Landwirtschaft unserer Wahl?

Am 21. Januar kann man sich zu Ökolandbau, Tierschutz und fairem Handel bekennen

 

Ist Landwirtschaft rationell, wenn sie Futter in Südamerika kauft und hier kilometerweit Mais für Biogasanlagen wächst? Am besten gentechnisch optimiert, das ganze finanziert von Joint-Ventures großer Energie- und Chemiekonzerne? Oder ist Landwirtschaft rationell, wenn sie ihr eigenes Futter erzeugt, weder Umwelt noch Mensch belastet, gesunde Arbeitsplätze, Urlaubslandschaft und kulturelle Anknüpfungspunkte auf dem Land bietet? Letzteres ist im besten Sinne multifunktional und war mal kurzzeitig Leitbild der EU. Eine Landwirtschaft, die saubere Luft, sauberes (Trink-)Wasser , Vielfalt und mehr „herstellt“. Dazu gehören, finde ich, auch Lebens-Werte wie Beständigkeit, Verantwortung über Generationen hinweg, Werte, die sich aus dem Umgang mit Lebendigem ergeben und in die Gesellschaft hineinwirken, Bodenständigkeit statt Quartalsrendite.

 

Der Landwirt ist durch seinen Beruf Gestalter, Pfleger und Nutzer von Ökosystemen, eine Tätigkeit, die mehr Nutzen als nur einen bringt, doch wird sie meist auf den ökonomischen reduziert. Agrarpolitik bezieht sich nur darauf, auf Märkte statt Menschen: Hören sie mal einem Vertreter des sogenannten Bauernverbandes zu, ja selbst Landwirte reduzieren sich oft aufs Unternehmer-Sein. Doch stehen sie aufgrund der Machtverhältnisse des Marktes am Ende der Wertschöpfungskette, viele Bauen bieten wenigen Abnehmern ihre Erzeugnisse an. Der Markt hat Oligopolstruktur, die Bauern sind ökonomisch Mengenanpasser, beim Preis sprechen sie nicht mit. Auch deswegen gibt es Agrarsubventionen, denn Bauern gestalten immerhin 47% der Fläche Deutschlands. Die Subventionen sollen nach den Kriterien mehr Ökologie und mehr Fairness verteilt werden, so der aktuelle Vorschlag der EU-Kommission. Das ist dringend erforderlich. Denn Landwirtschaft ist verantwortlich für Stickstoffbelastung der Gewässer und Meere und den dramatischen Rückgang der Biodiversität, beides bereits irreversibel. Die größten Subventionen aber gibt es unabhängig von der ökologischen oder sozialen Leistung, nach Fläche, nicht nach Arbeitskraft. Das darf nicht sein.

 

Doch ist der EU-Vorschlag bereits verwässert, Bauernverband und Bundesregierung halten kräftig gegen diese Zielsetzung. Überhaupt: „unsere“ Regierung agiert auch gegen den Ökolandbau, wo sie kann, so dass die Organisationen des Ökolandbaus reagieren müssen. Denn es sind nicht nur notorische Ökos, die sich darüber beschweren: Auch das Umweltbundesamt, und der Sachverständigenrat für Umweltfragen fordern mehr Ökolandbau. Dem Rat für Nachhaltige Entwicklung, von der Bundesregierung berufen, gilt Ökolandbau gar als Goldstandard. Entsprechend sei er zu fördern. Das Gegenteil aber ist der Fall, er wird gezielt benachteiligt und solche Empfehlungen werden ignoriert. Zwar setzt Bundesministerin Aigner auf Dialogprojekte wie eine Charta für Landwirtschaft und Verbraucher, dich ist das Augenwischerei angesichts des immer stärkeren Trends zur Industriealisierung der Landwirtschaft, den die Regierung mit ihrer Politik befeuert.

 

So hat sich eine Opposition aus Umweltverbänden, Milch- und Ökobauern, kirchlichen Entwicklungsorganisationen und Tierschützern in der Kampagne „Meine Landwirtschaft“ zusammengefunden und wirbt seit einigen Monaten für das öffentliche Gespräch darüber, welche Landwirtschaft wir Bürger wollen. Aktuell halten Bauern Hof, laden auf ihre Betriebe ein (http://www.meine-landwirtschaft.de). Mit einer Sternfahrt zum Kanzleramt erregte das Bündnis im Sommer Aufsehen. Jetzt steht eine Demo an – parallel zur Internationalen Grünen Woche, am 21. Januar. Motto: „Wir haben Agrarfabriken satt.“ Es verspricht, ein bunter und unterhaltsamer Umzug zu werden.

 

Michael Olbrich-Majer in Info3, Januar 2012, http://www.info3.de