Keine Mehrheiten für Öko

Der Fehler liegt im System

 

Das neue Jahr beginnt mit Weichenstellungen – auch für die Landwirtschaft und die Ernährungsbranche. Doch Vorfreude ist fehl am Platz: eine schwarzrote Bundesregierung wird ohne Öko-Kompetenz Agrarpolitik machen, die EU-Agrarreform wird Ökobauern schmerzen. Auch im internationalen Zusammenhang geht aktuell Egoismus vor gemeinsamer Problemlösung, ob das gescheiterte Welthandelsabkommen, das nun bilateralen Deals wie z. B. zwischen USA und Europa den Weg frei macht, oder die schlappen Klimaverhandlungen.

 

Egal wie – und egal, auf welcher Politikebene, Umweltthemen gehen zurzeit gar nicht! Warum ist das so? Weil die, die entscheiden, nicht betroffen sind? Wir leben im komfortablen Mitteleuropa, weit weg von Taifunen, Dürren oder steigendem Meeresspiegel, und ökonomisch läuft´s auch. Wer EU-Agrarpolitik macht, hat in der Regel keinen Hof mehr. Und die meisten, die politisch verhandeln, leben gut bezahlt in sicheren Städten. Ein zukunftsweisender Zwischenruf immerhin kam im Herbst von der UNCTAD, der Handelsorganisation der UN: Im Tenor „Aufwachen, bevor es zu spät ist“, plädierte ihr Bericht für eine Stärkung der Kleinbauern, auch aus Gründen der Effizienz. Plantagenwirtschaft habe ausgedient. Der Kern des Stillstands liegt für mich auch darin, dass Staaten als Unternehmen gedacht werden, die auf dem Weltmarkt konkurrieren: Umweltschutz und Investitionen in die Zukunft der Kinder zeitigen keine Sofortrendite. Denn was die Quartalsbilanz den Unternehmen, ist den Politikern der stete Wahlkampf: eine selbstverordnete Brille der Kurzsichtigkeit. Steiners vorausschauende Kritik ökonomischen Dominanz in der Politik von 1919 lässt grüßen.

 

Wenn diese Kolumne hier erscheint, hat die SPD ihren Vorsitzenden längst zurück in den Harz oder als Vize ins Kanzleramt geschickt, vielleicht wurden sogar Neuwahlen angesetzt.

 

Wie dem auch sei: Liest man den Koalitionsvertrag als den politischen Ausdruck dessen, was die Mehrheit der Deutschen wollte, so wird auch hier klar: bei Umwelt- oder Agrarthemen sieht keiner Handlungsbedarf, trotz dümpelnder Energiewende oder Pferdefleisch in der Lasagne. Konkret verbergen sich zwischen „weiter-so“-Formulierungen Zumutungen für Umweltverbände und Ökobauern: Gentechnik wird nicht ausgeschlossen, Mittel für ländliche Entwicklung nicht aufgestockt, obwohl die Bundesländer sich hier bereits einig waren, Stillstand und Schrumpfung werden mit „verstetigt“ umschrieben, so bei der Förderung des Ökolandbaus, während nachwachsende Rohstoffe, regionale Produkte, Kreislaufwirtschaft und Ressourceneffizienz „erweitert“ oder „ausgebaut“ werden sollen, immerhin auch Tierwohl. Der Trend zur industriellen Landwirtschaft wird also allenfalls kaschiert.

 

Ebenso auf EU-Ebene: Wollte der zuständige Agrarkommissar noch ein echtes Ergrünen der Landwirtschaft, so ist daraus nur ein kleiner Schritt geworden, dem jetzt beim Umsetzen in die entsprechenden Verordnungen noch droht, in sein Gegenteil verkehrt zu werden: so dürfen ökologische Vorrangflächen mit Pestiziden behandelt werden und Ökobauern soll die Förderung gekürzt werden weil sie nur zu beiden Säulen der Agrarförderung etwas beitragen und Prämien beziehen: sie könnten zum Verlierer der Reform werden

 

Wer sich über all das ärgert: Die Demo „ Wir haben Agrarindustrie satt“ findet auch in diesem Jahr parallel zur Internationalen Grünen Woche in Berlin statt, am 18. Januar, ab 11 Uhr: http://www.wir-haben-es-satt.de

 

Michael Olbrich-Majer in Info3, Januar 2014, http://www.info3.de