Was ist zukunftsfähige Arbeit noch wert?

Der Ökolandbau braucht Wahlunterstützung

 

Auch wenn es sich nicht so anfühlt: Im September ist durchaus ein Votum dafür möglich, welche Gesellschaft wir uns wünschen: Wie rasch wird die Energiewende organisiert? Wird es einen flächendeckenden Mindestlohn geben? Werden Lebensmittel ökologischer, tiergerechter und fairer erzeugt?

 

Auch die letzte Frage hängt mit dem Wert der Arbeit zusammen. Das European Milk Board, eine Art Milchbauerngewerkschaft, belegte mit einer Studie, dass die Erzeugerpreise die Kosten nicht decken: Der Stundenlohn der heimischen Milchbauern liege aktuell bei 7,63 Euro einschließlich der Direktzahlungen durch die EU. Doch geht es hier um Unternehmer, deren Einkommen somit auf dem Niveau des geforderten flächendeckenden Mindestlohns liegt. Nicht viel besser geht es auch vielen Ökobauern, die zwar einige Cent mehr für ihre Milch bekommen, aber deutlich mehr Kosten haben, vom Futter bis zur tiergerechten Haltung.

 

Letztlich ist das eine Folge des Denkens, dass alles fit für den Weltmarkt gemacht werden müsse. Staaten als konkurrierende Unternehmen zu begreifen, ist ein frühneuzeitliches, 500 Jahre altes Konzept - erinnert an Armada, Konquistadoren, Fugger. Der Philosoph Sloterdijk entwirft dagegen ein neues Bild einer Postwachstumsökonomie: Lebenssteigerung statt bloßes Wachstum. Biodynamische Landwirte wollen in einem Aspekt genau das: Das Lebendige steigern. Ob die Verantwortung dafür ihr eigenes Leben steigert – das gelingt dem einen so, dem anderen so. Es steht aber zu befürchten, dass die Rahmenbedingungen dafür sich in der neuen Legislaturperiode drastisch verschlechtern, wenn sich nichts ändert.

 

Natürlich muss Wohlstand erwirtschaftet werden. Aber zum Preis einer in Armut gestürzten Mittelmeerregion? Oder auf Kosten der heimischen bäuerlichen Landwirtschafts- und Ernährungskultur, deren Werte und Tradition vielleicht bald dem Freihandelsabkommen mit den USA zum Opfer fallen? Was ist die Rolle der Landwirtschaft in Zukunft? Fleischexporteur, Rohstoffproduzent und Lieferant für die Erdölersatzchemie samt Energie? Das jedenfalls ist das Bild der aktuellen Regierungsparteien. Schaut man sich aber in der Welt um, zerfallen überall die ländlichen Gebiete: kein Auskommen, keine Menschen, keine Infrastruktur. Auch bei uns. Wie wäre es also mal mit regionaler Wertschöpfung statt globaler Rendite, auch in den Zielen der Politik? Den ländlichen Raum lebenswert halten? Die Regierung tut das Gegenteil.

 

Ob Recht auf Nahrung, Ernährungsbildung, Tierwohl, ökosoziale Marktwirtschaft oder Ökolandbau: Wollen tun das inzwischen alle Parteien, außer der FDP: aber was tun sie konkret? Es gibt Regierungsparteien, die diese Ziele zwar unterschreiben, z. B. auf die Wahlprüfsteine des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft entsprechend antworten (www.boelw.de), aber bisher gezielt alles dahingehende unterlassen haben, wie im Bund. Und es gibt Landesregierungen, die dabei sind, Ernährung und Landwirtschaft wirklich nachhaltiger zu gestalten, sogar das CSU regierte Bayern ist aktiv, anders als die Schwestervolkspartei, die wie der Bauernverband Bio als Mode städtischer Einkaufsmilieus interpretiert.

 

Aber brauchen wir eine Agrarwende überhaupt noch? Ist Bio nicht etabliert? Von wegen: Wer den Trend weg von heimischer Bioware umkehren will, muss Wende wählen. Ebenso, wer mehr Arten in der Landschaft, weniger Pestizide und saubere Gewässer einschließlich Trinkwasser will. Oder wer gute Lebensmittel und den Ökolandbau erhalten will: Geht es nach den Regierungsparteien, wird der nämlich demnächst noch weniger gefördert, weil die Mittel für Agrarumweltprogramme und ländliche Entwicklung um 20 % gekürzt werden sollen, anstelle die Pauschalsubvention für alle Landwirte zu reduzieren. Es gibt also durchaus eine Wahl am 22 September.

(FürÖko-Freunde: Wahlprüfsteine des BÖLW:)

 

Michael Olbrich-Majer in Info3, September 2013, http://www.info3.de