Ökolebensmittel: fair produziert und gehandelt?

Fair beschreibt ein Verhalten, weniger einen bestimmten Preis

 

Beim Fussball ist es ganz einfach: da pfeift der Mann in schwarz und verteilt gelbe und rote Karten. Trotzdem wird der Videobeweis kommen. In der Lebensmittelbranche dagegen ist Fairsein ungleich komplexer. Und, das Spiel dauert, beginnt man beim Bauern, ein Jahr. Was genau ist denn da fair? Und wann? Zu Boden, Pflanze, Tier? Zum Produzenten, Verarbeiter, Händler? Oder zum Verbraucher, womit manche Discounter werben? Gilt das Ziel „fair“ nur für Bananen, Kaffee, Blumen? Oder auch für Wirsing, Weizen und Wurst?

 

Demeter-Landwirte stellten unlängst in Lebendige Erde fest, dass der Preis für ihr Getreide in den letzen fünfundzwanzig Jahren um 50 % gesunken ist, bei um 80 % gestiegenem Brotpreis. Sind die Bäcker schuld, die heute mit Backshops, Vorgebackenem aus der Ukraine und Lidl und Co. konkurrieren müssen? In der Zeitschrift Ökologie und Landbau hat sich im Sommer ein Trainee beschwert, dass es für Mitarbeiter im Ökolandbau durchgängig nur bescheidene Gehälter gibt, egal ob Landwirt oder Funktionär: Das Gefühl, etwas Gutes zu tun, werde mit Gehalteinbuße kompensiert. Doch das das gilt für die ganze grüne Branche, da reicht der Blick auf den Tariflohn für Gärtner oder Mitarbeiter in Biosupermärkten. Wenn Tarif gezahlt wird! Manch gestandener Landwirt kann sich nicht mal diesen auszahlen, als Hofeigentümer und Unternehmer! Viele Ökobetriebe sichern ihre Wirtschaftlichkeit mit Hofverarbeitung und Direktvermarktung. Denn, wie ein Milchbauer neulich in Brüssel beim GoodFood March feststellte: Momentan zahle er Eintritt, wenn er in seinen Stall gehe.

 

Milchbauern, egal ob konventionell oder öko, leiden schon seit Jahren unter Niedrigstpreisen und zehren von der Substanz. Ist die neuseeländische Konkurrenz schuld? Auch wenn niemand Milch über den Ozean schifft? Oder ist es der Konsument, der jede Biomilch über einen Euro stehen lässt? Demeter-Milch z. B. wäre genausogut 1,29 wert, statt 99 Cent - oder?

 

Was fair ist, ist nicht einfach zu messen. Viele Demeter-Hersteller sind Mitglied im BioFair Verein, der ein Siegel vergibt. Aber harte Kriterien wie exakt definierte Preisabstände über die ganze Wertschöpfungskette sind schwer zu realisieren. In der Demeter-Bewegung wird gerechtes Wirtschaften schon lange diskutiert und in runden Tischen der Marktpartner bewegt. Pauschale Lösungen scheint es nicht zu geben, aber viele gelungene Einzelbeispiele von Assoziationen über solidarische Landwirtschaft oder Regional&fair-Siegel.

 

Die Gründe für dieses Problem liegen für mich woanders: Erstens setzt die hiesige Politik seit Jahrzehnten auf billigste Lebensmittel. Wo noch in der Welt sind die so günstig wie in Deutschland? Zweitens ist der rechtliche Rahmen für Produktion und Subvention so gestaltet, dass er Ökobauern systematisch benachteiligt. Den Mehrwert, den sie für die Um- und Nachwelt erzeugen, erhalten sie nicht ausreichend vergütet, weder durch Agrarumweltzahlungen noch durch den Preisaufschlag. Sie zahlen diese Investition in die Zukunft aus eigener Tasche. Insofern können Ökobauern auch schlecht mithalten, wenn Flächen verkauft oder verpachtet werden, hochsubventionierte Biogas- bzw. Energiepflanzenbauern bieten viel höhere Preise. Für Ökobauern, gerade Hofnachfolger, wird es schwierig, an Land zu kommen. Kein Wunder, dass der Ökolandbau hierzulande kaum wächst, während immer mehr Ökolebensmittel importiert werden. Deshalb darf eine wirkliche Agrarreform Steuergeld nur noch für gesellschaftliche Leistungen geben.

 

Michael Olbrich-Majer in Info3, Dezember 2012, http://www.info3.de