Landbautipps vom Guru?

Die wahre Dimension der Landwirtschaft

 

Biologisch-Dynamisch ist eine Wortschöpfung zweier gestandener Landwirte, die mit anderen 1924 zu Pfingsten Rudolf Steiner in Koberwitz zugehört hatten. Ernst Stegemann und Erhard Bartsch versuchten damit nach drei Jahren Praxis anhand von Steiners Anregungen diesem Landbau einen Namen zu geben, der sowohl die natürliche, biologische Düngung als auch den geistig-entwickelnden Aspekt dieser Agrarkultur zum Ausdruck bringen sollte. Denn Steiner hatte „nur“ über „Geisteswissenschaftliche Grundlagen zum Gedeihen der Landwirtschaft“ gesprochen, Hinweise zum Verständnis der landwirtschaftlichen Prozesse und viele Tipps zum Umgang mit diesen gegeben, aber keine fertige Methode und auch keinen Namen. In ihrem – ganz modern -sogleich gegründeten Versuchsring arbeiteten die Landwirte und Gutsverwalter diese aus.

 

Warum eigentlich fragten sie einen Nicht- Fachmann? Steiner war weder Landwirt, noch ausgewiesener Fachwissenschaftler. Was hat ausgerechnet ein intellektueller Vortragsreisender mit esoterischem Anspruch zu so etwas praktischem wie der Landwirtschaft zu sagen? Das kritisieren Wissenschaftler noch heute am Biodynamischen: Unwissenschaftlich sei das ganze, Pseudo-Tipps vom Guru. Dabei scheuten schon die frühen Demeter-Pioniere weder Vergleichsversuche mit konventionellen Höfen noch den Kontakt zu Forschung und Fachwelt, nahmen Steiners Aufforderung „… prüfen sie selbst …“ ernst. Über die Jahrzehnte errangen die Biodynamiker, dass sie von der landwirtschaftlichen Fachwelt ernst genommen und schließlich bekämpft wurden, als diese völlig auf den agrochemischen Zug aufsprang. Ein Guru-Vorwurf war da sehr brauchbar.

 

Sicher, Steiners Anregungen lesen sich etwas anders als eine Fachbuchinstruktion, obwohl er sich mit solcher Literatur auf den Kurs vorbereitet hatte. Er macht den Blick erstmal sehr weit auf, stellte das Leben auf der Erde in seinen kosmischen Zusammenhang, kurzum, machte auf Selbstverständlichkeiten aufmerksam, die wir heute gerne vergessen: Ohne Sonne ist hier alles nichts, und alles Lebendige ist durch die Rhythmen und Sphären von Sonne, Mond, Planeten beeinflusst. Seine Art „rationelle Landwirtschaft“ ist ersteinmal eine Absage an den rein ökonomischen Zugriff, will aus dem tieferen Verständnis der Sache heraus Gesundendes für die Landwirtschaft finden und praktizieren. Denn natürlich war Steiner neben seiner Universalität auch ein Guru für viele seiner Anhänger, sollte Rat geben für die seelisch-geistige aber auch lebenspraktische Entwicklung, zunächst nur individuell, aber mehr und mehr auch für ganze Lebensgebiete. Vor dem Kurs hatten die Landwirte Steiner eine lange Liste von Fragen zusammengestellt – im Kern ging es um die Lebendig-Erhaltung der Böden, Pflanzen und Tiere aber auch um die Nahrhaftigkeit für den Menschen. Wenn die Welt sich stets höher entwickelt, wie kann dann der Beitrag der Landwirtschaft dazu aussehen?

 

Der Witz ist, dass Steiner die Landwirte trotz poetischer Bilder nicht in höhere Sphären entführt, sondern auf das sehr konkrete Handwerk verweist, den Geist in den chemischen Elementen entdeckt, das Geistige im Dung und die Entwicklungsimpulse im Zusammenspiel zwischen Futter, Kuh, Mist und Präparaten. Dem Betriebsleiter empfiehlt er, den meditativen Zugang den ihm anvertrauten Lebenszusammenhängen zu pflegen, schließlich sei Landwirtschaft ein Organismus, ja eine Art Individualität: Der Mensch wird zur Grundlage gemacht.

 

Michael Olbrich-Majer in Info3, April 2011, http://www.info3.de