Bio wird nie perfekt sein

Denn es ist keine Norm, sondern eine Bewegung

 

Bio ist immer besser - na, jetzt übertreibt er aber, mag sich manche/r beim Lesen der letzten Rubrik gedacht haben. Als Konsument möchte ich 100% sicher sein. Das ist beim Hühnerskandal nicht so. Doch geht es da um Betrug, nicht um Wirkungen eines Landwirtschaftssystems. Die beengt gehaltenen Hühner bekamen immerhin Biofutter. Betrug kommt überall vor, siehe Pferdefleisch. Bio ist dagegen weder gefeit noch besonders gefährdet.

 

Wenn man etwas vergleicht, muss man das auch auf der gleichen Basis tun, also vom Regelfall ausgehen. Bio ist die einzige Art von Landwirtschaft, die gesetzlich geregelt komplett und jährlich kontrolliert wird, Betrieb und Bücher, von Staats wegen, und das auch noch selbst bezahlt. Und es ist die nachhaltigste Form der Landwirtschaft. Kontrolle kann zwar immer noch intensiver geschehen, aber erstens zahlt dafür keiner mehr beim Einkauf und zweitens macht es keinen Sinn, 23.000 Biobetriebe mit Sonderinspektionen zu traktieren, weil ein paar Dutzend es darauf anlegen, Vorschriften auszureizen. Genauso sinnlos ist es, jeden einzelnen Blumenkohl für hunderte von Euro auf mögliche Pestizide zu analysieren.

 

Dennoch, und darüber müssen wir mal reden: Bio ist nicht perfekt. Es war noch nie heile Welt, Ökolandbau ist ein Versuch, Erde und Natur zu heilen. Dafür rackern die Ökobauern hart und viele müssen trotz Bioboom um ihre Existenz kämpfen, selbst nach fast 90 Jahren biodynamisch oder 22 Jahren Ökogesetzgebung, und das wundert. Abartige Preise machen sogar Öko-Tierhaltung zum Zuschussgeschäft, blödsinnige Doppelsubventionen pushen Energiepflanzen so, dass Biobauern um ihre Pachtflächen fürchten. Auch unser Nachbar verliert gerade bestes Land. Dazu kommt die Arbeitslast, z.B. das Kühemelken, das eine 42-Stundenwoche garantiert, natürlich auch sonntags, und das noch ohne Futterwerben, Stallumbau, Weidezäune nachbessern etc. Beim Demeter-Grundlagenforum im März fiel mehrfach das Wort „Bauernwohl“ in einem mit „Tierwohl“. Zu Demeter gehört nun mal Tierhaltung. Wer da bei der Stange bleibt, meint es in der Regel ernst. In der Presse aber liest man aktuell von Öko-Rückumstellern.

 

Zurück zum Thema: Ökolandbau ist ein Verfahren auf dem Weg, getragen von einer Bewegung, nicht von der Gesetzgebung. Erfunden haben ihn Ökobauern und ihre Verbände, die irgendwann Schutz gegen Trittbrettfahrer brauchten, die mit falschem Bio ihr Geschäft machten. Die gesetzliche Regelung schützt Bauern und Verbraucher. Hier ist er Kern eines Missverständnisses: Bio ist nicht für die Ewigkeit, keine Industrienorm, sondern im Fluss. Landwirtschaft und die Ansprüche an sie ändern sich so dynamisch, dass auch der Ökolandbau sich rasch weiterentwickeln muss. Und das ist einzelbetrieblich wie als Bewegung zu finanzieren. Bei Demeter gibt es z. B. mit jedem Hof Betriebsentwicklungsgespräche. Kontrollen aber haben nichts mit Entwicklung zu tun. Zu dieser ist der Ökolandbau angesichts der heutigen Herausforderungen nur begrenzt allein in der Lage und erhält so gut wie keine Unterstützung von der Gesellschaft, weder über anständige Preise, noch über Forschungsmittel. Bisher leisten das die Öko-Verbände mit ihrem Umfeld, so gut sie können. Die biologisch-dynamische Züchtung z.B. ist fast ausschließlich auf Privatgeld gewachsen.

 

Doch inzwischen verzichtet fast die Hälfte aller Bio-Betriebe auf die Mitgliedschaft in einem Verband. Und die Hälfte der hierzulande gekauften Bio-Lebensmittel kommt aus dem Ausland. Weil es hierzulande - politisch beabsichtigt - nicht genug Biobauern gibt.

 

Warum schreibe ich das? Weil eher Engagement gefragt ist als Angst: die Bio-Bauern, vor allem die in den Verbänden brauchen mehr Freunde und Förderer, vom Alltag bis in die Politik.

 

Michael Olbrich-Majer in Info3, April 2013, http://www.info3.de