Ist Ökolandbau alternativlos?

Welthunger und “Food Crash“: Agrobusiness as usual ist keine Lösung

 

Dass ökologische Landwirtschaft klare Vorteile hat, wenn es um das Schonen von Umwelt, Trinkwasser oder Artenvielfalt angeht, ist unbestritten. Aber reicht das schon? Schließlich erblicken jedes Jahr 80 Menschen frisch das Licht dieser Erde. Und seit Jahren hungert annähernd eine Milliarde Menschen, ohne dass sich daran etwas ändert. Brauchen wir also endlich Chemie und Gentechnik für alle, damit sie satt werden? Wenn es so einfach wäre! Felix zu Löwenstein, Öko-Landwirt und Vorsitzender des Bundesverbandes Ökologische Lebensmittelwirtschaft, widerspricht dieser von deutschen Agrariern und Journalisten immer wieder vorgebrachten These vehement: „Wir werden uns ökologisch ernähren oder gar nicht mehr“, so der Untertitel seines Buches mit dem provokanten Titel „Food Crash“. Und er hat nicht nur gute Argumente, Gutachten der FAO oder den Weltagrarbericht auf seiner Seite, sondern einen anschaulichen, persönlichen Schreibstil, mit vielen Beispielen, Fakten und Erlebnissen angereichert. Löwenstein kennt die Verhältnisse der Landwirtschaft, hier wie in Haiti oder im politischen Geschäft. Jeder Laie verstehen, dass da, wo es keine Straßen und kein Kühlhaus gibt, kaum Schule und schon gar kein Geld für Düngemittel oder Gensorten, eine andere Landwirtschaft als hierzulande nötig ist. Denn ausgerechnet in den ländlichen Gebieten südlicher Länder verhungern die Menschen, 70% der Hungernden leben dort. Sie wurden in den letzen 40 Jahren von der sogenannten grünen Revolutionen einfach vergessen. Unsere konventionelle Hightech-Landwirtschaft bietet ihnen keinen Ausweg, im Gegenteil: die EU konkurriert um Fläche durch den Import eines Großteils ihrer Futtermittel, unsere Überschüsse zerstörten sogar regionale Märkte.

 

60 % der weltweiten Landwirtschaftsfläche wird von Kleinbauern und -bäuerinnnen bewirtschaftet, meist die schlechteren Böden. Wenn diese lernen, ihre Böden fruchtbarer zu machen, was nachgewiesenermaßen am besten mit Ökolandbau geht, wenn sie durch Lern- und Musterfarmen, Landrechte und eine bessere Infrastruktur unterstützt werden, dann ist die Welt an dieser Stelle wirklich zu retten. Denn auch die ökonomistische Theorie hat versagt: Mehr Exportfrüchte und im Gegenzug dafür mehr zu verteilende Nahrungsimporte, das klappt ebenfalls seit 40 Jahren nicht. Sogar die Gentechniklobby liefert nicht: seit mehr 20 Jahren teuerer Forschung warten wir immer noch auf die dürretoleranten Wunderpflanzen. Im Einsatz sind zu 90 % Pestizidresistenzgene mit ökologisch verheerenden Folgen. Löwenstein fordert daher zu Recht, Agrar-Forschungsmittel auf ökologische Landwirtschaftmethoden zu focussieren, eine ökologische Intensivierung sei unumgänglich. Denn gerade in den Tropen und Subtropen muss der Ökolandbau weiter entwickelt werden, und das nicht im Hinblick auf noch mehr öko-gelabelte Verbrauchersicherheit in Europa, sondern um sichere, gesunde und nachhaltige Erträge mit den Mitteln vor Ort für die Menschen vor Ort zu erzielen. Hier liegt das Potenzial, Erträge um viele Prozent zu heben, während bei uns die Landwirtschaft da m.o.w. ausgereizt ist. Dazu gehört unumgänglich politisch-soziale Bildungsarbeit vor Ort.

 

Löwenstein macht aber auch darauf aufmerksam, dass wir hier in Europa Agrobusiness und Ernährungswirtschaft umbauen müssen. Eine Verschwendung von Lebensmittel wie aktuell, sei es durch die Verwendung als Tierfutter oder Energierohstoff oder durch das massenhafte Wegwerfen kann sich die Welt nicht mehr leisten. Dazu gehört – an die Adresse von uns Verbrauchern - auch weniger Fleisch zu essen. Denn sonst reicht es nicht für alle, egal ob ökologisch oder konventionell. An der ökologischen Effizienzrevolution müssen alle mitmachen.

 

Michael Olbrich-Majer in Info3, Feburar 2012, http://www.info3.de