Machen Bioläden schlank?

Supermärkte und Discounter können „bio“ nicht wirklich

 

Letzte Woche waren die Möhren aus, der Demeter-Hof zehn Kilometer entfernt, Alnatura und der nächste Naturkostladen immerhin noch sechs. Also zum Supermarkt um die Ecke, EU-Bio-Möhren gekauft. Zuhause hineingebissen - da hätte ich genauso gut auf rötlichem Stroh kauen können: Geschmackserlebnis negativ. Das ist kein Einzelfall, es geht mir bei Supermarktbiokäse ebenfalls so und die Biomilch in Supermarkt ist auch kaum noch frisch zu bekommen, meist nur noch extra haltbar. Das müsste nicht so sein, schließlich führen die Supermärkte auch Edelprodukte, bauen eigene Marken für Gourmetschnickschnack auf. Mit Bio jedenfalls profilieren sie sich kaum noch.

Was ist auch von einer Branche zu erwarten, die gestandene Marken wie Nutella zur gegenseitigen Preisschlacht nutzt oder, sobald einer einen Markt eröffnet, gleich der nächste seinen Discounter daneben pflanzt. Bei uns im Ort haben wir demnächst Rewe, Aldi, Lidl und dann auch noch Netto, und das bei nur 10.000 Einwohnern. In dieser Branche geht es definitiv nicht um Lebensmittel, sondern um einen Verdrängungskampf, auch wenn es Ausnahmen gibt wie den engagierten Edeka – inhabergeführt (6 km) oder die hessische Kette Tegut (15 km).

Daher stimmt es nachdenklich, wenn ein Großteil der Bioware vom konventionellen Lebensmitteleinzelhandel bestellt und nach seinen preislichen Bedingungen erzeugt wird. Denn da spielt die Qualität, auf die anspruchsvollere Biobauern Wert legen, keine Rolle. Gutes Bio ist dort Glückssache. Doch bei den Einkaufstätten für Bio-Lebensmittel rangieren Supermarkt und Discounter an erster Stelle, mit 84 bzw. 63 Prozent der Einkäufe und 54 Prozent des Umsatzes, obwohl sie das geringste Verbrauchervertrauen genießen. Der Naturkostfachhandel hält sich wacker, von den 6,59 Milliarden Umsatz 2011 realisierte er 31 Prozent, auch dank der prosperierenden Biosupermärkte.

 

Bio ist also nicht gleich bio. Referenz für meinen Geschmack ist bei Möhren zum Beispiel die vom biodynamischen Züchter Dieter Bauer ausgelesene Sorte Rodelika. Die ist samenfest, somit im Gegensatz zu den verbreiteten Hybridsorten vermehrbar, auf Wohlgeschmack hin gezüchtet und es gibt sie im qualifizierten Naturkostfachhandel. Im Übrigen ist es kein Wunder, dass Vergleiche von bio- und nicht bio-Lebensmitteln wenig Unterschiede bei Innhaltstoffen oder Geschmack finden, wie gerade erst in „Die Zeit“ präsentiert: sie beziehen sich meist nur auf Supermarktware. Für die gilt oft ein aufs notwenigste reduzierter Bioanbau, Hybridsorten etc: Es gibt eben auch Billigbiomassenware und Bioblödsinnsprodukte, wie z. B. die auf der letzten Messe entdeckte Eiweißnahrung in Bioqualität.

Verbandsware hebt sich meist davon ab. Die allerersten Lebensmittelvergleiche wurden fast ausnahmslos mit Demeter-Gemüse versus konventionellem gemacht – diese Unterschiede sind überzeugend. Das trifft auf der Stufe der landwirtschaftlichen Erzeugung zu, doch auch bei den meisten verarbeiteten Produkten. Hier gehört Bio (und mehr) eben zum System. Dabei kommt es weniger auf die Richtlinien an: denn die regeln weder auf EU- noch auf Demeter-Ebene Geschmacksvorgaben, wenn auch Demeter Zusatzstoffe streng reglementiert und Geschmackverfälschung durch Aromen ausschließt. Geschmack entsteht erst, wenn darüber hinaus sich Menschen engagiert und überlegt verhalten. Und um das an den Mann und die Frau zu bringen, braucht es Handelsstrukturen, denen es nicht ganz egal ist, dass Bioprodukte bald zur Hälfte aus dem Ausland kommen, bei denen der hohe Wegwerfanteil bei Lebensmitteln nicht im System liegt. Dann ist Bio auch erlebbar besser. Achso: Biokunden sind schlanker, zitierte „Welt online“ eine Studie.

 

Michael Olbrich-Majer in Info3, Mai 2012, http://www.info3.de