Düngen heißt, die Erde beleben

Steiners Anweisung für die landwirtschaftliche Praxis

 

Lebendiger Boden - ist doch selbstverständlich, sollte man meinen. Von wegen: Die immer noch von der Agrikulturchemie dominierte Landwirtschaft düngt weiter Pflanzen, wie im Reagenzglas, Erde braucht es dazu nicht, höchstens, damit das, was wächst, nicht umfällt. Vor hundert Jahren kamen diese Theorien gerade erst bei den Bauern an - Steiner hielt dagegen. Denn Pflanzen sind eigentlich untrennbar mit dem Boden verbunden: Ihre Feinwurzeln sind von Mykorrhiza umhüllt – einer pilzlichen Ummantelung, die der intensiveren Verbindung mit den Erdpartikeln dient. Durch einen Kubikzentimeter fruchtbaren Boden können 100 Meter Pilzfäden ziehen – das „Internet“ der Pflanzen. Damit das läuft, und zum Erschließen von Nährstoffen, füttert z. B. Getreide über seine Wurzeln Bodenlebewesen mit erheblichen Stoffmengen - in Relation bis zwei Fünftel seiner oberirischen Masse, schickt Grüße von der Sonne in den Boden. Es sollte also kein Zweifel bestehen, dass es darum geht, den Boden lebendig zu machen, wenn wir gesunde, nahrhafte Pflanzen haben wollen, die uns auch Regsamkeit vermitteln. Das gängige Modell der Nährstoffinfusion ist da nicht tauglich. Auch ist es im Feldmaßstab ineffizient hinsichtlich Stickstoff und Energie, wie jüngste Untersuchungen wieder zeigen.

 

Steiner wird nach seinen drei ersten Vorträgen zu den Bedingungen der Landwirtschaft, die er in die Polarität Erde-Kosmos eingebettet sieht, als individueller Organismus funktionierend, von lebendigen Stoffen gestaltet, hier im vierten Vortrag konkret. Endlich, mag der Praktiker denken. Jetzt gibt Steiner auch handfeste Mittel und Erläuterungen: Kompost muss zur Entwicklung seiner inneren Prozesse aufgehäuft werden; Kuhmist bzw. Kieselmehl werden in Kuhhörnern vergraben, so gereift in Wasser gerührt und damit Boden bzw. Pflanzen gespritzt. Zahlreiche Details – Größe der Hörner, Mengen, Rührvorgang, etc. klärt er in der anschließenden Fragestunde.

 

Steiner erläutert im Vortrag auch sein Verständnis von Ernährung: Das meiste, was wir essen, sei nicht zur Substanzbildung da, sondern dazu, den Körper in Regsamkeit zu versetzen durch die Kräfte, die die Lebensmittel abgeben. Die Stoffe nähmen wir durch Haut und Atmung auf. Hier ergibt sich eine Brücke zur Düngung: denn die soll, unterstützt durch Kompost und Präparate, auch den Boden anregen. Das Unorganische des Bodens müsse überwunden werden. Und das geschieht eben gründlicher, wenn das die Pflanze mit ihren Lebenskräften nicht allein tun muss, durch Wurzelausscheidungen oder Zersetzung, sondern daneben ordnende, in ihrer Art wie seelische Kräfte z. B. in Form guten Komposts hinzukommen. Und auf einer noch höheren, der geistigen Ebene, leisten die beiden auszuspritzenden Hornpräparate ihren Dienst. Der Mensch wird zur Grundlage gemacht, sagt Steiner am Ende dieses Vortrages und meint damit die Kräfteordnung des landwirtschaftlichen Organismus. Diese handzuhaben, erfordere ein persönliches Verhältnis zu dieser Art von Düngung, meditativ kommunizierend.

 

Wie kommt nun Steiner ausgerechnet auf Hörner? Deren Wirkung erklärt er mit dem Vergleich zum Geweih des Hirsches. Wirkt dieses eher wie Antennen, die Aufmerksamkeit des scheuen Wildes verstärkend, so schließen Hörner und Hornsubstanz die Kuh seelisch ab: Der Hirsch lebt in seiner Umgebung, die Kuh in ihrer Verdauung. Jetzt im Sommer ist das Horn mit Quarzmehl vergraben, über Winter sammelt das mit Mist gefüllte Horn die Kräfte der Erde. Welche Effekte diese Präparate haben, weist eine Reihe Untersuchungen nach – wissenschaftlich klar ist jedenfalls: biodynamisch ist prinzipiell das Beste für den Boden.

 

Michael Olbrich-Majer in Info3, Juli 2015, http://www.info3.de