Biodynamisch denken

Wie 90 Jahre andere Landwirtschaftspraxis Gesellschaft beeinflussen

 

Ökooo- …, Öko – No! … Ökono - Mie! So kommt der Darmstädter Kabarettist Peter Hoffmann in seinem DaDa – Vortrag zur Wirtschaft zum Punkt. Er verkündet unterhaltsam eine Wahrheit unserer Zeit: Statt um Werte geht es in den postindustriellen Gesellschaften allein um Wert. Und gar nicht mehr um den einer Sache, sondern allein um den des Geldes. Vor drei, vier Jahren diskutierte die Ökolandbauszene unter dem Stichwort Konventionalisierung, ob ihre Werte unter dem ökonomischen Erfolg leiden. Denn Billig-Bio heißt trotz EU-Standard in der Regel Abstriche an den Zielen, für die Biobauern einst angetreten sind: eine bessere Beziehung zu Boden, Pflanze und Tier, und dafür Betriebsweisen entwickeln, wofür man sich zusammentun muss, z. B. in Verbänden oder mit Forschern. Aktuell stehen die Bauern trotz hoher Produktivität unter Preisdruck, für allgemeine Aufgaben bleibt da kaum Raum.

 

In diesem Jahr feiert die biodynamische Bewegung, dass Rudolf Steiner vor 90 Jahren einen Kursus für Landwirte gehalten hat. Diese hatten ihn aus Sorge dazu gedrängt; ums Geschäft ging es da nicht, auch nicht um die Etablierung eines Bio-Labels, ökologisch war ohnehin noch der Großteil der Landwirtschaft. „Geisteswissenschaftliche Grundlagen zum Gedeihen der Landwirtschaft“, so der der ausgreifende Titel der Druckausgabe, der auf die spirituellen Wurzeln dieses Landwirtschaftsbegriffs Bezug nimmt. Und es ist letztlich erstaunlich, dass sich bis heute diese Werte als Motiv in einer pseudoökonomisch gesteuerten Gesellschaft durchgesetzt haben und Eckpfeiler einer jahrezehntelangen kontinuierlichen Entwicklung waren. Das, bzw. die Menschen, die das durchgetragen haben, durch Weltwirtschaftskrise gleich in den 1920ern, Neuanfang nach dem Weltkrieg oder gegen die radikale Ablehnung der sich modern fühlenden Agrarwissenschaften und Fachwelt, sind wirklich Gründe zum Feiern. Und es ist anspornend.

 

Denn zwar wurde vieles erreicht, aber ökologisch wird im Weltmaßstab doch erst ca. ein Prozent der Fläche bewirtschaftet. Einerseits hat Demeter schon früh gezeigt, dass der Ökolandbau lebt, dass Öko funktioniert. Dass man Natur sehr anders verstehen kann als nur in isolierten Ausschnitten. Dass man die Erde als Lebewesen begreifen kann. Dass es nicht nur den Gegensatz Mensch –Natur gibt, sondern auch Natur, die wir selbst sind. Bei Steiner heißt das im Bezug auf die Landwirtschaft: Organismusprinzip – der Mensch wird zur Grundlage gemacht. Hieraus erschließt sich ein Verhältnis zur Landnutzung jenseits von Profit. Und in der Tat geht es bei Biodynamisch zuerst um Agrarkultur, nicht um Produktion: von der Landwirtschaft als Lebensform, wie es Demeter-Gärtner Christian Hiß feststellt, bis zum Bauern als Experten in einem erfahrungswissenschaftlichen Ansatz, den der Forscher Ton Baars beschreibt.

 

Doch – nichts ist sicher vor dem Zahn der Zeit. Das zeigt aktuell der Entwurf der EU- Kommission zu den Ökolandbauregeln. War es ausgehend von den Demeter-Richtlinien gelungen, einen nachhaltigen Produktionsprozess und nicht Produkteigenschaften zur Zertifizierungsgrundlage zu machen, will die EU das nun umdrehen, z.B. Höchstgehalte an Pestiziden zum Maßstab für Bio machen. Hier wie anderswo muss das Erreichte gemeinsam mit Partnern abgesichert werden: das betrifft Erzeugerpreise und Erzeugungsstrukturen, das betrifft Produktivität und Innovationskraft des Ökolandbaus, das betrifft die soziale Vernetzung der Höfe – auch wenn da schon viele Demeter-Betriebe mustergültig sind und es betrifft das Wohl der Nutztiere: denn auch hier hat immer wieder allein die Ökonomie Vorrang vor deren Wohlergehen – ein Armutszeugnis für eine sich zivilisiert fühlende Gesellschaft, wie Demeter-Vorstand Alexander Gerber kritisiert.

 

Michael Olbrich-Majer in Info3, Mai 2014, http://www.info3.de