Der biodynamische Werkzeugkasten:

Vom ABC der Pflanze

 

Biodynamisch heißt, mit den Kräften der Natur arbeiten. Aber wie handhabt man diese konkret? Zum Beispiel in diesem extrem trockenen Frühjahr? Da erlebten wir regional Im-Balancen kosmisch-irdischer Kräfte, aber Regen kann noch keiner machen. Glücklich, wer bewässern kann. Doch lassen sich Boden und Pflanze auf Eventualitäten vorbereiten: Vor allem auf den Humus kommt es dabei an, gefördert durch abwechslungsreicher Fruchtfolge, regelmäßige Gründüngung, guten Kompost sowie die biodynamischen Kompost- und Spitzpräparate. Das zeigt nachgewiesenermaßen Erfolg: Der Boden nimmt besser Wasser auf, hält es länger und ist weniger erosionsanfällig. Heckenpflanzungen bremsen die Bodenverdunstung, ebenso Hacken, Mulchen oder Abdecken mit Netzen. Viel mehr liegt nicht in der Hand des Landwirts. Vielleicht, wenn wieder Regen kommt, Hornmist und Hornkiesel spritzen, um Boden und Pflanzen neu anzuregen.

 

Ein ungewöhnliches ABC des Pflanzenwachstums finden wir in Steiners Kurs für Landwirte. Ausgehend davon, dass nichts Geistiges ohne Stoff wirken kann und jeder Stoff Geistiges repräsentiert, fragt er: Was an der Pflanze ist kosmisch, was ist irdisch? Er beschreibt den Samen als aktuellen Abdruck des Kosmos und macht die Planetenrhythmen verantwortlich für Farbe und Form z. B. der Blüten. Alles, was wächst, stellt Steiner in eine Kräftematrix aus sieben Wirkprinzipien des Lebendigen, die er mit den Planeten samt Mond und Sonne assoziiert: Die von der Sonne bewegten Kräfte und Substanzen gestalten unterschiedlich, je nachdem, wie der Chor der Planeten mittönt, ob diesseits oder jenseits der Erdbahn, ob direkt oder durch den Boden vermittelt. So entstehen die Impulse für Wuchern oder Reife, für Masse oder Aroma. Die Pflanzenbestände selbst werden als Organe der vegetabilen Oberfläche unseres Planeten betrachtet.

 

Die terrestrische Mitwirkung entsteht durch Kiesel und Kalk, Überbegriffe für silikatreiche bzw. kalkhaltige Böden und die Gesteine darunter: sie vermitteln Wachstumstendenzen, die der Ton als dritte Kraft und Substanz ausgleicht. Der Humus als vierte Kraft ist Gedächtnis des Bodens, ja irdischer Gegenpol zur Sonne. Eine Bodenerhöhung, wie der Anbau auf Dämmen wirkt so hierzulande verlebendigend - kosmisch – in der Extremsonne der Tropen aber verbrennt der Humus.

 

Zum biodynamischen Werkzeugkasten gehört natürlich eine Blaupause: Landwirtschaft als Organismus, der zu einer Art Individualität zu entwickeln ist, mit einer Vielfalt an Organen und Vernetzung schaffenden Elementen wie Kuh, Landschaft, Biene und biodynamischen Präparaten, die als betriebliche Essenz das angestrebte Eigen-Sein fördern. Das ABC umfasst auch die chemischen Bausteine des Lebens die im Eiweiß das je Eigene des Individuums bis hin zur ausgereiften Eiweißqualität der Pflanzen prägen: Stickstoff, Sauerstoff, Kohlenstoff, Schwefel, Wasserstoff. Doch kommt es bei allen Vorgängen darauf an, dass sie aus dem Lebenszusammenhang heraus wirksam werden, dass z. B. Stickstoff eben nicht aus der Fabrik kommt, dabei Energie fressend, sondern von Knöllchenbakterien am blütenreichem Klee in den Betrieb eingeatmet wird, aus der die Erde umgebenden Atmosphäre.

 

Sogar konventionelle Bauern sprechen heute davon, dass ihr Getreide möglichst ungestresst wachsen sollte. Wellness für Pflanzen, biodynamische Landwirte haben das Handwerkszeug dazu, wenn sie sich auf die Naturvorgänge einstimmen und die günstigen Momente treffen. Dann können wir, so Steiner, im Apfel den Jupiter essen und in der Pflaume den Saturn, können wir solcherart Bildekräfte ahnen, wenn wir es üben.

 

Michael Olbrich-Majer in Info3, Juli 2011, http://www.info3.de