Feld & Stall

Hornschutz reduziert Verletzungen

Ein Versuch mit Zitzengummis und Holzkugeln auf Hörnern

 

Bei der Aufstallung Hörner tragender Jungrinder im Herbst nach der Weideperiode besteht die Gefahr von hornbedingten Verletzungen, die sich die Tiere unter anderem durch Rangkämpfe zufügen. Kann Hornschutz diese gegenseitigen mit den Hörnern zugefügten Verletzungen reduzieren und wenn, mit welchen Materialien? Ein Praxisversuch im Rahmen einer Bachelor-Arbeit an der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung (FH) in Eberswalde, durchgeführt im Ökobetrieb des Versuchs- und Bildungszentrums Haus Riswick der Landwirtschaftskammer NRW, sollte darüber Aufschluss geben.

 

Trotz optimaler Haltungsbedingungen und ausgefeilter Managementmaßnahmen ist erfahrungsgemäß die Verletzungshäufigkeit nach der Weidesaison im Herbst bei der Aufstallung der Rinder durch Hornstöße am größten. Deren Intensität ist nicht allein situationsabhängig, sondern wird maßgeblich durch das individuelle Temperament der einzelnen Tiere beeinflusst. Bei der Anpaarung Hörner tragender Tiere sollte also neben den leistungsrelevanten Parametern auch das Temperament ein bedeutendes Auswahlkriterium sein. Natürlich bergen bestimmte Situationen und Umstände, wie z. B. die Aufstallung im Herbst sowie brünstige oder aggressive Einzeltiere in der Gruppe vermehrte Verletzungsgefahren, die sich nur bedingt durch angepasste Stallbau-, Haltungs- und Managementmaßnahmen reduzieren lassen. Um das von den Hörnern ausgehende Gefahrenpotential zu minimieren, ist es auch in Ökobetrieben üblich, schon den Kälbern die Hornanlagen zu entfernen.

Tierschutz gewährleisten

Rechtlich gesehen sind Amputationen und Teilamputationen bei Wirbeltieren verboten. Das Enthornen der Rinder ist aber bis zum Alter von sechs Wochen zulässig, sofern es für die vorgesehene Nutzung des Tieres und zu dessen Schutz oder zum Schutz anderer Tiere unerlässlich ist. Um die Schmerzen und den Stress des Enthornens zu mildern, ist die Betäubung der Kälber anzuraten. Doch bereitet das Entfernen der Hornanlagen den Tieren auch nach dem Abklingen einer verabreichten Betäubung nachweislich Schmerzen und ist daher umstritten. Das Enthornen ökologisch gehaltener Tiere ist nur mit Ausnahmegenehmigung der Kontrollstellen möglich, falls eine Gefahr für Menschen bzw. Tiere vorliegt. Um die Enthornung zu umgehen, werden seit kurzem in der Zucht verstärkt genetisch hornlose Tiere eingesetzt. Im Gegensatz zu den anderen Bio-Verbänden in Deutschland verbietet der Demeter-Verband seinen Mitgliedern neben dem Enthornen auch ausdrücklich das Halten von hornlosen Rindern. Die Hörner haben­ für die Demeter-Landwirtschaft besondere Bedeutung, sowohl hinsichtlich der Integrität des Tieres als auch u. a. zur Herstellung biodynamischer Präparate. Die Vermeidung von Verletzungen bei Horn tragenden Rindern bleibt also aktuell.

Versuch mit Zitzengummis und Holzkugeln

Im Herbst 2012 wurden dazu im Anschluss an die Weideperiode drei Rindergruppen mit jeweils acht Tieren im Öko-Jungviehstall von Haus Riswick in Kleve aufgestallt. Allen 24 Tieren wurden zunächst die Hornspitzen um ein bis zwei Zentimeter gekürzt. Den Tieren der ersten Gruppe wurden im Anschluss Silikon-Zitzengummis auf die Hörner geklebt, bei der zweiten Gruppe waren es Holzkugeln, bei der dritten Gruppe handelte es sich um die Kontroll- bzw. Vergleichstiere ohne „Hornschutz“. Untersucht wurden die beiden verschiedenen Materialien und Verfahren im Vergleich nach den Kriterien Haltbarkeit am Horn, Anbringungsdauer und Anschaffungskosten. Zudem fand an jeweils drei aufeinanderfolgenden Tagen eine Tierbeobachtung in jeder Gruppe hinsichtlich des Verdrängens, Verjagens und Stoßens statt. Aus diesen Beobachtungen wurde ein Rangindex erstellt, aus dem die Hierarchie innerhalb der Herde abgeleitet wurde. Darüber hinaus wurden die Gewichtsveränderungen innerhalb des Versuchsmonats ermittelt.

Hornschutz vermeidet Verletzungen

Sowohl in der Zitzengummi- als auch in der Holzkugelgruppe traten trotz ausgeübter Hornstöße keine Verletzungen auf. Bei den „ungeschützten“ Jungrindern der Kontrollgruppe dagegen konnten im Beobachtungszeitraum mehrere blutige Wunden, sowie zwei Hämatome durch Hornstöße, festgestellt werden. Die Haltbarkeitsdauer der Zitzengummis hing stark von der Hornform ab. Sie variierte zwischen einem und zehn Tagen. Der Zeitaufwand zur Anbringung betrug einschließlich des Aufhalfterns durchschnittlich 3,22 Minuten je Tier. Als Kleber für die Zitzengummis wurde „Demotec-Futura Pad-Spezialkleber“ aus der Klauenpflege verwendet. Die Kosten pro Tier für die Anbringung der Zitzengummis lagen bei ca. 2,20 €. In Beziehung zur Haltbarkeitsdauer errechnet sich eine Summe von 0,40 € pro Tier und Tag.

 

Die Haltbarkeit von Holzkugeln wurde in einem Vorversuch ermittelt und lag zwischen 13 und 270 Tagen. Unterschiede in der Hornform konnten gut durch die Menge des Klebers ausgeglichen werden. Als Kleber wurde „GEWA-Fit“, ein Zweikomponenten-Hufkleber, verwendet. Die Anbringungszeit inklusive des Aufhalfterns betrug durchschnittlich 9,20 Minuten je Tier. Die Kosten für Holzkugeln und Kleber betrugen für ein Tier ca. 17,64 €. Umgerechnet auf die durchschnittliche Haltbarkeit ergibt sich ein Preis von 0,12 € pro Tier und Tag. Die in diesem Versuch ermittelten Gewichtsveränderungen der Tiere ließen sich nicht mit den angebrachten Maßnahmen in Verbindung bringen.

Holzkugeln haltbarer als Gummis

Sowohl die Zitzengummis als auch die Holzkugeln erfüllten ihren Zweck bei der Verminderung bzw. Vermeidung von Verletzungen. Doch sind aufgrund ihrer geringeren Haltbarkeit die Zitzengummis eher für kurzfristige Stresssituationen (brünstige und kurzzeitig aggressive Einzeltiere) anzuwenden. Sie können schneller angebracht werden, halten jedoch auch nur eine begrenzte Zeit am Horn. Für die Winteraufstallung der Rinder nach längeren Weideperioden werden die Holzkugeln empfohlen. Der Arbeits- und Zeitaufwand zur Anbringung ist höher als bei den Zitzengummis, dafür halten sie wesentlich länger am Horn.

 

Neben den Horn tragenden Tieren einer Herde profitieren auch die Rinderhalter von den angebrachten Holzkugeln oder Zitzengummis. Selbst wenn der Tierhalter seine Tiere sehr gut kennt, besteht im direkten Kontakt mit den Tieren immer die Gefahr, aus Unachtsamkeit von einem Horn verletzt zu werden, z. B. wenn sich ein Tier plötzlich umdreht oder mit dem Kopf nach Fliegen schlägt.

 

Die Ergebnisse dieser Untersuchung zeigen, dass sich mit einfachen, für die Praxis leicht umsetzbaren Mitteln Hornverletzungen deutlich reduzieren lassen. Da die Ergebnisse jedoch nur an jeweils einer Gruppe gewonnen wurden, sollten der Versuch wiederholt werden.

Caroline Rettke und Prof. Dr. Bernhard Hörning, Hochschule für Nachhaltige Entwicklung Eberswalde

Dr. Karl Kempkens, Dr. Klaus Hünting, Anja Hauswald und Anne Verhoeven, Landwirtschaftskammer NRW,

Versuchs- und Bildungszentrum Landwirtschaft, Haus Riswick, Kleve

Literatur zu Stallbau- und Managementmaßnahmen für Hörner tragende Rinder