Portrait

Demeter-Kartoffeln aus der Heide

Die Landwirtschaft des Arpshofes hat neue Schwerpunkte gesetzt

von Michael Olbrich-Majer

 

Wer die Wahl hat, baut Kartoffeln auf seinen leichten Böden an. Wer keine Auswahl und nur Sand hat, muss seinen Betrieb gezielter ausrichten. Auf den sandigen Endmoränenböden der Nordheide südlich von Hamburg hat sich die Landwirtschaft in Nischen entwickelt: Weihnachtsbaumplantagen und Rollrasen bedecken hier Hunderte von Hektaren. Und auch die Landwirtschaft des Arpshofes hat sich vom einstigen Vorzeige-Milchviehbetrieb weg entwickelt und setzt nun auf die Standbeine Kartoffeln und Eier. Ulrich von Bonin, seit 2011 in der Hofgemeinschaft des Arpshofs und seit vier Jahren selbstständig mit Landwirtschaft und Bäckerei, hat sich vorgenommen, den Kartoffelbau auszudehnen. Aus Milchvieh wurden Mutterkühe, Legehennen im Mobilstall kamen dazu, Kartoffeln nehmen mehr Fläche ein und werden teils speziell vermarktet.

Wie ist das mit dem Humus?

Die – vor allem für Demeter-Betriebe – interessante Frage ist, wie sich die Ausweitung der Hackfrucht Kartoffel mit den armen Böden verträgt. Landwirtssohn von Bonin ist das bewusst: Die Mutterkühe und die Mastrinder stehen winters drinnen, das gibt Tiefstallmist. Das Hinzunehmen der Hennen liefert ebenfalls Mist, stickstoffreichen sogar. Abgerundet durch die Schweine ergeben sich so ungefähr 0,4 GV/ha gerechnet auf die Gesamtflächen. Doch ist die Grünlandausstattung reichlich – das heißt, Mist und auch der Pflanzenkompost kommt bevorzugt auf den Acker. Dann aber gut eingebaut, nicht auf den nackten Boden: So stehen nach Getreide immer Zwischenfrüchte – eine an Leguminosen reiche abfrierende Arpshof-Mischung – oder die Untersaat fürs überjährige Kleegras. Vor den Kartoffeln kommt der Mist auf die gewalzte Zwischenfrucht, ca. 150 Kg N-Äquivalent.

 

Und die Kartoffel bekommt sogar eine Untersaat: Ulrich von Bonin sät 80 kg/ha Bitterlupinen mit dem Tellerstreuer über die Dämme, bevor die Reihen sich schließen. Die machen dicht, wenn das Kartoffelkraut abstirbt und können gut frei werdende Nährstoffe sichern, blühen nochmal blau und werden vor dem Roden gemulcht. Künftig will er auch Transfermulch bzw. -häcksel ausprobieren, also Grüngut von anderen Flächen. Zu benachbarten konventionellen Flächen sät er übrigens 12 bis 15 m breite Blühstreifen, nutzt ein Förderprogramm des Landes Niedersachsen. Denn letztlich „haben wir die Verpflichtung, mehr zu tun als andere!“ z.B. für Insekten.

 

Mit dem Vieh nutzt der Betrieb die Grünlandflächen und den Ertrag der die Bodenfruchtbarkeit sichernden Leguminosen. Die Rinder werden mit Heu, Silage und Futterkartoffeln gefüttert, das Borstenvieh – im „Schweinepalast“ mit geschwungenem Dach und Auslauf residierend – erhält Kleegrassilage, Getreide, Süßlupinen, Kartoffeln, die Hühner bekommen neben Getreide ebenfalls Kleegrassilage. Bei der Nachzucht der Rinder achtet von Bonin vor allem auf einen ruhigen Charakter der Tiere. Dies ist nicht nur für den eigenen Umgang mit den Tieren wichtig, sondern auch, um Kindern und Schülern die Tiere nahezubringen. Auf einen engen Kontakt vor, während und direkt nach der Geburt achtet der Landwirt besonders. In die Schwarzbunten kreuzt er Welsh Black ein. Die Vermarktung des Fleisches geht ausschließlich über den Betrieb, ein Metzger in der Nähe schlachtet und verarbeitet die Tiere. Die Eier der 1100 Legehennen gehen zur Hälfte in den Großhandel, Jungtiere bezieht der Landwirt vom Demeter­-Aufzuchtbetrieb Südbrock. Zugleich ist er Partner der Bruderhahn-Initiative, das heißt, seine Eier werden mit vier Cent Aufschlag gehandelt.

 

Der Landwirt denkt aktuell noch über ein drittes Standbein nach, z.B. Saatlein anbauen: „Ein Tisch mit drei Beinen wackelt nicht.“

Hofgemeinschaft unter Eichen

Das zwischen vielen Eichen geborgene Gebäudeensemble des Hofes zeigt die aktuelle Entwicklung der Gemeinschaft: zwischen älteren Gebäuden der alte, mit Reet gedeckte Hof von 1650, in neuem Glanz der 2015 eingeweihte neue Hofladen und zwei fast fertig­gestellte Baustellen – neue Gemeinschaftsräume und Wohnraum für die Gärtner sowie ein Wohnhaus für Familie Wieckmann: Der Hof ist im Umbruch, Generationswechsel und neue Aufgabenteilung sind im Gange. Natürlich mit vielen Gesprächen um Praktisches, aber auch, um die Gemeinschaft neu zu finden: Für dieses Jahr ist gemeinsame Visionsarbeit angesagt. Und praktisch verbindet schon die gemeinsame Küche.

 

Einst gehörte der Hof, ein milchbetonter Gemischtbetrieb, Helmut Werner und seiner Frau Antje. Ende der Siebzigerjahre verpachteten sie krankheitsbedingt den Hof an junge Leute, die ihn als Hofgemeinschaft bewirtschafteten, seit 1983 Demeter-anerkannt. Ein paar sind heute noch dabei. Helmut Werner war dann von 1985 bis 1987 für die Grünen als Abgeordneter im Bundestag, damals noch in Bonn. Mitte der Neunziger stand der Hof mangels Nachfolge aus der Familie zum Verkauf an. 1995 wurde daher die gemeinnützige Landbauforschungsgesellschaft Arpshof mbH gegründet, mit den Bewirtschaftern, zwei Dutzend Menschen und der Stiftung Aktion Kulturland zusammen. So konnte der Hof 1998 gekauft werden.

 

Zehn Jahre später war die Hofgemeinschaft, wie das Leben so spielt, von zehn auf drei Personen geschrumpft: Neuanfang und Generationswechsel waren nötig. Aus der Hofgemeinschaft wurden selbstständige Einzelbetriebe, eine neue Gärtnerfamilie kam, die LBFG neu organisiert, alte Gemeinschafter bekamen Erbbaugrundstücke. Auch die Landwirtschaft stand im Wandel, ein Nachfolger für Uli Hochstadt wurde gesucht, der Anbindestall im Haupthaus vorerst nicht durch einen neuen Stall ersetzt.

 

Die „Alten“ sind noch präsent und führen ihre Bereiche. Das hilft beim Übergang und erhält die Möglichkeiten der Gemeinschaft. Uli Hochstadt hat zwar die Verantwortung für die Landwirtschaft abgegeben. Doch drei Hektar Streuobst, 190 Bäume mit 55 Apfel­sorten, ein paar Birnen, Zwetschgen, Mirabellen und eine Handvoll Schafe, machen dem Altbauern genügend Arbeit. Ein gutes Viertel der Ernte ist Tafelobst, der Rest wird in einer SlowFood-Mosterei in der Nähe zu Arpshof-Säften verarbeitet. Er ist zudem an pädagogischen Aktivitäten mit Schülern beteiligt oder macht Führungen durch die blühenden Obstbäume. Minka (Michael) Irmer kümmert sich um den Lieferservice, versorgt vor allem Kindertagesstätten, Bioläden und Restaurants mit dem Gemüse der Hofgärtnerei und dem Sortiment aus der Landwirtschaft: ein fester Stamm an Kunden, die auf Bestellung – ergänzt um ein Naturkost-Trockensortiment – dreimal die Woche angefahren werden. Nebenbei wickelt er auch die Fleischvermarktung ab. Unterstützt wird er durch eine Bürokraft und einen Fahrer. Holger Steinhilb steht mit dem Verkaufswagen des Arpshofes viermal auf Wochenmärkten in Buchholz, Hamburg und Maschen, inzwischen sind seine Söhne mit dabei.

 

Die „Jungen“, das sind von Bonin, der die Landwirtschaft als KG mit dem Mitarbeiter Hauke Specht und mit Jan Timm, dem Hofladeninhaber betreibt, das ist Gärtner Fabian Hüttner mit seinem Team, sieben Hektar­ Gemüse und fünf Folienhäusern, das sind die Bäcker, die Familie Wieckmann und natürlich die, die gerade in ihre Aufgaben hineinwachsen.

Leben aufs Land bringen

Frisch gebaut an der Stelle des alten Kälberstalls ist der Hofladen. Läuft so ein schmucker und großer Hofladen – mitten auf dem Land? Offenbar gibt es genug „Laufkundschaft“ – hier dann mit dem Auto – die einen Stopp einlegt: Einkauf mit Café, die Kinder auf dem Hofspielplatz, Frühstück unter lauschigen Eichen …, sicher bringt auch die nur vier Kilometer entfernte Waldorfschule Nordheide Menschen auf den Hof. Den Laden betreibt Jan Timm, der zugleich auch Mitgeschäftsführer beim Großhandel Naturkost Nord ist.

 

Schon viele Jahre arbeiten Waldorfschulpraktikanten in der Landwirtschaft mit – mit Nicolai Wieckmann sollen demnächst auch Kinder mit Lernschwierigkeiten in die Hofabläufe integriert werden. Doch nicht nur Laden­, Pädagogik und die vielen Kinder bringen Leben­ auf den Hof: Im nun dritten Jahr ermöglicht der von Freunden, Nachbarn und Menschen des Hofes gegründete Kulturverein Flohmarkt und Jungpflanzenmarkt, Führungen, Konzerte oder einfach gemütliche Abende im aus wiederverwendetem Fachwerk gebauten Kulturcafé auf dem Hof.

Kartoffelbau

Die meisten Kartoffeln, ca. zur Hälfte eigenes Pflanzgut, keimt Ulrich von Bonin ab Ende Januar in Kisten vor. Diese stehen in der Kartoffelscheune unter einer Plane, in die mit einem Heizlüfter 8 bis 12 Grad warme Luft geblasen wird. Lichtleisten sorgen für den Keim­impuls. Im März dann werden sie in 75 cm Reihenabstand gelegt und Dämme gezogen, die Pflanzmaschine teilt sich der Arpshof mit einem Nachbarn. Insgesamt elf Hektar baut der Landwirt an, die Windrichtung spielt bei der Anlage der Reihen eine untergeordnete Rolle. Direkt nach dem Pflanzen gibt er noch etwas Hühnermist auf die Frühkartoffeln, bis zu sechsmal werden die Dämme abgeschleppt bzw. gehäufelt: das dient der Unkrautregulierung und Mineralisierung von Nährstoffen.

 

Spannend wird es dann im Sommer, wenn die Schaderreger kommen: Kartoffelkäfer und Krautfäule liefern sich ein Rennen. Spritzen, mit Neem oder Novodor, wägt von Bonin je nach Jahr und Bestand ab. In den Frühkartoffeln sammeln Schüler während ihres Praktikums die Käfer ab – zur Freude der Hühner, deren Futter damit aufgewertet wird. Der Drahtwurm kommt eigentlich nur, wenn es zu trocken ist. Ein gesundes Bodenleben und saubere Bestände beugen seiner Ausbreitung vor. Überhaupt, das Bodenleben: Eine gute Bodenstruktur ist für Bonin das A und O. Sonst flössen die Dämme bei Starkregen weg, wie bei den konventionellen Nachbarn. Gerne würde er noch Zwiebeln zwischen die Reihen setzen, doch dem steht die Bürokratie im Wege mit ihren starren Anbaukategorien für die Flächenprämien.

 

Beregnet wird nach Bedarf, Frühkartoffeln aber immer, kurz vor der Blüte, wenn das Vlies runterkommt. Mit den Nachbarn zusammen unterhält von Bonin dazu ein eigenes Beregnungsnetz. Frühkartoffeln baut der Arpshof zwei Hektar an, komplett unter Vlies. Das schützt das frostempfindliche Kraut, bringt deutlich mehr Ertrag und macht es möglich, mit den Knollen früh auf dem Markt zu sein. Das bringt immerhin 20 Cent mehr im Großhandel, in den die halbe Ernte geht. Gerodet wird von den frühen nur so viel, wie täglich den Betrieb verlässt. Inzwischen hat er auch einen eigenen Kartoffelroder gebraucht erworben. In der Regel sind die Knollen schon groß, bevor die Krautfäule zuschlägt.

 

In diesem Jahr will von Bonin auch mal Präparat 508, Ackerschachtelhalm, ausprobieren, gespritzt im Winter auf den Boden. In der Regel bringt er ein- bis zweimal Hornmist und dreimal Hornkiesel aus, Fladenpräparat folgt nach der Ernte. Dabei richtet er sich nach dem Thun´schen Kalender, das mache sich bemerkbar bis hin zur Lagerfähigkeit.

 

Ab September wird eingelagert. Bis dahin sind Kartoffeln von mindestens 2 ha bereits verkauft. Wichtig, da die angemietete Kartoffelscheune nicht mehr als 160 t Kapazität hat. Dort stehen die Großkisten, gekühlt mit dem Gebläse auf 4 Grad. Und hier wird auch sortiert, abgepackt, und es werden die Beutel für die Heidekartoffeln zugenäht.

Hamburg will Linda haben

Um die Kartoffelsorte „Linda“ war vor mehr als zehn Jahren ein Streit entbrannt als ihre Zulassung und damit der Handel als Pflanzgut auslief. Ein Freundeskreis „Rettet die Linda“, gründete sich aus Verbraucherverbänden, Slowfood, AbL, Bioland und Demeter-Betrieben initiiert vom Bioland-Kartoffelzüchter Karsten Ellenberg, der sie weiter vermehren und nutzen wollte. Also baut auch der Arpshof Linda an, die inzwischen wieder zugelassen ist. „Die ist ’ne Diva“, meint von Bonin dazu, im Hinblick auf deren Ansprüche in Anbau und Pflanzengesundheit. Belana, die züchterisch verbesserte Linda, hat auf dem Arpshof ebenso ihren Platz wie die mehlige Gunda, die rote Laura und die großknollige aber Krautfäule tolerierende Allians. Goldmarie wird dieses Jahr getestet.

 

Dem Landwirt ist dabei vor allem die Qualität wichtig, „Wir sortieren sehr scharf“: grüne, verformte, beschädigte, Untermaß – alles kompromisslos raus. Begonnen hat sein Team auch mit der Sortierung und Vermarktung auf Drillinge; das sind kleine Kartoffeln zwischen 25 bis 35 mm bei langovalen bis langen bzw. zwischen 25 bis 40 mm bei runden bis ovalen Sorten. Die erfreuen sich zunehmender Beliebtheit, z. B. als Rosmarinkartoffeln, allein auf Chefkoch.de gibt es mehr als hundert Rezepte dazu.

 

Die Kartoffeln vom Arpshof werden, wenn nicht als Sackware oder lose über die hofeigene Vermarktung, in Zwei-Kilo-Beuteln als Bio-Heidekartoffeln im Naturkosthandel vermarktet, unter der Gemeinschaftsmarke „Unsere Höfe im Norden“. Diese ist eine Entwicklung des Großhändlers Naturkost Nord, der mit besonderen Produkten einzelner Höfe gezielt den regionalen­ Bezug pflegt, darunter Eier, Sauerkraut etc. Die Verpackung wird gestellt, für das Abfüllen gibt es einen Mehrpreis von 10 Cent das Kilo. Eigens dafür hat von Bonin die Beutelnähmaschine aus Gebrauchtteilen zusammenbauen lassen. Mit seinen Bio-Kollegen ist er gut vernetzt, man hilft sich schon mal gegenseitig aus, wenn eine Sorte fehlt.

 

Landwirtssohn Ulrich von Bonin macht die Landwirtschaft Spaß und es erfüllt ihn. „Jeder Mensch hat die Chance das zu tun, was die Welt braucht – das ist ein Antrieb für mich.“

Hofgemeinschaft Arpshof

  • Lage am Nordrand der Lüneburger Heide, Sand, teils anlehmig, 18–30 Bodenpunkte

  • 50 m ü. NN, im Jahresdurchschnitt 700 mm Niederschlag, 9 C°

  • 89 ha, davon 52 ha Acker, 36 ha Grünland, davon 3 ha Streuobst

  • Fruchtfolge: eineinhalbjähriges Kleegras, Sommergetreide, Zwischenfrucht, Kartoffeln, Wintergetreide, Zwischenfrucht, Futterlupinen, Wintergetreide; breite Blühstreifen (ca. 1 ha) zu konv. Nachbarflächen

  • 9 Mutterkühe nebst Nachzucht bzw. Mastrindern, 80 Mastschweine, 1100 Legehennen und 25 Hähne

  • 6 Betriebe: Landwirtschaft mit Backstube, Gärtnerei, Hofladen mit Café, Marktstände, Lieferservice, Obstbau und kleine Schafhaltung

  • Zentrale Holzvergaserheizung, Kulturverein mit Raum, Übernachten im Zirkuswagen

  • 23 Erwachsene in der Hofgemeinschaft: in der Landwirtschaft 3 AK plus 2 Azubis sowie in der Backstube 1 Geselle und 2 Hilfskräfte

  • Gemeinnütziger Träger: g.Landbauforschungsgesellschaft Arpshof mbH

  • Hofgemeinschaft Arpshof, Am Schulberg 6, 21279 Dierstorf, http://href="http://www.arpshof.de"