. Viele haben Vorarbeit geleistet, z. B. bei den IFOAM Social Standards mitgearbeitet, und ein sehr hoher Prozentsatz verfügt über eine zusätzliche Fair Trade Zertifizierung nach dem einen oder anderen Standard. So ist im Zertifizierungswesen Demeter als Standard für Anbau und Verarbeitung definiert, und Fair Trade wird als gewerkschaftlicher Standard zertifiziert. Vielleicht kann dies als Teil eines Demeter-Modells dienen.

 

Im Rahmen von Arbeitsgruppen auf internationaler Ebene, beispielsweise der Fachgruppe Markt von Demeter International e.V. oder auch im Rahmen der landwirtschaftlichen Tagung (auf Initiative von Tadeus Caldaz) wird seit Jahren immer wieder an dem Thema gearbeitet. So ist der Entwurf einer Sozial Charta entstanden, die testweise in der Schweiz weiterentwickelt und ausprobiert wurde. Ganz konkret: Für Demeter-Kartoffeln und Demeter-Möhren wurden Preise transparent und fair ausgehandelt zwischen Produzenten, Verarbeitern, Grosshandel, Einzelhandel und Konsumenten. Dies war möglich, da alle Beteiligten von der üblichen prozentualen Margenberechnung abrückten. Dieser Ansatz ist erfolgreich, aber wohl nur möglich durch die nahezu monopolistische Situation in der Schweiz, insbesondere auf der Ebene des Grosshandels. Dennoch muss man in dieser Richtung weiterarbeiten.

 

Weitere Fair-Zertifizierungen im Demeter Umfeld wurden von den Kontrollstellen Instituto Biodinamico aus Brasilien und dem Institut für Markt-Oekologie (IMO) in der Schweiz geschaffen. "Fair & regional" (www.fair-regional. de) versucht in Berlin-Brandenburg, beide Aspekte miteinander zu kombinieren. In dieser verbandsübergreifenden aber Demeter-lastigen Initiative sind die sozialen Kriterien fokussiert auf versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse, regelmäßige Weiterbildung, die Mitarbeit an gesellschaftlichen/sozialen Projekten der Region, sowie auf Wissens- und Erfahrungsvermittlung des ökologischen Gedankens. Für die gemeinsamen Wirtschaftsbeziehungen gilt die Verpflichtung zu längerfristigen Abnahme- und Lieferverträgen, gemeinsamen Anbau-, Mengen und Produktionsentwicklungsplänen sowie verbindlichen und nachvollziehbaren gemeinsame Preisgestaltung. Dem Berliner und Schweizer Beispiel ist gemeinsam, das es sich um "Inseln" mit einer überschaubaren Zahl von Akteuren, insbesondere auf der Grosshandelsebene handelt.

Begriffsklärung

Ein Definitionsversuch wurde 2001 von einem informellen Netzwerk der wichtigsten Fair Trade Organisationen (FINE) erarbeitet: [2] "Fairer Handel ist eine Handelspartnerschaft, basierend auf Dialog, Transparenz und Respekt, die sich für mehr Gerechtigkeit im internationalen Handel einsetzt. Fairer Handel trägt durch bessere Handelsbedingungen und die Absicherung der Rechte marginalisierter Produzenten und Arbeiter – besonders im Globalen Süden – zu nachhaltiger Entwicklung bei. Fair Trade Organisationen (unterstützt durch Konsumenten) sind aktiv involviert bei der Unterstützung von Produzenten, der Schaffung von Bewusstheit und in Kampagnen für Veränderungen in den Regeln und der Praxis konventionellen internationalen Handels" (FINE, 2001).

Runde Tische – eine Lösung?

Auf nationaler Ebene in Deutschland ist die Situation wesentlich komplexer. Seit einigen Jahren arbeiten wir in den Bereichen Getreide und Milch in nationalen Demeter-Marktkommissionen zusammen. Nicht alle Demeter-Bauern sind da gebündelt, die Erzeugergemeinschaften sind zudem noch unterschiedlich strukturiert, ca. 5 bis 10 Erzeugergruppen bundesweit je nach Produkt. Im Bereich der Molkereien und Mühlen gibt es jeweils etwa 5 bis 7 dominierende Unternehmen mit bundesweiter Distribution (ca.60 bis 70% des Umsatzes), daneben 15 bis 30 kleinere mit stärker regionaler Orientierung. Etwa 120 Bäcker deutschlandweit komplettieren die Wertschöpfungkette Getreide. Bezieht man den Großhandel ein, wird die Situation noch unübersichtlicher: ein bundesweit aktiver, ein Verbund von 13 regionalen Großhändlern, und ein im halben Bundesgebiet aktiver, die alle zueinander in Wettbewerb stehen. Daneben gibt es noch ein buntes Feld von Spezialgroßhändlern und ungebundenen regionalen, die verschiedene Nischen abdecken. Im Einzelhandel sind neben den inhabergeführten Naturkostläden vor allem die stark wachsenden Filialisten der Biosupermärkte (Alnatura, Basic und Co.) sowie qualitätsorientierte Supermarktketten (tegut, EDEKA) die Demeter-Marktpartner. Alle an einen Tisch? Schon allein die Frage, wen zu welchem Treffen einzuladen, ist von Brisanz. Ein Problem ist, dass Konkurrenten am Tisch sitzen. Wie kann man nun assoziativ arbeiten, ohne ein Kartell zu bilden? Wie kann jedes Unternehmen seine eigene Wirtschaftlichkeit im Auge behalten, und trotzdem der ganzen Wertschöpfungskette dienen?

Vorschlag: Jährlich eine Demeter-Markttagung

Wie wäre es mit einer großen Demeter-Markttagung im Jahr, an der alle Gruppierungen teilnehmen müssen, die zum Informationsaustausch dient, an der über Marktentwicklungen informiert wird, Anbau- und Ernteentwicklungen dargestellt werden. Der Input kann von Mitgliedern und externen Fachleuten kommen. Dazu gesellen sich Workshops in verschiedenen Zusammensetzungen: Getreideerzeuger untereinander, Grosshändler untereinander, verschiedene produktbezogene Wertschöpfungsketten miteinander. Die Anwesenheit eines verantwortlichen Mitarbeiters aus jedem verarbeitenden und handelnden Mitgliedsunternehmen sowie aus den Erzeugerzusammenschlüssen wäre verpflichtend.

 

Über die Markenführung wäre ein Mittel gegeben, indem durch die Verträge bestimmte Bereiche, seien es Gebiete oder Produktbereiche geschützt werden können. Dafür ist aber eine starke Organisation nötig. Deutlich wird: es ist schwierig, Assoziationen zertifizierbar zu machen, ja vielleicht widerspricht dies sogar deren Grundgedanken.

 

Räumlich muss man zudem mehrere Ebenen unterscheiden, auf denen der Gedanke des Fair Trade unterschiedliche Aspekte annimmt:

  • lokale Gebiete bzw. Ballungszentren (0-3 Mio. Einwohner);

  • grossräumige regionale Inseln (6-8 Mio. Einwohner, s. Beispiel Berlin-Brandenburg, Schweiz);

  • kultursprachliche geopolitische Wirtschaftsräume (in Europa z. B. D/A/CH/Lux ca. 120 Mio., F/B/Lux, UK/IRL, N/S/DK, );

  • Europa bzw. weltweiter Rohstoffhandel;

  • international: die Entwicklungsländer.

Koordination der Wertschöpfungskette – der Demeter Ansatz?

Ist es fair gegenüber einem verarbeitenden Unternehmen, dass bei einer schlechten Ernte die Ware fehlt, oder der Preis aufgrund von Mangel steigt? Ist es fair gegenüber einem Landwirt, wenn der Preis aufgrund von Überangebot sinkt? Ist es fair gegenüber dem Konsumenten, wenn die Preise stark schwanken, und Demeter-Produkte (zeitweise) nicht erhältlich sind? Auf jeden Fall wird der Fairness-Gedanke in seiner Almosen-Funktion bald überholt sein. Auch Demeter-Bauern wollen nicht ein "solidarisches Notopfer" erhalten, sondern den angemessenen Preis für die Qualität ihrer Arbeit, die zu einem Produkt höchster Qualität führt. Diese Arbeit wird vom Einzelnen geleistet. Wie ist es zu schaffen, dass das "System Wertschöpfungskette" unter Nutzung der Leistungen des menschlichen Geistes zu höchster Produktqualität und höchster sozialer Qualität führt?

 

"Irgendwas herzustellen ist einfach. Eine Wertschöpfungskette zu entwickeln – das ist wirklich schwierig." (Yossi Sheffi, Prof. für "Supply Chain Management" am MIT, zitiert nach Friedman 2006) Die Herausforderung besteht darin, Verlässlichkeit und Zuverlässigkeit mit größtmöglicher Ersparnis zu verbinden und die Wertschöpfungskette mit der schwer zu kalkulierenden Nachfrage in Einklang zu bringen. Eigentlich ganz einfach: beste Qualität, kostengünstig, in der richtigen Menge zum richtigen Zeitpunkt, durchweg ökologisch und klimaneutral und in sozial fairer Weise über die ganze Wertschöpfungskette. Das ist das Rezept!

 

Wenn im klassischen Fair Trade der Preis in einem Aufschlag auf den schwankenden Weltmarktpreis gesehen wird, so ist durch diese Koppelung der Qualitätsaspekt von Arbeit und Produkt außen vor. Die Aufgabe für einen künftigen "Demeter Fair Trade" wäre demnach eine optimale ressourcenschonende und soziale Koordination der gesamten Wertschöpfungskette zur Mengen- und Qualitätssicherung. Wegen der klimatisch bedingten Ertragsschwankungen kann diese Art Assoziation nicht nur auf regionalen Aspekten fußen, sondern muss klimatisch unterschiedliche Gebiete erfassen und durch eine übergreifende Koordination Schwankungen ausgleichen. Poolpreise, gleich für alle, nivellieren das Qualitätsbestreben des einzelnen, und führen zu Solidarität. Qualitativer Wettbewerb muss aber möglich sein, wenn man höchste Qualität erzeugen will, und nicht nur eine Grundbedarfsdeckung erreichen will.

Soziale Charta - Das Leitbild "Fair Economy" von Demeter Schweiz

"Das Leitbild ist keine Richtlinie" ... und "soll Anregung für eine aktive, lebendige Kultur in der Zusammenarbeit sein", so formuliert die Präambel, worauf es den Schweizer Demeters ankommt: nicht Zertifizierung, sondern Anstoß "in phantasievollem Handeln Formen des Austausches und der Zusammenarbeit zu entwickeln." Das Leitbild spricht Menschen vom Produzenten bis zum Konsumenten an. Die soziale Charta / Fair Economy umfasst sieben Punkte, sozial, wirtschaftlich und kulturell auf allen Stufen der Wertschöpfungskette. "Im Wirtschaftlichen liegt der Impuls der Brüderlichkeit" so das Credo, das heißt konkret:... "genaue Kenntnisse einer Sache zu haben, Bedürfnisse der Partner und Kunden wahrzunehmen, aus innerer Verpflichtung Vereinbarungen zu halten". Die Leitsätze formulieren auf Grundlage der biologisch-dynamischen Landwirtschaft die verbindliche Zusammenarbeit, das Streben nach neuen, assoziativen Formen und nach Interessenausgleich zwischen Produktion, Handel und Konsumption. Dazu nehmen die Demeter-Partner an Foren teil – ein gemeinsames Bewusstsein der unterschiedlichen Prozesse der gesamten Wertschöpfungskette als Ziel – ebenso wie solidarische Wirtschaftsverhältnisse. Einhaltung sozialstaatlicher Regeln, soziales Engagement und ein jährlicher Bericht gehören ebenfalls dazu.

Eine neue Art Assoziation?

Nicht "small is beautiful", ist also gefragt, sondern "arbeitsteilig bzw. durch den menschlichen Geist optimal organisierte Arbeit". Die Größe des Unternehmens muss eine sinnvolle Arbeitsteilung erlauben, inner- oder außerhalb des Unternehmens. Die Demeter-Organisationen, die in ihrer Gliederung auf föderalen und nationalstaatlichen Elementen beruhen, aber sind der Entwicklung zwei Schritte hinterher.

 

Vielleicht kommen wir mit einem Stufenplan für Demeter weiter:

  • Beschluss der "Sozial Charta" als verbindliche Grundlage aller Mitglieder der Markengemeinschaft in allen Ländern;

  • verpflichtende Teilnahme an einem jährlichen Marktgespräch für jeden verarbeitenden oder handelnden Betrieb und für alle Erzeugerzusammenschlüsse (durchaus zertifizierbar);

  • Kooperation mit einem (oder mehreren) Fair Trade Zertifizierer, dessen Zertifizierung in einem ersten Schritt für alle Länder außerhalb der Industrienationen verbindlich werden kann; pragmatische Verbindung mit der Bio/Demeter-Zertifizierung, um die Projekte möglichst wenig mit Kosten zu belasten bzw. Anerkennung einer schon bestehenden Fair Trade Zertifizierung;

  • Aufbau eines globalen und regionalen Managements der Wertschöpfungsketten zur Koordination von Mengen, Qualität und Fair-Aspekten.

Ich bitte um rege Diskussion.

Dr. Peter Schaumberger ist Geschäftsführer des Demeter-Marktforum e.V. und Vize-Präsident Demeter International e.V. bis März 2008. Für dieses hat er ein Thesenpapier zu Demeter und Fairem Handel erarbeitet, das wir hier gerafft vorstellen.

Bücher und Links:

  • Fair Trade – gerechte Welt im Naturkosthandel: www.naturkost.de/basics/fairtrade.htm

  • Fairer Handel und Freier Markt, Matthias Schmelzer, 1/2007. Studie zu den Wirkungen Fairen Handels auf Produzenten u. die freie Marktwirtschaft: www.dreigliederung.de/essays/2007-01-001.html

  • Die Welt ist flach. Eine kurze Geschichte des 21. Jahrhunderts, Suhrkamp 2007 , von Thomas L. Friedman, ISBN-10: 3-518418378

  • Kooperatives Verhalten auf der sozialen Ebene einer Supply Chain. von Michael Krupp: Lohmar, Köln 2005, ISBN-10: 3-89936-379-5.

  • (un) FairTrade. Das profitable Geschäft mit unserem schlechten Gewissen. von Jean-Pierre Boris , 2006, ISBN-10: 3-442153921