Gemeinsam zu den Quellen des Wesentlichen

In Dornach trafen sich Biodynamiker aus aller Welt, um ihr Engagement für eine andere Agrarkultur zu stärken

 

Braucht man Anthroposophie, um gutes Demeter-Brot zu backen oder gesundes Getreide anzubauen? Schon in den dreißiger Jahren haben unsere Vorgänger die Entscheidung getroffen, dass nicht Anthroposoph sein muss, wer biologisch-dynamisch wirtschaften will. Doch in Dornach haben sich Anfang Februar mehr als 500 Menschen versammelt, um genau dies zu pflegen: Das Biodynamische im anthroposophischen Kontext vertiefen, dazu dient der jährliche große Kongress, die internationale landwirtschaftliche Tagung am Goetheanum.

 

Bauern und Azubis, Landwirtinnnen und Demeter-Händler, Europäer, Inder, Ägypter und Südamerikaner, dynamische Lehr“mädels“ und freundliche alte Herren, die Mischung ist vielfältig, zeigt aber eines: biodynamisch geht überall. Und steht allerorts zwischen empfundenem Ideal und oftmals problematischer Wirklichkeit, meist im Zentrum einer anderen Agrarkultur als der weltweit standardisierten. Zwar mögen anderswo Lebensmittel relativ mehr wert sein als hierzulande, folglich die Arbeit im Ernährungssektor auch, doch schwimmen ökologisch orientierte Bauern gegen den weltweiten Strom, der da heißt Landwirtschaftsindustrie. Da arbeitet ein Demeter-Betrieb in Brasilien mit Kleinbauern, während in dem Land zugleich Monokulturen rund um Agro-Energiefabriken zig Quadratkilometer bedecken. Oder es kämpft ein biodynamischer US-Amerikaner für den Rohmilchverkauf, trotz Polizeieinsätzen gegen seinen Hof. Andere ringen um eine neue Agrarpolitik in Europa oder um ihr Überleben als landwirtschaftlich-therapeuthische Initiative auf dem Balkan. Manchmal werden es Erfolgsgeschichten, wie Sekem, aber oftmals ist das Ringen langwierig. Da tut es gut und not, sich einmal im Jahr zu besinnen, gegenseitig zu stärken und die Motive und Quellen aufzufrischen.

 

Vor allem deshalb ist die Tagung eine Institution, die aus der biodynamischen Bewegung nicht mehr weg zu denken ist, vom Lesen der anthroposophischen Leitsätze bis zu den regen Gesprächen im Nachtcafe. Auch dem Goetheanum tut die viertägige Bienenkorbatmosphäre sichtlich gut.

 

Seit letztem Jahr hat die Tagung die Gestalt eines riesigen Workshops: Jeder trägt seine Fragen rund ums Thema durch wechselnde Gruppen und Arbeitsmethoden durch, verwandelt sie dabei in neue Kräfte oder klarere Sicht, findet Unterstützer oder Anregung. Das ist näher am einzelnen dran als eine Vortragstagung, und anthroposophischer durch das Sich-selbst-Einlassen können. Natürlich nach neuester Methodik für Sozialprozesse, nach Claus-Otto Scharmers Theorie U. Denn letztlich geht es um die Menschen, die so nicht nur Ideen schöpfen, sondern auch Gesprächs- und Zuhör-methodik üben oder sich in einer sozialen Skulptur treibende Kräfte und Entschlüsse vergegenwärtigen.

 

Das wirklich begeisternde sind allerdings die Menschen, die Du triffst: Du begegnest Lebensgeschichten aus der Demeter-Welt und das motiviert ungemein: Da ist der indische Umweltaktivist, der ein biodynamisches Schulungszentrum aufgebaut hat oder der Rechtsanwalt, der mittwochs melken hilft. Der erfolgreiche Lebensmittelhändler, der unsere primitiven Vorstellungen über das Essen erweitern will. Der Mitautor des Weltagrarberichts, der fundierte Wissenschaftskritik übt. Die Bäuerin, die von der Liebe für ihre Arbeit, für ihre Kühe spricht. Oder die Vertreterin des alternativen Nobelpreises, die den Blick für das, was wesentlich ist in dieser Welt, schärft, der international gefragte biodynamische Manager, der den Moment der Ruhe schätzen lernte. Das tägliche Werk an den biodynamischen Baustellen mit einer größeren Dimension verbinden, das schafft den Mut, der die Welt verändert.

 

Michael Olbrich-Majer in Info3, März 2012, http://www.info3.de