Feld & Stall

Kurz & knapp

  • Schweinehaltung im biodynamischen Gemischtbetrieb findet in kleinern Einheiten, nicht spezialisiert, statt.

  • Der Autor gibt hierzu praktische Ratschläge von der Rasse und Zucht bis zur Fütterung und Haltung.

  • Maßstab sollte die Tiergesundheit sein.

Das Schwein im biodynamischen Betrieb

von Michael Schlaak

 

Kaum ein anderes Tier ist züchterisch so bearbeitet wie das Schwein. Deshalb und wegen seiner hervorragenden Anpassungsfähigkeit ist das Hausschwein von der ursprünglichen Lebensweise seiner Vorfahren weit entfernt. Es ist ein großer Schritt vom im Boden wühlenden, hervorragend riechenden Tier mit meist knapper Futtergrundlage zu einem auf engstem Raum in meist schlecht belüfteten Ställen gehaltenen Tier mit überreichlichem Futterangebot. Darüber hinaus wurde das Schwein frühreif gemacht, es muss in kürzester Zeit sein Mastendgewicht erreichen. Dafür trägt das Tier jetzt viele Krankheiten in sich, vor allem des Bewegungsapparates und des Herz-Kreislaufsystems.

 

Im biodynamischen Betrieb müssen wir versuchen, eine Synthese zwischen moderner, artgerechter Haltung mit gutem Wachstum und den ursprünglichen Bedürfnissen dieses Tieres zu finden. Ob dies gelingt, werden wir stets an der Gesundheit und dem „fröhlichen“ Erscheinungsbild der Tiere messen müssen. Dazu sollten wir kurz überlegen, warum das Haustier zur Krankheit neigt. Nicht, dass das Wildtier stets gesund wäre, aber hier werden die kranken Tiere schnell Opfer von natürlichen Feinden oder verenden irgendwo im Verborgenen. Das Haustier sollte jedoch bei guter Haltung, Zucht und Fütterung kaum krank werden. Einige wenige Hausmittel müssen reichen, um gelegentliche Krankheiten zu überstehen. Die Tierarztrechnung auf „null“ zu bringen muss das Ziel sein. Je mehr sich das menschliche Ich mit Gier, Wirtschaftlichkeitsdenken oder auch Nachlässigkeit dem Tierwesen überstülpt, desto mehr wird das Haustier zur Krankheit neigen. Gelingt es uns, dem Tier seine Bedürfnisse abzulauschen, wird es uns dies mit hervorragender Gesundheit danken.

Zucht und Fütterung

Deshalb sollten wir uns bemühen, dem Schwein hinsichtlich Haltung, Zucht und Fütterung weitgehend gerecht zu werden. In der Zucht eignen sich fast alle robusten Rassen, die weidetauglich sind und über ein gutes Gehvermögen verfügen für die Haltung im biologischen Betrieb. Vor allem das Angler Sattelschwein oder die ihm verwandten Schwäbisch-Hällischen Schweine sind gut geeignet. Will man den Schlachtkörper verbessern und den Fettanteil reduzieren, eignen sich Gebrauchskreuzungen mit Pietrain und anderen fleischbetonten Rassen. Man kann die Robustheit und die guten Muttereigenschaften nutzen und hat frohwüchsige Tiere mit gutem Schlachtkörper. Wer lieber in seiner Rasse rein züchten will, hat den Vorteil einer sehr geringen Anfälligkeit und ist weniger auf Zukauf von Muttersauen und Ebern angewiesen. Die bessere Wüchsigkeit und die Fleischfülle der Kreuzungstiere muss allerdings erfüttert werden. Nach unseren Erfahrungen jedoch werden die rein gezüchteten Tiere auf den meisten Betrieben mit etwas einseitiger Fütterung leicht zu fett und werden deshalb wenig nachgefragt.

 

Die praktische Zucht sollte sich möglichst an einfachen Grundlagen orientieren. Das Schwein trägt 3 Monate, 3 Wochen, 3 Tage. Beim Ferkeln der Muttersau sollte man möglichst wenig stören und einige Tage vorher das Muttertier in die vollständig hergerichtete Abferkelbucht bringen, damit es sich nicht beunruhigt. Für guten Ferkelschlupf (Ausweichmöglichkeit an Wänden und Kanten), sowie für ausreichend Wärme muss gesorgt sein. Am besten ist eine Fußbodenheizung unter Holzboden. Strahlen von oben und Warmluft sind nur ein Notbehelf, sind schlecht zu regulieren und trocknen die kleinen Tiere aus. Lebendige und gleichmäßig kräftige Ferkel finden den Weg zum Gesäuge von selbst und brauchen keine Hilfe. Nur die Nabelschnur ist auf eine Länge von ca. 5 cm zu kürzen. Am besten ist es, wenn man am nächsten Morgen in den Stall kommt und der ganze Wurf mit 12 oder mehr Ferkeln liegt zufrieden saugend bei der Mutter. Richtig gefütterte Sauen mit ausreichend Bewegung (Weidegang), die auch nicht zu alt sein sollten (über 6 bis 7 Jahre) sind Gewähr für solch erhebende Erlebnisse, die einem zudem noch eine erholsame Nachtruhe schenken.

Nach drei bis vier Wochen, wenn die Ferkel schon eifrig bei der Mutter im Trog mitfressen, sollte ihnen für die Sau unzugänglich Futter angeboten werden. Kleine Tiere brauchen eine hohe Verdaulichkeit im Futter. Um dies zu erreichen, mischen wir Weizen, Nackthafer oder ausgesiebten Spelzhafer, auch Futterhaferflocken und Erbsen zu je einem drittel und geben noch ein wenig Luzerne-Grünmehl dazu. Am Anfang davon ganz wenig, später ungefähr ein Achtel. Diese Mischung wird mit Wasser oder Molke eingeweicht, so dass es zu einem dicken Brei aufquillt. Molke bringt hochwertiges Eiweiß und die Milchsäure erhöht die Verdaulichkeit der Stärke im Getreide.

 

Auch einwandfreie Dickmilch oder Biestmilch (dicksauer) in kleinen Mengen sowie Futterkartoffeln (gedämpft) sind eine gute Zugabe. Kartoffeln brauchen jedoch eine höhere Eiweißergänzung, enthalten sie doch nur ca. 1,5 % Eiweiß im Vergleich zu 10 % im Getreide.

Bei Verwendung von jungem Luzernegrünmehl kann auf das teure Soja, das zwar hervorragend ist, aber zugekauft werden muss, verzichtet werden. Die Kombination von Getreideeiweiß mit Grünblatteiweiß erreicht eine biologische Wertigkeit von über 100 % im Vergleich zu Milch- oder Eiweiß. Am Anfang kann etwas Futterzucker dazugegeben werden, um den Geschmack zu verbessern, was aber nur selten nötig ist. Der Trog muss gut sauber sein, die Reste bekommt die Muttersau, die in einer Ecke des abgesperrten Ferkeltroges mitfressen kann, zugeschoben. Verderbnis im Futtertrog ist eine häufige Ursache für Krankheiten bei der Verdauung und schlechtes Gedeihen. Dann lieber trocken füttern, was aber nach unseren Erfahrungen bei weitem nicht so wirksam ist. Dazu wird im Sommer Grünfutter oder im Winter frische Silage gereicht; auch geraspelte Futterrüben und Möhren sind ein hervorragendes Futter, aber nur in kleinen Mengen, da schwer verdaulich. Ab ca. fünf Wochen können die Ferkel mit der Mutter auf die Weide gehen, hier ist die Wurmgefahr zu beachten.

 

Die Muttersau erhält in der ersten Zeit ausgestochene Brennnesselsoden oder erdigen Kompost, um Eisenmangel bei den Ferkeln vorzubeugen. Bei Sauen mit Weidegang ist die Eisenspritze bei den Ferkeln niemals nötig, wenn der Kompost nicht vergessen wird. Für die Ferkel wird am besten eine Wühlecke mit erdigem Kompost angelegt, der alle paar Tage erneuert wird. Diese sollte nicht zu nahe am Kotplatz sein, z. B. vor dem Futtertrog. Sie nehmen dort Vitamine, antibiotische und symbiotische Stoffe auf, welche die Entwicklung wesentlich fördern und Krankheiten vorbeugen. Der Kompost sollte noch gut lebendig (Walderdeduft, Mistwurm) sein. Ein gelegentlicher frischer Kuhfladen, der vor allem die B-Vitaminreihe enthält, wird von den Ferkeln und der Muttersau gerne angenommen. Er ist die Frischkost im Winter. Für Atemwegserkrankungen und Husten hat sich Bio-Dessimin oder ein ähnliches Präparat aus ätherischen Ölen gut bewährt. Ausreichend Wärme, keine Zugluft und ein geschützter Schlafplatz am besten mit Holzboden und Strohballen beugen hier vor. Hat der Ferkelhusten erst einmal begonnen, ist er gerade im Winter schwer zu kurieren.

Nach dem Absetzen

Mit etwa 8 bis 9 Wochen werden die Ferkel abgesetzt, bei gutem Gedeihen auch etwas früher. Zu frühes Absetzten mit sechs Wochen oder zeitiger ist für den biologischen Betrieb nicht geeignet und erhöht das Risiko für Krankheiten sowie Wachstumsstockungen. Bei Durchfall wird das Futter ein bis zwei Mahlzeiten ganz abgesetzt, Kompost und lehmiges Wasser gegeben, einfach in die Tränke. Ist es keine Nippeltränke, dann legt man einen Lehm- oder Tonbrocken hinein, der sich dann beim Trinken auflöst. Oft ist die Überfütterung mit Eiweiß, mit Dickmilch oder Biestmilch, die Ursache.

 

Sieben bis acht Tage nach dem Absetzen wird die Sau in der Regel wieder rauschig und sollte dann auch gedeckt werden. Die spätere Rausche ist oft nicht mehr so deutlich. Viel Bewegung an Licht und Luft beugt Mastiden vor, welche nach dem Absetzen gelegentlich vorkommen und verbessert die Rausche. Knappe Fütterung mit viel Grünfutter fördert die Gesundheit; die Muttersauen sollten aber satt werden, nur eben mit gering verdaulichen Futtermitteln. Dann wird die Sau bei zweimaligem Sprung, in der Vollrausche und zur Sicherheit noch mal einen Tag danach, sofort aufnehmen. Die Ferkel fressen nun schon eifrig. Die Erbse als Eiweißkomponente wird langsam auf ein Drittel zurückgenommen, die Grünpellets auf ein Fünftel erhöht. Auch Gerste und Roggen können in Anteilen verfüttert werden. Erbsen können auch durch Ackerbohnen ersetzt werden. Diese Ration wird nun in der Menge langsam erhöht, bis das Endgewicht erreicht ist, wobei ein Schwein mit 100 kg nicht wesentlich mehr braucht als mit 30 bis 40 kg. Gut bewährt hat sich die Feuchtfütterung. Dabei werden Schrot und Pellets mit Molke oder Wasser eingeweicht, so dass sie gut aufquellen, ca. 10 bis12 Stunden.

Beispiele für Futterrationen

Ferkel brauchen eine hohe Verdaulichkeit im Futter und einen höheren Eiweißanteil. Kartoffeln sind hochverdaulich und können ebenfalls in kleinen Mengen verfüttert werdenwas wiederum mit höherem Eiweißanteil auszugleichen ist. Hafer ist das beste Futter für kleine Tiere aufgrund seines hohen Fettgehaltes und der günstigen Eiweißzusammensetzung, nur eben ohne Spelz. Von dieser Mischung geben wir in der 4. Woche ca. 300 g, in der 6.Woche ca. 700 g, in der 7 und 8. Woche ca. 1000 g. Nach dem Absetzen halten wir die nächsten 14 Tage diese Menge, denn das ist meistens eine etwas kritische Zeit im Leben eines Ferkels. Danach wird schrittweise auf die 1,2 kg der Maststufe erhöht und der Eiweißanteil langsam auf 1/3 zurückgenommen. Zuchtläufer werden verhaltener gefüttert als Mastschweine, maximal ca. 1,2 kg Futtermischung, der Grünmehlanteil wird dann auf 1/4 erhöht. Dazu geben wir Grünfutter, Silo, Rüben und anderes Wirtschaftsfutter. Weidegang ist wichtig.

Ferkelfütterung:

  • Erbsenschrot (gedämpft) 40 %

  • Sojaschrot 5 %

  • Leinmehl 5 %

  • Hafer 25 %

  • Weizen 20 %

  • Grünmehl 5 %

  • dazu etwas Molke, Dickmilch.

Muttersau nach dem Absetzen:

Kurzzeitig wird nur ca. 400 g Futtermischung gefüttert oder 600 –700 g mit einem Drittel Grünmehlanteil. Dazu reichlich Grünfutter, Silo, Rüben. Bewegung ist wichtig. Dann auf 1,2 kg erhöhen.

Muttersau niedertragend:

wird wie ein Mastschwein mit 120 kg gefüttert. Ca. 1,8 kg Futtermischung mit einem Viertel Grünmehl. Kurz vor dem Ferkeln erhöhen auf 2 kg.

Muttersau säugend (10 Ferkel):

Bis 5 kg höher verdauliche Futtermischung, mit einem Fünftel Grünmehl. Grundfutter nur beschränkt füttern.

Mast:

Hafer ist schwerer verdaulich wegen seines hohen Spelzanteils und gibt einen weichen Speck, deshalb sollte man ihn in der Endmast nur begrenzt einsetzen. Im Gewichtsabschnitt 20 bis 40 kg gibt man 1,2 kg, mit 40 bis 120 kg 1,5 kg. In etwa 1,5 bis 2,5 l Wasser, Molke und ähnlichem eingeweicht, ergibt er eine breiige Konsistenz. Getreide kann durch Kartoffeln ersetzt werden, dann erhöht man entsprechend die Erbsenmenge. Größere Mengen Molke werden nicht in das Futter gegeben, sondern extra gefüttert. Grünmehl quillt sehr stark und kann viel Molke schlucken. Dazu Grünfutter, Silo und Rüben, je nach Jahreszeit.

Beispiel einer Mastration:

Erbsenschrot 30 %

Grünmehl 15 %

Getreide z. B. Gerste, Weizen, Mais, in geringen Mengen Hafer 55 %

Haltung

Neben der richtigen Fütterung ist die Haltung wichtig. Die umfasst die Bereiche Stall, Auslauf und Suhle sowie Weide. Für den Stall können bewährte Stallformen übernommen werden. Nur Spaltenboden ist ungeeignet und wird am besten mit Holzbrettern (Lärche) abgedeckt. Dazu kommt ein Auslauf, der nur zum Teil überdacht sein soll. Er soll gut zu reinigen sein und trocken bleiben. Matschige Ausläufe sind Überträger von Krankheiten und Würmern und für Schweine ungeeignet. Einstreu mit Rindenschnitzel oder Holzhackschnitzel hat sich bewährt. Dazu wird eine Lehmsuhle angelegt, welche regelmäßig gereinigt z. B. ausgespritzt und mit dem Jauchefass ausgesaugt wird. Danach wird sie wieder mit lehmiger Erde und Wasser z. B. aus dem Regenrohr gefüllt. Die Suhle sollte nicht ständig zugänglich sein, um ein Verkoten zu vermeiden. Am besten liegt sie auf dem Weg zur Weide, die auch nur stundenweise geöffnet wird, um ein Umwühlen zu begrenzen. Nur eine grüne Weide, die im Wechsel mit Kälbern oder Rindern beweidet wird, ist eine Schweineweide. Wenn noch ein Stück Wald oder Gebüsch mit eingezäunt werden kann, ist das optimal.

 

So können wir dem Schwein einen Teil seiner Grundbedürfnisse als Boden durchwühlendes, Wurzel- und Samen fressendes Tier zurückgeben. Es wird es mit Gesundheit, Wüchsigkeit und Langlebigkeit danken. Aus gesundheitlichen Gründen und wegen der Nahrungskonkurrenz zum Menschen sollte die Haltung auf dem biodynamischen Betrieb nur einen vergleichsweise geringen Umfang haben.

Michael Schlaak

war biodynamischer Landwirt und arbeitet in einer pädagogischen Einrichtung,

Hasenbühlweg 15,

88696 Owingen-Billafingen