Feld & Stall

Die Kosten der Hörner

Investitionsbedarf für Milchviehställe mit horntragenden Kühen

von Ulrich Mück, Demeter-Berater in Bayern

 

Bei der Haltung horntragender Kühe sind Herdenmanagement, Mensch-Tier-Beziehung und Stallbau sich gegenseitig beeinflussende Bereiche. Dabei kann der Zeitaufwand für die Betreuung der Tiere Defizite im Stall und in Stalleinrichtungen teilweise kompensieren. Umgekehrt kann ein ungünstiger Stallbau andauernde Mehrarbeit nach sich ziehen, um Probleme mit horntragenden Kühen, Unruhe in der Herde und Verletzungen zu vermeiden. Betriebswirtschaftlich muss beides in Betracht gezogen werden: Investitionskosten und Arbeitskosten. Wie groß aber sind die zusätzlichen Stallbaukosten für die Haltung horntragender Kühe? Bislang lagen darüber keine wissenschaftlichen Untersuchungen vor.

 

Im Rahmen einer Arbeit des KTBL wurden nun die Stallbaukosten der Haltung horntragender Kühe ermittelt. Stallmodelle für Milchkühe wurden nach den Vorgaben der EU-Öko-Verordnung und unter Berücksichtigung der besonderen Haltungsansprüche von horntragenden Milchkühen erstellt. Die am Projekt beteiligte Gruppe von Experten aus Forschung und Beratung bezog sich dabei auf vorhandene Erfahrungen und Empfehlungen wissenschaftlicher Veröffentlichungen. Sie berücksichtigten das Vermeiden von Sackgassen, das Schaffen von Ausweichmöglichkeiten und strukturierten Rückzugsmöglichkeiten und ein großzügiges Verhältnis der Tierzahl zur Zahl der Fressplätze. Die Experten konzipierten verschiedene Stallmodelle für Bestandesgrößen von 42 bis 193 Tierplätzen und mit unterschiedlichen Melksystemen.

Tabelle 1

Stallmodell

3hörner

3enthornt

4hörner

4enthornt

5hörner

5enthornt

Melksystem

AMS2)

AMS2)

2x4 AT2)

2x6 FGM2)

2x4 AT2)

2x8 FGM2)

Tierplätze

67

79

69

71

111

129

Investitionsbedarf € gesamt

825.827  

807.529  

887.180  

834.010  

1.075.532  

1.087.417  

Investitionsbedarf €/TP2)

12.326

10.222

12.857

11.953

9.689

8.430

Mehrbedarf4) %

21%

 

8%

 

15%

 

Jährliche Gebäudekosten €/a

77.881

76.953

80.277

77.248

99.433

102.779

Jährliche Gebäudekosten €/TP2)•a  

1.164

973

1.163

1.088

896

797

Mehrbedarf4) %

19%

 

7%

 

12%

 

Vergleich des Investitionsbedarfs für Stallmodelle mit horntragenden bzw. enthornten Kühen, nach Klöble et.al. (2014) und KTBL-Anwendung „Baukost“; teils verändert: Liegeboxenlaufställe, 2-reihig, planbefestigt,

2) = Abkürzungen: TP=Tierplatz, AMS=Automatisches Melksystem, AT=Autotandem Melkstand, FGM=Fischgrätmelkstand

4) = Mehrbedarf bei Ställen für horntragende Kühe pro Tierplatz

Kostenvergleich: horntragend – enthornt

Die Baukosten für die Stallmodelle wurden mit der in der KTBL-Baukostendatenbank enthaltenen Erweiterung für die Landwirtschaft und der Kostenblockmethode erfasst und in die kostenfreie KTBL-Online-Anwendung „Baukost“ (ktbl.de) eingestellt. Dort sind auch genaue Angaben zu den Stallgrundrissen und den Kostenelementen zu finden. Online können zudem viele Kostenelemente individuell verändert werden. Eigene und die von den Experten geplanten Stallkonzepte können so in Bezug auf Investitionsbedarf, jährliche Gebäudekosten und Kosten pro Tierplatz miteinander verglichen werden.

 

In der Tabelle werden Stallmodelle für zweireihige planbefestigte Liegeboxenlaufställe mit Schieberentmistung miteinander verglichen. Im Detail gibt es jedoch weitere beeinflussende bauliche und planerische Faktoren, die einen Vergleich nur unter deren Berücksichtigung und in Bezug auf die einzelnen Modelle zulassen. Zudem sind Ställe nicht mit jeder Tierzahl planbar, sodass der Vergleich nur über den Bezug auf den Tierplatz möglich ist. Das Melksystem Autotandem wird für horntragende Kühe empfohlen und wurde entsprechend in den Modellen 3 und 4 gewählt. Sie wurden mit Ställen mit Fischgrätmelkstand verglichen, die für hornlose üblich sind.

Höherer Flächenbedarf ist größter Kostenfaktor

Kostensteigernd wirkt sich besonders der insgesamt höhere Flächenbedarf horntragender Kühe aus. Zu Buche schlagen die von den Planern angesetzten 10% zusätzlichen Fressplätze, größere Fressplatzbreiten, breitere Lauf- und Fressgänge, größere Liegeboxen mit zusätzlichem vorderen Boxenausgang, 10% zusätzliche Liegeboxen und der größere Wartebereich vor dem Melkstand, der gleichzeitig als Laufhof genutzt werden kann, sowie die Bullenbucht.

 

Gemäß der Planmodelle der Experten beanspruchen horntragende Kühe bei Bestandsgrößen unter 100 Tierplätzen somit 25 bis 30 % mehr Fläche als hornlose. Bei den Modellen über 100 Tierplätzen liegt der Mehrbedarf um 40 % höher. Die Frage, ob und welche praktischen Maßnahmen in den Bereichen des Herdenmanagements und der Mensch-Tier-Beziehung und des Stallbaus den Flächenbedarf reduzieren können, kann möglicherweise nach Abschluss des laufenden Forschungsprojektes „Hörner im Laufstall“ im Jahr 2017 beantwortet werden. In diesem werden bundesweit 40 Milchviehbetriebe mit horntragenden Milchkühen intensiv untersucht und beraten.

Tabelle 2

Modell.Nr.

1h

2h

3h

7e

4h

8e

5h

9e

6h

10e

 

Tierplätze

45

42

67

79

69

74

111

129

193

221

 

BGF1) m2

1.659  

1.501  

2.010  

1.918  

2.533  

2.110  

3.463  

2.812  

5.756  

4.733  

 

BGF m2/tp

36,9

5,73

30,0

24,3

36,7

28,5

31,2

21,8

29,8

21,4

 

Mehrbedarf hörnertr. Kühe %  

k.A.

k.A.

24%

 

29%

 

43%

 

39%

   

Vergleich des Flächenbedarfs für Modelle für hörnertragende mit Modellen für enthornte/hornlose Kühe, Klöble et.al. (2014)

1) BGF: Die Bruttogrundfläche ist die Summe der Grundrissebenen eines Bauwerks h=hörnertragend; e=enthornt

Ist die Haltung horntragender Milchkühe wirtschaftlich?

Wenn Demeter-Bauern und -Bäuerinnen Kühe mit Hörnern halten, so entscheiden sie sich nicht aus wirtschaftlichen Gründen, sondern aus Überzeugung dafür, Stichwort wesensgemäß. Eine Umstellung auf die Haltung horntragender Kühe geschieht allerdings meist in einem bestehenden Stallsystem, das dafür nicht gedacht war. Dort werden gegebenenfalls stallbauliche Nachrüstungen für die Kühe mit Hörnern vorgenommen oder es wird mit erhöhtem Arbeitsaufwand bzw. mit Unzulänglichkeiten für Mensch und Tier umgegangen. Dabei werden die Kosten kaum kalkuliert.

 

In Anbetracht des fortschreitenden Trends zur Enthornung und zur genetischen Hornlosigkeit muss die Frage nach den wirtschaftlichen Bedingungen zur Haltung und Erhaltung horntragender Milchkühe gestellt werden. Denn es müssen ja Ställe gebaut werden können, die den Anforderungen der Haltung von Kühen mit Hörnern entsprechen. Wenn die wirtschaftlichen Voraussetzungen nicht vorliegen, werden auch weiterhin Ställe gebaut, in denen Kühe durch physische oder genetische Enthornung an die bauliche Situation angepasst werden müssen. Eine spätere Entscheidung der Milchviehhalter, doch Kühe mit Hörnern halten zu wollen, hat dann schlechte Voraussetzungen oder ist nicht möglich.

 

Die vorliegende Arbeit von Klöble et.al. macht den Umfang der Mehrkosten des Stallbaus für Kühe mit Hörnern deutlich. Die Forscher gehen von 10 bis 20 % höheren Stallbaukosten für Horntragende aus (Klöble et al. 2014). Betriebswirtschaftlich muss aktuell allein der Milchpreis die Mehrkosten der Haltung horntra­gender Kühe decken. Bei den oben darge­stellten Stallmodellen liegen die jährlichen Gebäudekosten pro Tierplatz­ zwischen 75 €/TP und 191 €/TP höher als bei hornlosen. Dies bedeutet, dass der Milchpreis für Hörnermilch gegenüber Biomilch allein für die Gebäudekosten der Ställe für Kühe mit Hörnern um 1,4 bis 3,5 ct/l Milch höher sein muss, bei einer angenommenen gelieferten Milchmenge von 5500 l/Jahr. Die Arbeitskosten für den zeitlichen Mehraufwand für Tierbetreuung und Herdenmanagement horntragender Kühe sind zusätzlich zu berücksichtigen.

 

Eine Förderung zur Erhaltung „horntragender Milchkühe“ bzw. von Zuchtbeständen horntragender Rinderrassen gibt es derzeit nicht. Ebensowenig gibt es spezifische Förderungen für die Mehrkosten des Stallbaus für horntragende. Dies wäre angesichts des ermittelten Aufwands dringend notwendig und politisch einzufordern. Die Haltung von Rindern mit Hörnern ist wesens-, natur- und artgemäß. Sie geht jedoch über den Kostenrahmen von Ställen der definierten staatlichen Förderung für artgemäßen Stallbau hornloser Kühe hinaus, der daran anzupassen wäre.

Quellen

http://orgprints.org/28156/1/28156-11OE052-ktbl-kloeble-2014-investitionsbedarf-milchviehstaelle.pdf

https://www.ktbl.de/online-anwendungen/ „Baukost – Investition Betriebsgebäude“

• Schneider, C. (2011): Laufställe für horntragende Milchkühe – Empfehlungen für die Dimensionierung und Gestaltung