Kurz & aktuell

Ernährungsdiktatur und Mangel

Fragen an die Autorin Tanja Busse

 

Frau Busse, in Ihrem neuen Buch sprechen Sie von „Ernährungsdiktatur“, obwohl wir noch nie soviel Auswahl hatten. Warum so krass?

 

Die Lebensmittelbranche hat sich in den letzten Jahren stark konzentriert: Einige wenige Global Player verdrängen die kleineren Hersteller und erobern sich gleichzeitig immer mehr Einfluss auf die Politik. Fragen Sie mal Europa-Parlamentarier, wie die Lobbyisten der Ernährungsindustrie sie belagern! Zum Beispiel, um zu erklären, dass die Ampelkennzeichnung für Lebensmittel unsinnig ist. Nestlé hat Milliarden Euro Gewinn für 2008 ausgewiesen, während die Bäuerinnen und Bauern in fast allen Ländern der Welt immer ärmer werden. Und was uns geboten wird, ist oft nur eine Pseudo-Vielfalt: Nehmen Sie ein Supermarktregal: Da stehen bis zu fünfzig verschiedene Sorten Frühstücksflocken. Aber die Inhaltsstoffe sind immer dieselben: Reis oder Weizen, Zucker und Glucosesirup. Die Vielfalt besteht nur aus den verschiedenen Farb- und Aromastoffe und aus den bunten Bildchen auf den Packungen: kleine Tierchen für die Kinder, taillierte Frauenfiguren für die Fitness-Fraktion.

 

Tragen wir wirklich mit bei zum Hunger in der Welt? Trotz FAO, Entwicklungshilfe etc.?

 

Ja, denn wir profitieren von einem System, das Hunger verursacht. Die globalisierte Weltwirtschaft hat quasi-feudale Strukturen zementiert: Die armen Länder des Südens verkaufen Agrar-Rohstoffe zu so niedrigen Preisen, dass jede Entwicklung auf dem Land dort unmöglich ist. Die Industrieländer des Nordens verarbeiten diese Rohstoffe weiter und machen mit den verarbeiteten und teuer vermarkteten Produkten ihre Gewinne. Gleichzeitig verscherbeln die USA und die EU ihre eigenen Überschüsse (Getreide, Milchpulver, Gemüse) zu Dumpingpreisen und unterbieten damit die lokalen Produzenten in den armen Ländern. Seit mindestens zwanzig Jahren ist bekannt, dass die Agrar-Exportsubventionen Hunger verursachen – trotzdem hat die EU sie noch immer nicht abgeschafft.

 

Sie haben sehr intensiv recherchiert. Was glauben Sie, können wir noch ändern?

 

Wir müssen versuchen, aus diesem extrem ungerechten Welternährungs-System auszubrechen, das gleichzeitig Hunger und Übergewichtsepidemien verursacht. Das ist möglich, wenn wir uns anders ernähren: ökologisch, regional und saisonal. Und wenn wir uns in die Politik einmischen und bessere Informationsrechte fordern. Es hilft auch, sich bei Unternehmen zu beschweren, die uns für viel Geld Junk-Food verkaufen und dafür mit irreführenden Versprechen werben. Der Protest gegen die Gentechnik hat gezeigt, dass wir nicht machtlos sind. Ohne mutige Feldbefreier und andere Aktivisten sowie kritische Konsumenten hätten wir längst zahlreiche Genpflanzen auf den Feldern und im Essen.

 

Fragen: mom

Tanja Busse: Die Ernährungsdiktatur. Warum wir nicht länger essen dürfen, was uns die Industrie auftischt.

K. Blessing Verlag 2010, 336 S., 16,95 Euro.