Korrekter Konsum reicht nicht

Eine nachhaltige Zukunft können wir nicht den Märkten überlassen

 

Das Jahr beginnt meist mit guten Vorsätzen. Zum Beispiel endlich mit dem Kauf von mehr Biolebensmitteln die Welt retten. Doch halt, war da nicht im letzten Jahr viel Kritisches zu hören? Die Medien jedenfalls freuten sich, endlich auch an Bio kritteln zu können. Als Verbraucher weiß ich spätestens seitdem: Bio ist nicht gleich bio. Die Spanne bei Labels, Verbänden und Betrieben reicht vom alleinigen Einhalten von Vorschriften bis zum Rundum-Engagement. Ich muss mich also mehr informieren, den Landwirt oder die Marke meines Vertrauens suchen.

 

Neulich interviewte ich Harald Lemke, Philosoph aus Hamburg. Der sagt: Essen ist ein durch und durch politischer Akt. Diese Ansicht teile ich, mit allem was wir tun, sind wir verbunden mit dem Rest der Welt – natürlich und ganz besonders auch mit dem, was wir uns einverleiben. Insofern ist auch jeder Einkauf ein politischer Akt, denn er hat Konsequenzen. In der anthroposophischen Wirtschaftlehre ist der Kaufpreis der Auftrag, das entsprechende Produkt so noch einmal herzustellen. Und wir in der westlichen Welt leben doch am Wohlstand gemessen wie liberale Höflinge am Hofe des Sonnenkönigs, bewegen die Welt mit unserem Geld.

 

Statt um einen Umsturz der politischen Verhältnisse geht es zunächst um eine Revolution in uns selber, gegen unsere multiple Konsumentenpersönlichkeit: sozial und ökologisch korrekt leben, aber bitte da, wo es nicht weh tut. Hier ein Bio-Schnitzel, dort die Öko-Diesel-Version des SUVs. Doch das ist leider nicht effizient. Die Wirkung sparsamer Technik wird häufig durch voluminösere Modelle aufgehoben, ob beim Kühlschrank, beim Auto oder beim Lifestyle. Fleischverzicht wöge, zumindest hinsichtlich der Klimawirkung, mehr als reine Bio-Ernährung, die Hausdämmung mehr als alle stromsparenden Geräte, und der Verzicht auf den Fernurlaub mit Flugzeug mehr als vier, fünf Jahre selbsterzeugter Photovoltaikstrom auf dem Dach. Und es gibt noch mehr sinnvolle Ziele und Werte als Klimaschutz, wir müssen unsere Werte gegeneinander abwägen.

 

Bewusster Konsum hilft, neue Realitäten zu schaffen. Doch kann die Macht der Konsumenten morgen schon eine ganze andere Richtung haben. Auf Bio folgte so regional, jetzt ist irgendwie fair und sozial angesagt. Aber das nutzt den Näherinnen und Nähern in Bangla Desh auch nicht viel, solange wir hier in Deutschland viele Menschen haben, die sich ein T-Shirt nur noch für maximal 5 Euro leisten können und wenn in den Produktionsländern keine Gewerkschaften da sind, um Rechte durchzusetzen. Und wenn z.B. erst AgroGentechnik von den US-Konzernen durchgesetzt ist, wird es da auch keine Freiheit der Wahl mehr geben.

 

Das beantwortet eigentlich die Frage, ob allein der Markt das richtige Mittel ist, um Werte wie Nachhaltigkeit, Gerechtigkeit oder eben Freiheit zu garantieren. Und wenn wir uns entsprechend verantwortungsvoll verhalten, kostet uns das immer den Bewusstheits-Zuschlag mehr in Barem. Nikolai Fuchs von der Genfer Nexus Foundation fragt daher: „In welcher Welt leben wir, in der Verhalten, das den anderen oder die Umwelt nicht schädigt, vom einzelnen besonders bezahlt werden muss?“ Es geht auf Dauer nicht, dass Verhalten, das Mitmenschen und Umwelt schädigt, indirekt belohnt wird. Hier ist sind gesellschaftliche Regeln, ist Politik gefragt.

 

Wenn sich wirklich etwas ändern soll, dann muss die im Konsum spürbare kritische Masse konkret werden, das heißt, sich öffentlich formiert äußern, eben politisch. Was sollen z. B. die wenigen, zehn- oder fünfzehntausend für den Ökolandbau und Ökolebensmittel engagierten alleine mehr bewegen als bisher? Sie brauchen diese Unterstützung durch bewusste Mitbürger, ob im Hofumfeld, bei Slow Food und ähnlichem, bei Aktionen wie der Demo für eine bessere Landwirtschaft am 19.1. in Berlin, (www.wir-haben-es-satt.de) als Verpächter von Boden oder im Gemeindeparlament. Der Demeter Verband stellte im November in Berlin daher Beteiligungsmodelle an Landwirtschaft vor, auch um Ökoflächen gegen den auch in Deutschland vorhandenen Trend zur Bodenspekulation zu sichern. Der Demeter e.V. will zudem die schon immer im Verband integrierten Verbraucher stärken, wirbt aktuell um Fördermitglieder.

 

Also engagiert euch, beteiligt euch, es muss ja nicht gleich Politik sein, es reicht auch der gemeine Bürgersinn; Hauptsache, wir übernehmen Verantwortung über den Einkauf hinaus. Denn es geht letztlich darum, wirkliche Verbundenheit zu leben, mit den anderen und seien es die auf Samoa, mit der natürlichen Welt, und mit denen, die noch kommen werden.

 

Michael Olbrich-Majer in Info3, Januar 2013, http://www.info3.de