Bio-Wachstum mit Dämpfer

Es scheint, dass der Ökolandbau in Deutschland noch nicht etabliert ist

 

Die Biofach-Messe in Nürnberg ist vor allem ein großes Branchentreffen. Man trifft und feiert sich bei Hallenparty oder Preisverleihungen, findet Geschäftskontakte oder kann Politikern zeigen, dass hochprozentige Nachhaltigkeit – eben bio - ein ernstzunehmender Wirtschaftszweig ist. So durfte beispielsweise Baden-Württembergs Landwirtschaftminister Bonde am Demeter-Stand den Gewinner des Demeter-Produkts des Jahres, Monte Ziego, auszeichnen.

 

Zwar steigt nach wie vor der Umsatz im Inland, 2011 um 9 Prozent auf 6,59 Milliarden Euro, der Markt ist noch längst nicht gesättigt. Doch erreicht der Bioboom längst nicht mehr alle Beteiligten. Die geringere Zahl an Messebesuchern und Ausstellern mag daran liegen, dass sich mit Bio-Nord bzw. Bio Süd zwei Fachmessen für den Einzelhandel etabliert haben. Der Trend zu größeren Einheiten aber ist unübersehbar: Biosupermärkte und Filialisten machen Sprünge, während die klassischen Bioläden stagnieren, wenn sie sich nicht über Dienstleistung profilieren. Zwar knackte die Biofläche in Deutschland die Grenze von einer Millionen Hektar, doch die Wachstumsraten schrumpfen, wie der Dachverband BÖLW feststellte: lediglich 2,3 Prozent mehr Fläche, nur 4,8 % mehr Bio-Betriebe, insgesamt 23.000 Ökobauern und -gärtner.

 

So wird immer mehr Bioware nach Deutschland importiert, heimische Früchte wie Getreide, Kartoffeln, Möhren oder Äpfel: im einzelnen 15 bis 50 Prozent dieser Biolebensmittel kommen aus dem Ausland. Der ökologische und ökonomische Nutzen des Öko-Anbaus kommt so anderen Ländern zugute. Um die Lücke im Angebot mit heimischen Bio-Produkten zu schließen, seien 10.000 neue Bio-Betriebe nötig, so BÖLW-Geschäftsführer Dr. Alexander Gerber.

 

Bereits im Januar, zum Auftakt der Grünen Woche in Berlin, hatte Demeter-Vorstand Stephan Illi gewarnt, die Entwicklung des Ökolandbaus sei in Gefahr: Biogasproduzenten würden durch die hohe staatliche Förderung Ökobauern, aber auch andere bei der Konkurrenz um Pachtflächen ausstechen. Dass Energieerzeuger für Land höhere Preise zahlen können als Biobauern, bremst das Wachstum heimischer Ökoerzeugung. Die meisten Ursachen aber sind strukturell bedingt.

 

Für Fachverbände, Wissenschaft und Agrochemische Industrie ist Ökolandbau nach wie ein Un-Thema: hier zielt man darauf, am Weltmarkt ein relevanter Fleischexporteur zu werden. An den Universitäten spielt Öko eine sehr untergeordnete Rolle. Und die Politik verunsichert Bauern, die auf Öko umstellen wollen. Ökolandbau als Leitbild – wie der Rat für nachhaltige Entwicklung im Chor mit anderen Beratungsgremien der Bundesregierung fordert, solche Ratschläge werden ausnahmslos ignoriert. Dagegen wurden auf Bundes- wie auf Länderebene Fördermittel regelmäßig gekürzt. In Schleswig-Holstein demonstrierten Öko-Landwirte und Bürger daher vor der Landtagswahl. Gerade auch lehnte die Bundestagsmehrheit von CDU und FDP einen Antrag der SPD ab, der die bessere Unterstützung des Ökolandbaus im Zuge der EU-Agrarpolitik forderte.

 

Anders als vor 20 Jahren stellen so eher Landwirte um, die sich von Öko mehr Sicherheit versprechen, meist extensive, meist Gründlandbetriebe, die wenig für den Markt produzieren. Für den Rest der Agrarwirtschaft ist durchtechnisieren die Maxime, „Bio“-Ökonomie als Strategie, aus allem, was lebt, das letzte rausholen, natürlich „nachhaltig“. Denn immer mehr Vorschriften, Hygieneanforderungen etc. treiben die Investitionskosten in die Höhe, da muss für den Kapitaldienst mehr rausspringen.

 

Es gibt aber auch eine Meldung, die Hoffnung macht: Junge Menschen kaufen zunehmend bio.

 

Michael Olbrich-Majer in Info3, April 2012, http://www.info3.de