Bio-Forscher und Bio-Bauern: im Tandem erfolgreich

Der wissenschaftliche Blick begleitet die biodynamischen Bauern seit 90 Jahren

 

Wenn man nach den Wurzeln des Ökolandbaus fragt, kommt man an Koberwitz 1924 nicht vorbei. Dort wurde mit dem „landwirtschaftlichen Versuchsring der anthroposophischen Gesellschaft“ die erste gemeinschaftliche Organisation und Forschungsinstanz der Ökolandbaubewegung gegründet. Rudolf Steiners Kurs für Landwirte war der Anlass; es gab zu viel auszuprobieren, zu viel Unverstandenes. Das Ganze wurde letztlich eine Erfolgsgeschichte, angefangen vom Mustergut auf ärmstem Sand, Marienhöhe, über die ersten Betriebsvergleiche konventionell-biodynamisch in den dreißiger Jahren bis zur Gründung einer eigenen Forschungsstätte in Darmstadt 1950, die „bio“ in Deutschland bereit für den wissenschaftlichen Dialog machte. Auch das 1971 von Demeter- und Biobauern mit gegründete Schweizer Forschungsinstitut FiBL war hier wichtig.

 

Denn: hätten die Biobauern auf den wissenschaftlichen Mainstream gewartet – es gäbe heute noch keinen Ökologischen Landbau in Deutschland. Sie wurden so auch zu Bewahrern des Bodenwissens, wie der Umwelthistoriker Frank Uekötter in seiner Geschichte des Agrarwissens schreibt. Weder das traditionelle Wissen vom guten Boden noch die Resultate der seit 1900 entstehenden Bodenforschung interessierten die Agrarwissenschaften sonderlich: Forschungsthemen setzte die Agrarchemie und die Entwicklungsrichtung gab die Ökonomie vor. Vor deren Dominanz hatte Steiner übrigens gleich zum Auftakt seines Kurses gewarnt: Die (landwirtschaftlichen) Dinge müssten aus der Sache heraus, nicht aus irgendwelchen theoretischen Erwägungen heraus gestaltet werden. Offenbar brauchte es im Land der IG Farben den außeruniversitären Impuls. Inzwischen ist die Agrarwissenschaft etwas weiter, an ihren Rändern entwickeln sich spannende Forschungsfelder.

 

Der richtige Zeitpunkt, um zu fragen, wo die Forschung zur biologisch-dynamischen Landbaurichtung steht. Die ist im Konzert der Ökolandbauforschung rar gesät, weitgehend auf universitätsunabhängige Forscher gestellt und fast ausschließlich privat finanziert. Das kostet Dynamik. Dennoch war erstaunlich, bewundernswert und durchaus zukunftsträchtig, was die Forscherinnen und Forscher im Rahmen der wissenschaftlichen Tagung präsentierten, die Forschungsring und Demeter zum 90jährigen Jubiläum Pfingsten in Bonn abhielten. Zum einen spiegeln sich da aktuelle gesellschaftliche Fragen wie nach dem Zusammenhang zwischen Lebensmittelqualität und Gesundheit: Machtheld Huber konnte unterschiedliche Immunreaktionen auf bio- bzw. konventionelles Futter belegen, Ton Baars den gesundheitsprophylaktischen Effekt von Rohmilch. Oder Tierwohl: hier gab es ein Praxisbeispiel muttergebundener Kälberaufzucht von Mechthild Knösel. Zum zweiten sind biodynamische Konzepte wie eigene Züchtung oder Präparate erfolgversprechende Werkzeuge für Ökobauern. Und zum dritten sind aus dem Biodynamischen heraus entwickelte Forschungsmethoden, die neueste heißt Wirksensorik, adäquate Antworten auf knifflige Forschungsfragen – hier z. B. zur Wirkung von Lebensmitteln auf Leib und Seele. Und auch die zugrunde liegende Ideen einer neuen, evolutiven Agrarkultur – so ein Beitrag von Nikolai Fuchs - münden in umfassenderen Sichtweisen auf Mensch und Natur, wie sie der Philosoph Gernot Böhme mit dem Begriff des Atmosphärischen fasste.

 

Diese bereichernde Vielfalt an Fragen und Ansätzen gälte es nun auch zu verknüpfen mit einer modernste Mittel nutzenden Wissenschaft zu Wurzelintelligenz, zu Stoffwechsel und Steuerung des Bodenlebens, zu Agroforstsystemen, resilienter Agrarkultur oder dem lokalen Beitrag sozialer Landwirtschaften. Nicht nur dafür braucht es mehr Forscher und Forschungsmittel. Denn klar ist: biodynamische Forschung nutzt der ganzen Landwirtschaft, wenn man wie Prof. Ulrich Köpke in Bonn formulierte, Perpetuity, Dauerfähigkeit, zum Maßstab macht.

 

Michael Olbrich-Majer in Info3, September 2014, http://www.info3.de