Das Theater der Elemente

Der Geist, die Stoffe und ihre Qualitäten – ein Exkurs in lebendiger Chemie

 

Auftritt Stickstoff, empfindend: Er schleppt den Äther, der lebendig macht, dahin, wo der Kohlenstoff geistige Markierungen platziert hat. Abgang Wasserstoff, Chaos verbreitend, Auflösung, Bühnenbild Weltenall. Wie kommt die Gestalt in die Pflanze? Was macht sie nahrhaft? Was im Detail passiert im Boden? Darum geht es in diesem Stück, Steiners drittem Vortrag für Landwirte.

 

Im vorherigen ging es um das große Ganze und seine Gliederungen. Eine Landwirtschaft wurde als „Art Individualität“ betrachtet: Ein solcher Organismus umfasst Ebenen wie drei funktionale Systeme der Physis, solche, die das Lebendige erhalten in vier Äther-Qualitäten, sieben ordnende Lebensprozesse bzw. seelisch-astralische Kräfte symbolisiert durch die Planeten, und das Eigensein, das eigentlich Geistige als Sternenimpuls. Alles mit seinen physischen Entsprechungen. Im dritten Vortrag nun geht Steiner auf den Mikrokosmos in molekularer Vergrößerung ein: die Bestandteile des Eiweißes, der Schlüsselsubstanz des Lebens, also Kohlenstoff, Stickstoff, Sauerstoff, Wasserstoff, Schwefel. Denn die Kräfte der Erde, so Steiner, wirken durch die Stoffe der Erde. Das Geistige, Regisseur des Lebens, bedient sich ihrer. Kein Geist ohne Stoff. Und umgekehrt.

 

Folglich werden die fünf Elemente wie Charaktere beschrieben, die auf ihre eigene Weise ihren Beitrag zur Schaffung von Lebendigem geben: der Kohlenstoff als Plastiker und Übermittler der geistigen Urbilder, des Typischen der jeweiligen Lebewesen. Der Schwefel, der ihm dazu Flexibilität verleiht. Der Sauerstoff, der das Ganze lebendig erhält. Der Stickstoff, der Sauerstoff und Kohlenstoff verknüpft, durch Empfindung geleitet. Und da zum Leben auch das Vergehen gehört“ so Steiner, und zwar in den Kosmos hinein, sinnbildlich fürs Unbestimmt-Chaotische, widmet sich dieser Aufgabe der Wasserstoff.

 

Bei diesem Theaterstück tauchen weitere Themen auf, beispielsweise lebendige und tote Stoffe. Wie ist das gemeint? Nun, der wesentliche Anteil unserer Luft ist Stickstoff, chemisch stabil mit sich selbst verbunden, reaktionsträge, tot. In der Erde aber ist er lebendig, so Steiner und wird zum Träger des Gespürs der Pflanze, ja des Bodens, in Bezug auf Wassergehalt oder am Standort wachsende Arten.

 

Was machen Landwirte mit solchen Angaben? Wichtig ist, zu verstehen, dass es ein Unterschied ist, ob ein Stoff in einem lebendigen Zusammenhang steht oder nicht. Zum Beispiel der Stickstoff; synthetisch-mineralisch oder organisch und darüber hinaus belebt? Für die Pflanze ist das relevant: sie hat nur Physis und Lebensleib, das Astralisch-Seelische umgibt sie: Sie würde nicht blühen, wenn dieses sie nicht berührte und natürlich auch nicht fruchten. In der Ernährung bestimmt die Qualität des Stickstoffs, ob wir als Menschen auch seelisch-geistige Anregung durch die Nahrung erfahren. Es gibt Hinweise, dass organische, biodynamische Düngung reifere Stickstoffverbindungen in den Pflanzen bewirkt – die Folgen für Sättigung und Verdaulichkeit wären noch zu untersuchen.

 

Der Stempel des Kosmos im Samenchaos der Zellteilung, das Zusammenwirken von Kiesel, Kalk und Ton im Boden, die Pflanzenarten als Organe des irdischen Vegetation und die Leguminosen als Freunde des Stickstoffs und der Winterkräfte – überall dreht es sich auch um den Stickstoff. Und dann empfiehlt Steiner, den Landwirten, zu meditieren, die „Offenbarungen des Stickstoffs“ zu erleben. Wer das Frühjahr mit seinen hundert Schattierungen des Grüns bewusst erlebt, weiß, was gemeint ist.

 

Michael Olbrich-Majer in Info3, Juni 2015, http://www.info3.de