Hintergrund

Kurz & knapp

  • Die Kuh als Klimakiller, diese Behauptung lenkt ab von der relevanten Klimagefährdung durch unsere ressourcenfressende Zivilisation.

  • Verschiedene Studien zeigen: Ökomilch ist immer klimaschonender als konventionelle.

  • Auch im Ökolandbau besteht noch Optimierungspotenzial, das die Autoren skizzieren.

Klimawandel: Anteil der Rinder gering

von Ulrich Mück und Biggi Häussler

 

Wiederkäuer und Rinder sind wegen ihrer Methanemissionen und ihrem großen Anteil an der Nutztierhaltung in Verruf gekommen. Im Raum steht der von den Medien immer wieder thematisierte Vorwurf: Kühe sind in erheblichem Maß Schuld am Klimawandel! Klar ist, dass auch die Landwirtschaft Anteil an der Klimaschädigung hat, Veränderungen nötig und Verbesserungen möglich sind. Aber es wurde der Eindruck erweckt, dass die Ursachen des Klimawandels in Deutschland übermäßig auf das Konto der Landwirtschaft und der Kühe gehen.

 

Fakt allerdings ist: In Deutschland lag der Anteil der gesamten Landwirtschaft an den klimaschädigenden Emissionen bei 6,7%. Der Anteil der Rinder liegt bei 2,4 %! Hauptverursacher der Klimagase in Deutschland ist der Mensch bzw. unsere hochzivilisierte und hochindustrialisierte Gesellschaft mit einem Anteil von über 90% (!), also weder die Kuh noch die Landwirtschaft.

Turbo-Kühe klimafreundlicher als Öko-Kühe?

Um die klimaschädlichen Emissionen der Milchviehhaltung zu reduzieren, forderten Wissenschaftler, die Leistung des einzelnen Tieres weiter zu steigern. Damit würde der unvermeidliche Methanausstoß der Kühe pro erzeugtem Liter Milch geringer. Der Ökolandbau und seine extensive Rinderhaltung gerieten in den Ruf der Klimaschädlichkeit. Dass dieser Ansatz einer umfassenden Bewertung nicht gerecht wird, belegt mittlerweile eine Reihe wissenschaftlicher Studien, auch wenn in vielen Bereichen noch Forschungsfragen bearbeitet werden.

 

Die Haltung und Fütterung von Hochleistungskühen hat Folgen, die sich erheblich klimaschädlich auswirken: Die Kühe werden zunehmend im Stall gehalten und mit energieaufwändig hergestelltem und zu 40% aus Übersee importiertem Kraftfutter zugefüttert. Grünlandflächen, auch in Grenzregionen, werden vermehrt umgebrochen und teils unter hohem Düngungsaufwand und Maschineneinsatz als Ackerland genutzt. Weiden und Grünland sind jedoch aus Klimasicht wertvolle Nutzungssysteme. Weideland speichert ein Drittel des globalen Kohlenstoffvorkommens. Werden Weiden umgebrochen, geht CO2 zu großen Teilen als Treibhausgas klimaschädigend in die Luft – was als sogenannte Landnutzungsänderung in die Klimabilanzierung eingeht.

 

Die einzigartige Fähigkeit der Wiederkäuer, allein aus Gras Milch und Fleisch zu bilden, wird in diesem Hochleistungssystem immer weniger genutzt. Milchleistungsrassen sind keine Fleischrassen. Dennoch erhalten die Kühe energieintensives Getreide und Eiweißfutter, das dem Menschen auch direkt als Nahrung dienen könnte. Zwar bewirkt ein höherer Kraftfuttereinsatz eine höhere Milchleistung, verbraucht jedoch entscheidend mehr Primärenergie. Die konventionelle, kraftfutterorientierte Milcherzeugung benötigt ca. das Anderthalbfache bis Doppelte an Energie verglichen mit der Öko-Milchviehhaltung. Die Turbo-Kuh ist also nicht die Lösung für die Zukunft des Weltklimas.

Treibhausgasemissionen von öko- und konventionellen Betrieben

Welche Auswirkungen die Wiederkäuer auf das Klima haben, wurde in einer Studie in Österreich überprüft (Zollitsch, W. et.al. , 2010). Verglichen wurden vier konventionelle und biologische Milchvieh-Betriebstypen in verschiedenen Höhenlagen/Intensitäten und mit verschieden hohen Anteilen an Grünland und Ackerflächen. Einbezogen in die Studie wurden dabei folgende klimaschädigende Emissionen, die in CO2-Äquivalenten berechnet wurden:

  • enterogene Fermentation: Gase, die die Rinder ausstoßen, vor allem der unvermeidbare Ausstoß an Methan aus der Verdauung;

  • Energieverbrauch: hier wurde nicht nur der Energieverbrauch im Betrieb (zum Beispiel Treibstoff für die Futterproduktion) berücksichtigt, sondern auch die Energiemengen, die für die Produktion von Mineraldüngern und Pestiziden benötigt werden;

  • Wirtschaftsdünger: die Abgabe von Methan und Lachgas sowohl aus Gülle- als auch aus Festmistsystemen;

  • Landnutzungsänderung und die damit verbundene Änderung des Kohlenstoffgehalts im Boden: durch Umbruch von Grasland oder die Rodung von Wäldern zur Gewinnung von Anbauflächen wird der im Boden (Humus) gebundene Kohlenstoff als Kohlendioxid freigesetzt;

  • Aufzuchtphase der Färsen: Fleisch, das in der Milcherzeugung immer auch anfällt wird als emissionsminderndes Koppelprodukt berücksichtigt.

  • Bodenbürtiges Lachgas: Dieses entsteht abhängig von der Menge des Stickstoffs, die über Düngung in den Boden eingebracht wird.

Konventionelle Milchviehhaltung hat höhere Emissionen

Die Ergebnisse der Studie widerlegen die Behauptung, dass konventionelle Milchviehbetriebe niedrigere Treibhausgasemissionen je kg erzeugter Milch oder Fleisch aufweisen als Ökobetriebe. Die Ökobetriebe hatten in der Studie im Vergleich zu konventionellen Betrieben desselben Produktionssystems (Höhenlage) in jedem Fall insgesamt geringere Emissionen von Treibhausgasen. Neben der reinen Betrachtung der Treibhausgasbelastung sind zudem weitere Umweltwirkungen zu berücksichtigen. Extensive Systeme haben Vorteile, da sie auf Nachhaltigkeit angelegt sind. Eine tiergerechtere Haltung gehört ebenso dazu wie ein geringerer Nährstoffeintrag ins Grundwasser und eine höhere Vielfalt von Pflanzen und Tieren auf extensiven Flächen. Dies alles ist nicht in CO2-Äquivalente einberechnet! (s. Grafik unten)

Treibhausgas Emissionen / Senken in DCO2-äquivalent (Gg) Nach „Nationaler Inventarbericht zum Deutschen Treibhausgasinventar, 2010, Umweltbundesamt“

Wodurch ändern wir das Klima?

2008

%

 

Energie

772.788

78,2%

 

davon Straßenverkehr

152.238

15,4%

 

Industrieprozesse

104.894

10,6%

 

Lösemittel und andere Produktverwendung

3.316

0,3%

 

Landwirtschaft

66.203

6,7%

 

davon Rinder (Pansengase, Dünger)

23.434

2,4%

 

Landnutzung, -änderung & Forstwirtschaft

30.185

3,1%

 

Abfall

10.859

1,1%

 

Gesamt

988.245

100%

 

Import-Kraftfutter erhöht die Emissionen und den Flächenverbrauch

Entscheidend zu einer hohen Emission an Treibhausgasen tragen Import-Kraftfuttermittel wie Extraktionsschrot aus südamerikanischen Sojabohnen bei. Zu großen Anteilen wird in diesen Ländern die Fläche für den Sojaanbau durch Umbruch von Grasland oder durch das Roden von Waldflächen gewonnen. Diese Praktiken führen zu einer anteiligen Belastung jedes Kilogramms Sojaextraktionsschrot mit fünf bis über zehn Kilogramm CO2-Äquivalenten. Wenn Sojaextraktionsschrot gefüttert wird, das von gerodeten Waldflächen stammt, sind die Werte noch deutlich höher als in der Grafik dargestellt.

 

Der erhebliche Flächenverbrauch für die Erzeugung von Kraftfutter ist ein aufschlussreiches Nebenergebnis der Studie. Wenn konventionelle Betriebe – meist unter dem Gesichtspunkt der Flächeneffizienz dargestellt – pro Kuh teils deutlich weniger Fläche aufweisen, ermittelte diese Studie die tatsächlich benötigte Anbaufläche für die Fütterung der Gesamtration der Rinder. Die Anbaufläche der zugekauften Kraftfuttermittel wurde mit einberechnet. Es zeigte sich, dass ein konventionelles intensives System pro Kuh mit Importen eine Fläche von 0,94 ha benötigt, ein Ökobetrieb der gleichen Intensitätsstufe hingegen nur 0,92 ha. Ein guter Teil der heimischen Kühe frisst in der Dritten Welt.

FIBL-Merkblatt „Klimaschutz auf Biobetrieben“ – Konkrete Maßnahmen zur Reduzierung von Treibhausgasen.

Hauptemissionen der Landwirtschaft, Anpassungsmöglichkeiten an den Klimawandel. Hinweise, basierend auf aktuellen Forschungsergebnissen, und Tipps für alle Betriebe, aber auch spezifische Empfehlungen für die Betriebstypen „Viehbetrieb“ bzw. „Acker-, Gemüse- und Obstbaubetrieb“.

Kostenloser Download https://www.fibl-shop.org/shop/pdf/mb-1552-klimaschutz.pdf

Öko: auch produktbezogen eine bessere Treibhausgasbilanz

Insgesamt haben Ökobetriebe eine bessere Klimabilanz: die Treibhausgasemissionen je Kilogramm Milch sind im Durchschnitt bei den Ökobetrieben um elf Prozent niedriger als bei konventionellen. Besonders in weniger begünstigten Regionen, im Bergland und alpinen Gebieten zeigt sich die Klimaschutzwirkung des Öko-Landbaus. Die Klimaschutz-Vorteile der Öko-Betriebe pro kg Milch werden auf Standorten geringer, die eine intensive Produktion mit deutlich höherer Milchleistung pro Kuh und Jahr zulassen. Grund dafür ist, dass sich die hohen Emissionen intensiver Produktion, vor allem von Futtermittelimporten, auf eine große Milchmenge verteilen. Der Unterschied zwischen den produktbezogenen Treibhausgas-Bilanzen von Bio- und konventioneller Produktion fällt somit geringer aus. Schaut man sich die einzelnen Emissionsquellenbeiträge an, dann ist die Methanbildung in den Vormägen mengenmäßig die bedeutendste Quelle für Treibhausgase. Sie trägt etwa zur Hälfte zu den Emissionen je Kuh und Jahr bei. Die Methanbildung gehört zur Verdauung der Kuh und ist nicht zu vermeiden, dennoch gibt es auch im Ökolandbau Ansätze der Minderung von Treibhausgasen bei der Rinderhaltung.

Wie kann der Bio-Milchviehbetrieb Treibhausgase reduzieren?

  • Hohe Grundfutterqualität und hohe Grundfutterleistung: Rohfaserreiche Rationen stellen einen Hauptfaktor für Methanbildung dar. Je höher die Nährstoff- und Energiedichte des Futters ist, desto geringer ist die ausgestoßene Methanmenge bezogen auf ein Kilogramm Milch. Ein wesentlicher Ansatz zur Verminderung der Methanemissionen für Ökobetriebe liegt daher in der Erzielung hoher Grundfutterqualität und hoher Grundfutterleistung. Darüber hinaus ist die Ration mit einem an das eigene System angepassten niedrigen Kraftfuttereinsatz vom eigenen Hof oder aus der Region zu ergänzen. Eine Steigerung der Leistung unter diesen Bedingungen ist vorteilhaft.

  • Langlebigkeit reduziert Treibhausgase: Die mengenmäßig zweitwichtigste Quelle der Treibhausgasemissionen ist die Aufzuchtphase, die knapp ein Fünftel der Treibhausgasbelastung je kg Milch ausmacht. Dieser Anteil wird geringer, je höher die Nutzungsdauer und Lebensleistung der Kühe ist. Dies bestätigt das Zuchtziel hoher Lebensleistung und Langlebigkeit in der Öko-Milchviehzucht. Zudem sind Zweinutzungsrassen unter Klimagesichtspunkten durch die Doppelnutzung von Fleisch und Milch von Vorteil.

  • Weidehaltung hat Klimavorteile: Beim Vergleich der Systeme mit dem Schwerpunkt Weidehaltung und Stallhaltung zeigten sich Vorteile der weidebasierten Systeme, trotz geringerer Einzeltierleistung – sofern nur wenig Kraftfutter verfüttert wird. Dies obwohl nach anderen Ergebnissen die N2O- und CH4-Emissionen aus den Kot- und Harnstellen auf Weiden besonders hoch sind. Die Studie von Zollitsch u.a. zeigte insgesamt, dass neben der Methanbildung in den Vormägen die Wirtschaftsdüngerkette und Futterbereitstellung wichtige Emissionsquellen sind. Werden Tiere auf der Weide statt im Stall gehalten, bringt das mehrere Vorteile fürs Klima:

Weidehaltung benötigt den geringsten Primärenergieeinsatz für Futterwerbung und -bereitstellung.
Emissionen aus den tierischen Exkrementen fallen geringer aus, da diese nicht lange im Stall, in Güllelagern oder auf Mistmieten lagern und als Gülle oder Mist nicht erst auf die Weide ausgebracht werden müssen.
Weidefutter guter Qualität verursacht im Vergleich zu Grundfuttermitteln (später genutztes Grünfutter oder Heu) geringere Methanemissionen aus dem Wiederkäuermagen.

Ulrich Mück und Biggi Häussler

Demeter-Berater, Demeter-Erzeugerring Bayern e.V.,

Hohenbercha 23, 85402 Kranzberg

 

Quellen

  • Zollitsch W., Hörtenhuber S., et. al. 2010: Treibhausgase aus Milchviehhaltung – eine Systembewertung ist nötig. Ökologie und Landbau 4/2010, basiernd auf: Hörtenhuber, S., T. Lindenthal, B. Amon, T. Markut, L. Kirner, W. Zollitsch (2010), „Greenhouse gas emissions from selected Austrian dairy production systems – model calculations considering the effects of land use change“;

  • Idel A., 2010: „Lasst die Kühe auf der Wiese“, Ökologie und Landbau 4/2010,

  • Rahmann G. et al, 2008: Klimarelevanz des Ökologischen Landbaus – Stand des Wissens.

  • Kreuzer M., 2007, „Raufutterreiche Rationen und niedrige Emissionen – ein Widerspruch? Bayerische Arbeitsgemeinschaft Tierernährung. Freising-Weihenstephan, 2007

  • Bischofberger, N., Gattinger, A., 2011: Klimaschutz auf Biobetrieben, Hrsg. BioSuisse und FiBL, FIBL-Merkblatt 1552