Portrait

Zum Schütteln und Rühren

Mit Oloidtechnik Wasser und Abwasser aufbereiten

von Michael Olbrich-Majer

 

Diese Bewegung fasziniert sofort: unmittelbar möchte der Betrachter sie nachvollziehen, doch es dreht, eiert, schlägt Haken, wirkt dennoch harmonisch, bremst, beschleunigt, malt eine Acht in den Raum. Unter Wasser verhält sich der angetriebene Oloidkörper wie ein Wesen zwischen Fisch und Hase. Das glatte Designobjekt aus Metall mit seiner besonderen Dynamik aus Geometrie und Lebendigkeit bewegt sowohl die Flüssigkeit wie den Verstand. Das gilt auch für den ruhenden Zustand, wo die Rundungen und versetzten Kanten neugierig machen.

 

Neugierig macht auch, wer es einsetzt und wozu. Der Biogärtner Natterer, einer der größten Jungpflanzenerzeuger auch für Demeter, hält damit seinen Bewässerungsteich algenfrei, damit die Düsen nicht verstopfen. Ein Forellenbetrieb in Österreich mischt so kaltes Unter- und warmes Oberflächenwasser seiner Fischteiche. Der Reinigungsmittelhersteller Sonett, der eng mit einer Camp­hill-Ein­rich­tung zusammenarbeitet und Wert auf den Schutz des Wassers legt, vermischt die Zutaten zu seinen Reinigungsmittel mittels Oiloidtechnik. Und in dieser Zeitschrift berichtete vor Jahren der Demeter-Hof Brodowin vom Einsatz des Oloids als Belüftungsrührer zur Aufbereitung von Jauche und Käsereiabwasser (Christoph Willer in LE 2-2005).

Wie wirkt der Oloidrührer?

Das Oloid erzeugt nach vorne Wellen, ungefähr in 60 Grad Winkelbreite, im gleichen Winkel auch nach unten. Zugleich entsteht ein Vortrieb, der 150 Meter weit reicht, sowie ein Sog, der bis 5 Meter Tiefe Teilchen aufwirbelt und in einer Wasserwalze nach oben zieht. Mittels dieser direkten Wirkungen entsteht in geschlossenen Becken und kleineren Teichen ein gründlicher Mischeffekt. Zwei Arten von Wirbelimpulsen also, die durch die Bewegung im rhythmischen Wechsel, links, rechts, an Flüssigkeiten abgegeben werden plus den Beschleunigungswechsel, der für einen sich regelmäßig umkehrenden Sog sorgt.

 

Wie kommt man nun davon zu Anwendungen? Diese Frage stellte sich Tobias Langscheid, Gründungsgesellschafter und Gesicht der Inversions-Technik GmbH vor vier Jahren. Sein Großvater, der Bildhauer und Techniker Paul Schatz, hatte plastisch und geometrisch neue Formen von Körpern und Bewegungen aus der Zerlegung bzw. der von ihm so genannten „Umstülpung“ des Würfels abgeleitet. Daraus hatte er dann Apparaturen und Geräte entwickelt, zunächst zum Mischen von Feststoffen und Flüssigkeiten innerhalb des Körpers, z. B. in der Herstellung von Medikamenten oder von Lebensmitteln. Die wurden patentiert und werden heute als Inversina oder Turbula von zwei Schweizer Firmen vertrieben. In den 1930er Jahren hatte Paul Schatz mit dem Oloid zunächst einen Schiffsantrieb entwickelt, der zweite Weltkrieg verhinderte die Weiterentwicklung. Erst 1969 publizierte und patentierte Schatz die Oloid-Technik und begann, dessen Wirkungen auf das Wasser zu erforschen. Kurz vor seinem Tod 1979 nutzte Paul Schatz den Oloid erstmals auch zum Bewegen nicht nur von sondern in Flüssigkeiten. Die mit den aufkommenden Umweltthemen akute Frage der Gewässersanierung hatte ihn dazu gebracht, den Oloid noch anders einzusetzen.

Ein wissenschaftliches Fundstück als Erbe

Heute verwaltet die Paul-Schatz-Stiftung in Basel das Erbe des Entdeckers. Deren Stiftungsrat, bestehend aus Tobias Langscheid, Vera Koppehel und Haiggi Baumgartner arbeitet auf ein Paul-Schatz- Laboratorium hin, das Kunst, Wissenschaft und Pädagogisches verbindet. Zugleich versucht er mit gemeinnützigen und kommerziellen Partnern die Ideen des Entdeckers weiter zu entwickeln, im Rahmen der Inversions-Technik GmbH. Damit diese unter die Menschen kommen, begreifbar werden, vertreibt er mit der Kuboid GmbH handliche Muster des Oloids, Literatur sowie Anfassbares zu den geometrischen Grundlagen: ein Modell des umstülpbaren Würfels etwa oder davon abgeleitete Sternenwürfel, sowie die platonischen Körper. In Deutschland werden die Ideen Schatz´s von der Paul Schatz Gesellschaft erhalten und die Materialien, zu denen auch ein Bastelbogen gehört, vom Ursprung Handelsverbund vertrieben. Natürlich gibt es in Basel auch ein Archiv sowie eine Reihe von Publikationen und eine Website.

 

Nicht ganz einfach gestaltet sich die Fortführung und Weiterentwicklung. Langscheid ist kein Techniker, sondern hat Ausbildungen als Gärtner und Musiker, war Waldorflehrer und fünf Jahre im Vertrieb eines Turbinenherstellers tätig. Anspruchsvoll aber ist seine selbstgestellte Aufgabe vor allem deshalb, weil die hy­drodynamisch berechenbaren Grundlagen der Oloid-Strömung bis heute fehlt. Hier besteht Forschungsbedarf. Beim Wiedereinstieg in das geistige Erbe von Paul Schatz vor ein paar Jahren fing Langscheid hier quasi bei Null an. Die hydraulischen Grundlagen will er durch ein Forschungsprojekt mit der Hochschule Rapperswil klären lassen. Auch zu den bewirkten Effekten ist die Datenlage anfänglich, wissenschaftlich anerkannte Untersuchungen fehlen. Das ist umso wichtiger, als die Einsatzgebiete auch öffentliche Gewässer oder Kläranlagen sind, wo die Verantwortlichen sich vorher absichern wollen, und der Oloid sich zum einen in der Bewegung von üblichen rotierenden Geräten zur Belüftung bzw. Durchmischung deutlich unterscheidet, zum anderen deutlich weniger Energie benötig, was Fragen an die Leistungsfähigkeit aufwirft. Auch daher ist für Langscheid Grundlagenforschung erforderlich, beginnend bei der mathematischen Durchdringung der Bewegungsmusters aber auch zur Rhythmusforschung allgemein. Hergestellt werden die Rührer von der der Alfred-Rexroth GmbH am Standort Berlin. Die Vertriebsgesellschaft, die Inversions-Technik GmbH, gehört zur Neuguss GmbH, der auch Firmen wie Stockmar, Mercurius sowie ein biodynamisch geführ­ter Betrieb gehören.

Paul Schatz: Entdecker mit künstlerischem Verstand

Paul Schatz wurde 1898 als Sohn eines Maschinenfabrikanten am Bodensee geboren und war schon als Schüler technisch und naturwissenschaftlich begabt. Sein Studium der Mathematik, Technik und Philosophie aber brach er ab und wurde Holzbildhauer, lebte ab 1927 in Dornach. Inspiriert durch die Anthroposophie und sein Kunstschaffen, arbeitete er an einer neuen, natur- und menschengemäßen Technik. Über Rudolf Steiners Anregung zum Denken in fließenden Begriffen und das Phänomen der Metamorphose fand er, in seinen Worten mittels „formfühlendes Gewahrwerdens“, 1929 das Oloid. Ausgehend von Würfelsymmetrien und der daraus abgeleiteten Aufteilung und Umstülpung des Würfels ergaben sich neue Formen, aus deren Rhythmik neuartige Bewegungsimpulse: statt verlagernd oder rotierend taumelnde Achterschleifen, gegenläufiges Kreisen, Pulsieren. Schatz bezeichnete dies als Inversion, als dritte physikalische Bewegungsqualität.

 

Bereits 1937 testete er das Oloid als Schiffsantrieb, 1933 ließ er es als Taumelbewegungen erzeugenden Innenmischer (Turbula) in der Schweiz patentieren. Heute erfolgt der Einsatz vor allem als eine Art Mischmaschine für höchste Ansprüche. Doch hat der Begriff „Umstülpung“ in anthroposophischen Kulturkreisen eine semantische Erweiterung auf die Vorstellungswelt überhaupt erhalten. Sich dadurch – meist ganz praktisch am Modell – verborgenen Raumesqualitäten zu nähern, weitet tatsächlich die Vorstellungskraft und wirft die Frage nach der Grenze bzw. dem Bezug zum Lebendigen auf. Ernst Marti beschrieb die das Physische ordnenden ätherischen Kräfte als Wirkungen des Umraumes zu einem Punkt. (E. Marti: Das Ätherische. Dornach 1989). So lässt sich eine Brücke zur Kinematik des Oloids schlagen, der sowohl einen Innenraum birgt, als auch einen Umkreis bildet. Schatz selbst spricht von Levitationsenergetik. Auch hierzu täte weitere Forschung not.

Einsatzgebiete und Erfahrungen

Was kann der Einsatz eines Oloidrührers bewirken? Eine Diplomarbeit an der FH Bingen fand beim Einsatz eines 40 cm Rührerkörpers mit 250 Watt in einem Pfälzer Forellenzuchtbetrieb eine positive Veränderung von pH-Wert und Sauerstoffgehalt sowie eine Durchmischung der Temperaturschichten durch stete Bewegung. Im österreichischen Sitzenberg-Reidling nutzt eine Karpfenzuchtanlage seit 2006 mehrere Oloide zur Teichbelüftung und zur Reduktion der Ammonium- und Nitritkonzentration bzw. der Algen. Im Winter halten die Oloide die Teiche eisfrei – also belüftet. In der Gesamtwirkung sei eine bessere Fischgesundheit festzustellen.

 

Christoph Willer erprobte im Ökodorf Brodowin zwei Oloidrührer in Becken mit Jauche und Abwasser der Hofmolkerei zur Belüftung, verglich den Ausganszustand mit der Entwicklung. Die behandelte Jauche war pflanzenverträglicher, der BSB5-Wert – biologischer Schaustoffbedarf binnen 5 Tagen, ein Maß für die Verschmutzungsintensität, sank deutlich. Zur Stabilisierung wurde Kalk zugegeben. Raimund Remer fand bei einem Praxisversuch mit Einsatz des Oloidrühres 1997 bei der Jauche des Bauckhofes leicht positive Effekte. Einen solar betriebenen Oloid 400 (40 cm, 200 Watt) teste­te die Eidgenössische Forschungsanstalt für Agrarwirtschaft und Landtechnik im schweizerischen Tänikon erfolgreich zur Umwälzung und Homogenisierung von Gülle. Beim Jungpflanzengärtner Natterer sind zwei Oloide seit zwölf Jahren im Einsatz: Er sieht den positiven Effekt an den Pflanzen. Bei Demeter-Gärtner Georg Willmann läuft ein Rührer seit April 2015 im Bewässerungsteich. Parameter werden nicht erhoben, aber optisch sei das Wasser stabiler gewesen, so seine Auskunft.

 

Wer ein Gerät bestellt, braucht auch eine Beratung. Denn weder gibt es genormte Teiche, noch ist der Zweck immer gleich. Größe und Position ggf. auch Einsatztiefe des Oloidrühres müssen also angepasst werden, um den gewünschten Effekt zu haben, Kunde und Lieferant müssen sich in der Phase der Optimierung eine Weile abstimmen. Denn die rhyrthmische Bewegung erzeugt Resonanzen, die müssen stimmen. Ungefähr 1000 Geräte sind im Einsatz, für Golfplätze, Baumschulen, Teichkläranlagen oder Seewasseraquarien im Zoo. Das Rührgerät ist meist an einem Schwimmer angebracht und das Oloid ganz ins Wasser getaucht. Drei Größen gibt es, 20, 40 und 60 cm mit entsprechenden Antrieben von 50, 250 und 800 Watt für Gewässer von 1000, 15.000 oder bis 50.000 Kubikmeter. Vom Geschäft mit Kläranlagen hat sich Langscheid erstmal verabschiedet. Zwar mischen, belüften, denitrifizieren die Oloidmischer, unterstützen die konventionelle Belüftung und halten Absetzbecken frisch, doch sind Klärwerksmeister tendenziell konservativ bei neuer Technik.

Das Potenzial des Oloids

Für die Oloid-Rührtechnik gibt es aktuell noch weitere Einsatzgebiete, z. B. zur Behandlung von Deponiesickerwasser. Langscheid bringt im Frühjahr einen Handmischer namens „Rhythmixx“ für den Hausgebrauch auf den Markt, der auch als Barshaker taugen dürfte. Er ahmt die oloidale Bewegung nach. Erste Versuche zur Nachbehandlung von Milch bzw. als Alternative zur Homogenisierung und zur Behandlung von Trinkwasser zeigen mögliche Anwendungsgebiete im Lebensmittelbereich. Auch zur Saatgutbehandlung wären Geräte der Inversionstechnik geeignet.

 

Die Formenwelt rund um den Oloid ermöglicht aber noch ganz andere Anwendungsgebiete. Designer bauten eine in Form und Licht variable Deckenlampe aus dem Würfelgürtel. Die Firma Festo, bekannt für neue Antriebs und Automationstechnik, lässt demonstrativ einen Leichtbau-Würfelgürtel in ihrem Foyer schweben, der sich mit Mikroantrieb ohne Totpunkt umstülpt und nennt das „smartinversion“. Und im Elsaß steht ein bioklimatisches Passivhaus namens Heliodome, das – aus der Oloidform entwickelt – im Winter Sonnenenergie aufnimmt und im Sommer schattig bleibt. Architektonische Nutzungen hat bereits Paul Schatz in Modellen angelegt, z. B. kuppelförmige Formen, die als Konzertraum dienen könnten. Beschrieben sind sie in einem Buch mit dem treffenden Titel: organisch-dynamisches Raumbewusstsein.

 

In Duisburg kommt jetzt der Oloid als Schiffsantrieb zu Ehren, mit dem alles anfing: zunächst in einer Ausstellung und als kleiner Prototyp für ein Boot. Was mit der Entdeckung von Paul Schatz möglich werden kann, wird sich aber nur mit mehr Forschung und Entwicklungsförderung zeigen. Die praktischen Einsatzgebiete zeigen, dass es sich lohnt, da dran zu bleiben.

Oloidales

  • Paul Schatz entdeckte 1929 die sogenannte Möglichkeit der Umstülpung des Würfels – die geometrische Grundlage des Oloidkörpers und der darauf aufbauenden Technik.

  • Ein Oloid kann definiert werden als die konvexe Hülle zweier gleichgroßer Kreise, die bis an die Mittelpunkte senkrecht ineinander geschoben sind. Der Abstand der Kreismittelpunkte ist dabei gleich ihrem Radius.

  • Die Inversionstechnik GmbH Basel ist Nachfolger der von Paul Schatz 1974 gegründeten Oloid AG und verfolgt seit ihrer Gründung 2012 die Entwicklung und den Vertrieb von Oloidrührtechnik.

  • Die Schweizerische Paul Schatz Stiftung hat sich zur Aufgabe gemacht, den Nachlass von Paul Schatz zu bewahren und seine Ideen fortzuführen, zusammen mit der deutschen Paul Schatz Gesellschaft e.V. in Stuttgart.

  • Oloidrührer: vertreibt die Inversions-Technik GmbH in Basel.

  • Turbula – Schüttelmischer auf Oloidbasis: Willy A. Bachofen AG, CH-8610 Uster; http://www.wab.ch

  • Inversina – Pulvermischer auf Oloidbasis: Bioengineering CH-8636 Wald; http://www.bioengineering.ch

  • Kuboid GmbH: Vertrieb von Literatur und Modellen etc, in Deutschland: Ursprung Handelsverbund.de, http://www.kuboid.ch

  • Inversions-Technik GmbH, Jurastraße 50 CH -4053 Basel, http://www.oloid.ch