Portrait

Willkommen in der Geschäftsleitung!

Nachfolge klären schafft Perspektive für Backen mit Leidenschaft

von Michael Olbrich-Majer

 

Muss ich dich jetzt siezen? Als Birgit und Rainer Knoll bekanntgaben, dass Tochter Lene in ihre Demeter-Bäcke­rei einsteigt, fragten sie das manche Mitarbeiter, denn sie kannten sie von klein auf. Lene Siemer hatte ihre Eltern mit ihrem Entschluss beim sommerlichen Mittagessen vor fünf Jahren überrascht, war sie doch wie ihre Geschwister auch, bisher nicht in die Fußstapfen der Eltern getreten. Die Konditormeisterin und der Bäcker­meister vereinbarten dann mit der gelernten Diplom­-Kauffrau einen schrittweisen Weg: Alle drei wollten sich sicher sein, dass es funktioniert. Zwar war Lene mit dem Betrieb ihrer Eltern durchs regelmäßige Jobben vertraut, doch nach Studium und mehreren Jahren in einer ganz anderen Branche war es doch ein neuer Schritt.

 

Ein halbes Jahr Testphase mit wöchentlich gemeinsamer Reflektion diente zum Einfühlen und Erkunden der möglichen Arbeitsteilung, bis dann im folgenden Januar auch die Belegschaft informiert wurde. Das Inhaberpaar hatte seinen drei Kindern die Berufswahl immer freigelassen. Keines wurde Bäcker – dennoch klärten sie dann zusammen, ob nicht doch jemand neben Lene den Wunsch hatte, in den Betrieb einzusteigen. Erst danach war der Weg der mittleren Tochter wirklich frei, zunächst als Assistentin der Geschäftsführung, nach einem Jahr als dritte Geschäftsführerin neben ihren Eltern.

 

Selbständig arbeiten, das ist für die drei Bäckereibe­treiber das Ideal. An ihrer Aufgabe schätzen sie die Vielseitigkeit, den Umgang mit Menschen, die Möglichkeit zur Kreativität, die Herausforderung der Technik: Keine Frage, Eltern und Tochter lieben ihren Beruf. „Ich kann nichts verkaufen, was mir nicht schmeckt“, sagt Birgit Knoll und findet, dass auch hundertprozentiger Bio-Kuchen lecker aussehen und schmecken muss. Jährlich ein paar Neuigkeiten, auch das muss sein: „Stillstand ist nicht unser Ding.“ Das war schon so, als Birgit den Bäckerssohn Rainer kennenlernte. Sie lernte Konditorin, gemeinsam gingen sie auf Wanderzeit u.a. in Namibia und einer anthroposophischen Einrichtung am Bodensee. Hier war der Bäckermeister vom guten Brot beeindruckt und die beiden fanden ihre Richtung. Mit dem Wunsch anders zu backen, was Qualität von Brot und soziales Umfeld betrifft, ging das heutige Unternehmen aus dem Backen für eine Naturkostinitiative der 1980er-Jahre hervor. Sie gründeten 1984 gemeinsam mit anderen Bio-Bäckereien den „Arbeitskreis Gutes Brot“ und wurden 2005 Demeter-Vertragspartner. Dabei setzen sie weniger auf Marketing mit Bio als auf Qualität, die für sich selbst spricht, bis hin zum Brötchenbelag. „Viele Kunden wissen gar nicht, dass wir nur Bio haben“, aber es schmeckt und sättigt besser, so das Feedback. Mit steigender Nachfrage wuchsen Betrieb und Liefergebiet stetig.

 

Über Nachfolge fingen die Knolls vor gut zehn Jahren an, nachzudenken, spätestens mit Mitte fünfzig, jetzt sind sie 57 Jahre, wollten sie das in die Wege geleitet haben. Es musste nicht unbedingt jemand aus der Familie sein. Doch empfinden die beiden es als Geschenk, nun mit einem ihrer Kinder zusammenzuarbeiten. Die Vorrausetzung dafür ist nicht nur eine klare Arbeitsteilung, sondern fängt eigentlich mit der familiären Gesprächskultur an. „Wir sind ein gutes Team und ergänzen uns gut, auch weil wir unterschiedlich im Charakter sind.“ Während Mutter Birgit Konditorei, Laden und Café im Auge hat, Vater Rainer den Einkauf, die Produktionsplanung und das Umweltmanagement, kümmert sich Tochter Lene um Lieferung, Bestelleingang, Angebote, Buchhaltung und Marketing. Entscheidungen werden zu dritt getroffen, auch schon mal in der Küche, wenn die wöchentliche Besprechung nicht reicht.

 

Für eine Übergabe muss ein Betrieb attraktiv sein und eine Perspektive aufweisen. Die Bäckerei überzeugt nicht nur durch ihre Qualitätsprodukte, sondern auch durch soziale Aspekte: Rainer und Birgit Knoll haben vor Jahren den Schichtbetrieb eingeführt – seitdem müssen die Bäcker nicht mehr um halb zwei nachts, sondern erst um sechs Uhr morgens anrücken. Es gibt viele Ausbildungsplätze und ein vorbildliches Arbeitsschutz- und Umweltkonzept, für das die Bäckerei mehrere Auszeichnungen erhielt. Einmal die Woche gibt es Backen mit Kindern, Schulklassen kommen, und zwei Flüchtlinge absolvieren ein Praktikum.

Neben den betrieblichen und kommunikativen Voraussetzungen ist der konkrete Prozess von Einstieg und Nachfolge zu gestalten, rechtlich und finanziell. Hilfreich war hier der Steuerberater der Bäckerei, auch ein Fachmann für Betriebsübergabe wurde hinzugezogen. Lene Siemers Diplomarbeit beschäftigte sich mit Nachfolge im betrieblichen Vergleich. Die Bäckerei-GmbH mit Birgit und Rainer Knoll als geschäftsführenden Gesellschaftern wurde dann um Tochter Lene als Geschäftsführerin erweitert. Die Gebäude sind in einer GmbH&Co KG mit allen dreien als Gesellschafter gefasst, die ist dann einfacher zu übergeben.

Eine geklärte Nachfolge ist wirksam für die Perspektive eines Unternehmens: Die Mitarbeiter wissen, dass und wie es weitergeht, die Bonität bei der Bank steigt, und: mit Lenes Verstärkung und betrieblicher Perspektive wurde der Umzug möglich, denn das alte Gebäude platzte aus allen Nähten. Die Bäckerei kaufte einen Getränkemarkt in der Nähe und baute ihn auf neustem Stand um. Hier bewährte sich die Arbeitsteilung, Lene als Finanzministerin, Vater Rainer für Technik und Abläufe, Mutter Birgit konnte ihren Traum vom Café-Bistro mit Veranstaltungsraum verwirklichen.

 

Wenn sich die Eltern trotz ihrer noch spürbaren Schaffenslust aus dem Betrieb zurückziehen werden, wird die Tochter fachliche Unterstützung brauchen. So wird demnächst ein Produktionsleiter gesucht für Bäckerei und Konditorei, mit der Möglichkeit, als Geschäftsführer einzusteigen. Für die noch jung wirkenden künftigen Altenteiler hat die GmbH eine Pensionszusage gemacht und angespart. An der Klärung des Eigentumsübergangs mit den Geschwistern arbeitet die Familie mit Beratung, aber ohne Zeitdruck. Und betriebliche Ziele gibt es auch: Die Produktion hat noch Luft nach oben und ein eigenes Café in Innenstadtlage, das wär noch was!

Backen mit Leidenschaft

  • Bäckerei-Konditorei in Bremen Vegesack mit Produktion und Café an einem Standort

  • 30 Sorten Brot, 20 Sorten Kleinbackwaren, 30 Kuchen

  • Backen in zwei Schichten ab 6:00 Uhr; Thermoölöfen

  • Verbacken werden ca. 400 t Mehl, 120 t Zutaten, Demeter-Anteil über 50 %, Umsatz über 3 Mio. €

  • 80 Mitarbeiter, in Backstube, Café, Auslieferung, Reinigung und Büro, davon 4 Meister und 14 Auszubildende, Schichtbetrieb statt Nachtarbeit

  • Liefergebiet: im gesamten norddeutschen Raum ausschließlich an ca. 150 Wiederverkäufer (Bäcker, Bioläden, Bio-Supermärkte)

  • Öko-Konzept mit energiesparender Abwärmenutzung und Beleuchtung, kompostierbaren Verpackungen; vorbildlicher Arbeits- und Gesundheitsschutz, Granderwasser und einer innovativen Kältetechnik.

  • Backstube – Backen aus Leidenschaft, Lindenstraße 45-47,28755 Bremen-Vegesack, http://www.backstubebremen.de