Kurz & aktuell

Naturbewusstsein im Wandel

Fragen an die Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz Prof. Beate Jessel

 

Ende April wurde die aktuelle, die vierte Studie zum Naturbewusstsein der Deutschen vorgestellt. Was sind zusammengefasst die Kernaussagen zum Thema Landwirtschaft?

 

Die Naturbewusstseinsstudie 2015 zeigt ganz deutlich, dass die Deutschen überwiegend strengere Regeln und Gesetze für die Landwirtschaft befürworten: Besonders wichtig ist den Bürgerinnen und Bürgern das Wohl der Tiere in der Nutztierhaltung. Großen Wert legen sehr viele Menschen – nämlich mehr als 90 Prozent der Befragten – auch darauf, dass Landwirtinnen und Landwirte bei ihrem Tun die Auswirkungen auf die Natur berücksichtigen. Die Bürgerinnen und Bürger wünschen sich zudem möglichst regionale Anbau- und Konsumkreisläufe und den Ausbau der Bio-Landwirtschaft. Den Anbau von Genpflanzen sowie die chemische Schädlings- und Unkrautbekämpfung stufen viele der Befragten besonders kritisch ein.

 

Was hat sich geändert gegenüber der vorhergehenden Studie von 2013, welche Trends sind erkennbar?

 

In der Studie 2013 war zunächst nur der Komplex „Agrarlandschaften und Landschaftselemente“ thematisiert worden. Die aktuelle Studie geht einen Schritt weiter und beschäftigt sich explizit mit dem Thema „Naturschutz und Landwirtschaft“. Insofern lässt sich hier nur schwer ein konkreter Vergleich ziehen. Deutlich wird zum Komplex „Biologische Vielfalt“ im Allgemeinen erneut, dass Natur für die Menschen eine sehr wichtige Rolle spielt. Eine erfreuliche Entwicklung zeichnet sich im Bereich „Verhalten“ ab: Denn die Bereitschaft, selbst zum Erhalt zur biologischen Vielfalt beizutragen, ist um neun Prozentpunkte auf 59 Prozent gestiegen. Damit liegt in Deutschland vor allem für niederschwellige Handlungsoptionen, zum Beispiel regionales Obst und Gemüse zu kaufen, eine große Bereitschaft vor.

 

Was lässt sich aus diesen Entwicklungen und Erwartungen für Landwirtschaft und Agrarpolitik ableiten?

 

Die Ergebnisse der Naturbewusstseinsstudie und auch die große Nachfrage nach regional erzeugten oder Bio-Produkten geben uns Rückendeckung für die Forderung nach deutlichen Änderungen in der EU-Agrarpolitik. Bei der Förderung muss künftig der Grundsatz gelten: Öffentliche Gelder für öffentliche Leistungen, beispielsweise eben für ökologische Leistungen der Landwirtschaft. Das derzeit praktizierte Gießkannenprinzip muss ein Ende finden. Diese Forderung spiegelt sich beispielsweise in der Naturschutzoffensive 2020 des Bundesumweltministeriums wider, in der „Äcker und Wiesen“ und damit die Kulturlandschaft als eines von zehn vordringlichen Handlungsfeldern definiert sind.

 

Fragen: Michael Olbrich-Majer

Naturbewusstsein 2015. Bevölkerungs­umfrage zu Natur und biologischer Vielfalt. Hrsg. BMUB und BfN. Zusammenfassung der Naturbewusstseinsstudie unter : http://www.bmub.bund.de/N53019, die Studie komplett unter: http://www.bmub.bund.de/N53020