Feld & Stall

Aquaponik

Eine besonders nachhaltige Form der Landwirtschaft und Fischzucht?

von Jörg Hütter, Demeter e.V.

 

Der Grundgedanke klingt faszinierend: Fischzucht und Gemüsebau werden durch einen Kreislauf miteinander verbunden, eine besonders nachhaltige Produktion beider Betriebszweige scheint möglich. Daher wird Aquaponik auch oft als ein Landwirtschaftsmodell der Zukunft gepriesen und erfreut sich in Deutschland einer wachsenden Beliebtheit. Große Aquaponik-Farmen sind gerade in Städten schon in Betrieb genommen worden (z. B. die ECF-Farm in Berlin), weitere werden folgen. Der Aquaponik-Experte Stephan Senfberg¹ spricht sogar von „dem Problemlöser“ der moder­nen Landwirtschaft, da Aquaponik nachhaltiger betrieben werden könne als diese. Doch inwieweit sind die vorgebrachten Argumente stichhaltig, wie lässt sich aus ökologischer und biologisch-dynamischer Sicht diese Bewirtschaftungsform beurteilen?

 

Die Funktionsweise ist von den Grundprinzipien sehr einfach, wird allerdings technisch oft sehr komplex gesteuert. In der Regel werden in unseren Breiten Aquaponikanlagen ganzjährig in Gewächshäusern betrieben mit entsprechend wärmebedürftigen Fischarten und Unterglas-Gemüsebau. Oft handelt es sich um tropische Buntbarsche der Gattung Tilapia, doch werden auch andere Fischarten eingesetzt und das System auch im Freiland erprobt. Die Buntbarsche bekommen pelletiertes Pflanzenfutter und reichern das Wasser mit Nährstoffen an. Mit diesem Wasser werden periodisch Gemüsepflanzen in Hydrokultur geflutet, die wiederum die Nährstoffe aus dem Wasser filtern. Das so gereinigte Wasser wird wieder in die Fischbecken geleitet. Die Fische profitieren von der Reinigung des Wassers, die Pflanzen von den Nährstoffen der Fische. Und für den menschlichen Verzehr werden sowohl Fische als auch Gemüse produziert.

Ökologische Prinizipien?

Vereinfacht wird dies oft als ein geschlossener Kreislauf beschrieben. Doch solange das Futter für die Fische von außen zugeführt wird, kann es sich darum nicht handeln. Denn in der klassischen Landwirtschaft mit eigener Viehhaltung, Futter- und Ackerbau werden ja innerhalb eines Hofes sowohl Dünger, Futter für die Tiere sowie pflanzliche und tierische Produkte für den menschlichen Verzehr produziert. Im Vergleich dazu ist das Aquaponik-System kein geschlossener Kreislauf. Erst wenn auch der Futterbau für die Fische mit Mais, Erbsen und Raps mit eingeschlossen wäre, könnte man davon sprechen. Dann blieben allerdings noch weitere Fragen bezüglich des Energieeinsatzes bei Gewächshausanlagen offen.

 

Aber auch der Anbau in Hydrokultur wirft grundlegende Fragen auf und widerspricht einem der Grundprinzipien des Ökologischen Landbaus, dem Anbau der Pflanzen im lebendigen Boden. Das ist auch einer der Gründe, wieso für Aquaponik derzeit keine Öko-Zertifizierung möglich ist. Auch lässt es sich bei dem Anbau in Hydrokultur nicht vermeiden, dass für bestimmte Gemüsearten weitere Nährstoffe als Flüssigdünger zugeführt werden müssen, die nicht von den Fischen geliefert werden können. Aus diesem Grund verwendet z. B. die Firma Growingpower in ihren Aquaponikanlagen auch ein organisches Substrat aus Kokosfaser und Kompost, um Nährstoffeinseitigkeiten ausschließen zu können. Aber selbst bei einer Gemüsekultur in organischem Substrat ist das System nicht mit der EU-ÖKO-Verordnung vereinbar, da vollständig geschlossene Kreislaufanlagen und das ausschließliche Halten in Plastik- oder Betonbecken in der Öko-Fischzucht verboten sind. Auch die Besatzdichten in den Becken müssen nach ökologischen Gesichtspunkten kritisch betrachtet werden. Die Betreiber sprechen aber dennoch oft von leckerem Bio-Gemüse aus Aquaponik, da ihrer Meinung nach die Pflanzen ja organisch gedüngt werden und das eingesetzte Fischfutter oft Bio ist.

Zu hinterfragen: Produktion ohne Boden

Aus biologisch-dynamischer Sicht ist der Anbau in Hydrokultur oder Substrat besonders kritisch zu sehen, denn die dynamische Wechselwirkung zwischen Pflanze und Boden wird verhindert. Die jahreszeitlich rhythmische Zurverfügungstellung der Nährstoffe durch Mikroorganismen, die aktive Nährstoffmobilisierung und viele weitere Wechselwirkungen zwischen Pflanze und Boden können nicht stattfinden. Es wird eine Qualität produziert, die nicht den biodynamischen Ansprüchen genügen kann. (vgl. auch Buchman/Hiß: Wachsen Pflanzen ohne Boden anders? LE 4-2000)

 

Moderne Aquaponik ist letztlich die technisierte Form einer von der FAO als global wichtiges Landwirtschaftserbe eingestuften, jahrtausendealten fernöstlichen Landwirtschaftsmethode. Besonders der Reisanbau ist für Aquaponik prädestiniert, denn hier können in den natürlichen, um Gräben ergänzten Becken Fische gehalten werden, die dann beim Ablassen des Wassers abgefischt werden.2 Hier können nicht nur Fische, sondern auch Enten gehalten werden3. Auf diese Weise ließe sich auch biodynamischer Reisanbau mit Fischzucht realisieren.