Initiativen

Novira – Kartoffelsorte aus biodynamischer Forschung

von Hartmut Spieß

 

Im Rahmen der biodynamischen Forschungsfragen auf dem Dottenfelderhof war die der Nachbaufähigkeit der angebauten Früchte, auch von Kartoffeln, ein wichtiges Arbeitsgebiet. Kartoffeln werden auf dem Dottenfelderhof möglichst über eigenes Pflanzgut nachgebaut. Wie lange dies möglich ist, hängt vom Grad des Abbaus der Kartoffel durch Viren ab, die von Blattläusen übertragen werden. Ein Blick in die Geschichte des Kartoffelbaues zeigt, dass bis Anfang des 20. Jahrhunderts der Abbau keine wirtschaftliche Bedeutung hatte (Seiffert 1968). Untersuchungen in den Jahren 1911 und 1917 wiesen jedoch zunehmende Ertragsausfälle durch Virenerkrankungen nach. Das scheint auch die Ursache dafür gewesen zu sein, dass an Rudolf Steiner die Frage der Regeneration der Kartoffel herangetragen wurde. Für diesen Fall wurde von ihm das Äugeln der Kartoffeln empfohlen (Koepf u. Plato 2001). Tatsächlich wird eine virusfreie Vermehrung der Kartoffel durch Verwendung von meristema­tischem Gewebe erreicht, was heute gang und gäbe ist. Allerdings wird beim Äugeln auch virus­befallenes Gewebe entnommen, so dass diese Methode als Gesundungsmaßnahme nicht ausreicht. Da das Rhein-Main-Gebiet nicht zu einer ‘Gesundlage‘ zählt, ist der Virusbefall vorprogrammiert. Eigene Nachbauversuche zeigten für die hiesigen Verhältnisse, dass an diesem Standort die Sorten Grata maximal drei und Desiree höchstens fünf Jahre ohne stärkere Ertragseinbußen nachgebaut werden konnten. Auch das parallele Auspflanzen von Kartoffelaugen konnte den Virusabbau nicht aufhalten.

Durch die vielfältigen Kontakte im biodynamischen Umfeld, auch aus den Ursprungsländern, erreichen die Forschung & Züchtung Dottenfelderhof immer wieder Kartoffelraritäten. Diese werden ggf. in einen Probeanbau genommen. Teils werden sie über Samen vermehrt, um Phytophthora-resistente Nachkommen zu erhalten. Ein Stamm dieser Nachkommenschaften ist jetzt als ‘Dottenfelder Novira‘ beim Bundessortenamt zur Zulassung angemeldet worden. Er wurde erstmalig vom Dottenfelderhof 2008 im Feld angebaut und wird seither nachgebaut. Bei der Virusprüfung nach neunjährigem Nachbau zeigte er lediglich 1 % PVY (schweres Mosaikvirus) und 0 % PLRV (Blattrollvirus). Dieses Ergebnis lässt auf eine hohe Virusresistenz gegenüber den bedeutsamsten Kartoffelviren schließen. Jährliche Virusunter­suchungen an der Bayrischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) zeigten zudem, dass nur leichte Viren mit geringem Anteil auftraten. Seither sind die virusfreien Knollen, die von der LfL zurückgesandt wurden, unter den hiesigen Bedingungen weitervermehrt bzw. erhalten worden.

2014 wurde der Stamm, damals noch als ‘HS Pn-08‘ bezeichnet, in das von der BLE geförderte Projekt zur „Züchtung Phytophthora-resistenter Kartoffeln für den Öko-Landbau“ gestellt und versuchsmäßig geprüft. Seit 2015 steht die Kartoffel im Öko-Landessortenversuch (LSV) des LTZ Donaueschingen, 2017 erstmalig im LSV Hessen, Frankenhausen. In RLP wird sie im Randsortiment des Öko-LSV seit 2015 geprüft. Die Ergebnisse sind bisher hinsichtlich Ertragsfähigkeit, Knollensortierung, Krautfäule-Resistenz durchweg zufriedenstellend, vgl. www.ltz-bw.de/pb/,Lde/Startseite/Kulturpflanzen/Kartoffeln; LLH Öko-Fax Nr.: 1a 2018).

Hinzu kamen Anbautests bei Praktikern, wie Friedhard Bühler, Murr; Walter Badmann, Schloßgut Burgberg, beide Demeter; bei Christian Landzettel (Bioland-Berater) oder Götz Wollinsky, Beienheim (Bioland). Bisher gab es keine negativen Rückmeldungen.

Die folgenden Haupteigenschaften sind von diesem Zuchtstamm aufzuzählen:

  • Sortentyp: mittelfrüh bis mittelspät (mfr-msp)

  • Kochtyp: vorwiegend festkochend, gelbfleischig

  • Knollenform: rund-oval mit glatter Schale

  • Geschmack: gut

  • Lagerfähigkeit: sehr hoch

  • Wirksensorik/Vitalqualität: gut-sehr gut (nach M. Buchmann 2012)

  • Erträge: mittel bei mittlerer bis großfallender Sortierung

  • Resistenzen: Phytophthora infestans, schwere Viren (PVY, PLRV)

  • Besonderheit: Bei Hitze- bzw. Trockenstress und nachfolgender Nässe auf Gefahr der Kindel- bzw. Kettenbildung achten und mit Beregnung vorbeugen.

Die positiven Resultate sprachen dafür, diesen Kartoffel-Stamm zur zweijährigen Zulassungsprüfung beim Bundessortenamt anzumelden. Nicht zuletzt wegen der hohen Widerstandsfähigkeit gegenüber der Kraut- und Knollenfäule, welche aufgrund des restriktiven Einsatzes von Kupfer eine hohe Relevanz nicht nur im Demeter-Anbau besitzt. In diesem Jahr wird Novira auf vier Betrieben in Deutschland und der Schweiz getestet. Die virusfreie Vermehrung wird im blattlaussicheren Tunnel auf dem Dottenfelderhof stattfinden. Um diese Stufe der Erhaltungszüchtung mit der gesunden Pflanzguterzeugung zu gewährleisten, wird noch ein Betrieb an der Nord- oder Ostsee bzw. in einer Blattlaus-sicheren Höhenlage gesucht. Das Allerwichtigste aber ist, dass die Sorte vom Verbraucher angenommen wird. Als erste Bio-gezüchtete Sorte in Deutschland mit hoher Resistenz, guter Nachbaufähigkeit, zufriedenstellenden Erträgen und gutem Geschmack dürfte sie nicht ohne Potenzial sein.

Dr. agr. habil. Hartmut Spieß,

Forschung & Züchtung, LBS Dottenfelderhof e.V.,

Holzhausenweg 7, D-61118 Bad Vilbel,

http://www.forschung-dottenfelderhof.de