Portrait

Präparierter Neustart

Zwei Paare richten auf Gut Mönchhof einen Demeter-Betrieb ein

von Michael Olbrich-Majer

 

Angenehm kühl ist es im Keller des alten Fachwerkhauses, in dem die Landwirte von Gut Mönchhof ihr biodynamisches Hornmistpräparat lagern. Jens Müller Cuendet und Patrik Schubiger öffnen die zweifach, mit Torf und Kokosfaser, isolierte Holztruhe und prüfen die Konsistenz. Nach dem verregneten Winter schien das Präparat beim Ausgraben im Frühjahr nicht so ganz stabil, aber jetzt sieht es gut aus. Neben Hornmist machen die beiden auch das Fladenpräparat selbst, ein biodynamisches Sammelpräparat, in einer Birkenholzgrube. Beide Präparate sind wichtig nicht nur für die Demeter-Zertifizierung: ihre Ausbringung ist Pflicht bei Demeter und kennzeichnet den Beginn der Um­stellung. Während der Hornmist die Verbindung von Boden und Pflanze intensiviert – ergänzt durch Hornkiesel, ersetzt das Fladenpräparat den noch nicht vorhandenen Kompost bzw. die Kompostpräparate und fördert eher den Bodenaufbau. Neben der Aussaat ist die Anwendung der biodyna­mischen Präparate also eine der ersten praktischen Maßnahmen auf dem Feld, wenn man umstellt.

 

Die beiden Landwirte, die gemeinsam mit Patriks Frau Clarissa den Betrieb führen, hatten mangels Gerät mit Hand gespritzt, so dass die Umstellung der Böden rasch starten konnte. Erst im Herbst kam die Spritze, für die sie einen Schlepper liehen. Auch der Zuchtgarten, in dem Catherine Cuendet biodynamisch Dinkel züchtet, wurde zügig mit den Präparaten versorgt.

Der Weg zum eigenen Hof

Selbst einen Betrieb zu gestalten, das war der Traum der beiden Paare, die reichlich Erfahrung aus der verantwortlichen Mitarbeit in anderen Demeter-Höfen mitbringen. Wem so etwas vorschwebt, dem fehlt es meist am Startkapital. Doch hier war welches vorhanden, durch Darlehen aus dem Familien- und Freundeskreis – den Rest würde die Bank machen. Aber einen Hof finden? Mit Fläche? Geeignet für einen Zuchtgarten? Waldorfschule in der Nähe? Das dauert. Bereits am Anfang der Suche lernten sich die beiden Paare kennen – Clarissa und Catherine hatten einst auf Hofgut Rengoldshausen gelernt. Nach eineinhalb Jahren inserieren, Makler anrufen, Höfe aussortieren, gab es endlich etwas zu entscheiden, einen Betriebsentwicklungsplan zu machen, richtig bewertete Sicherheiten – Boden – zu bieten und das Ganze rechtlich unter Dach und Fach zu bringen, mithilfe eines befreundeten Notars.

 

Die frischgebackenen Investoren brauchten dazu ein starkes inneres Bild: Vierzig Jahre war der Hof nicht in Betrieb, die Gebäude und Flächen verpachtet, konventionell bewirtschaftet. Gerät und Maschinen gab es nicht, immerhin aber nutzbaren Wohnraum. „Wir haben kein Altmetall übernommen“, beschreibt Jens Müller Cuendet den vermeintlichen Nachteil beim Wiedereinrichten. Nach Improvisieren und Vergabe an Lohnunternehmer im ersten Jahr gibt es jetzt Schlepper, Mähdrescher, ein Turiel-Dammkultursystem, einen 8-Meter-Doppelmessermähbalken und Weiteres, alles gebraucht. Wenn man nichts hat, kann man neu anfangen mit Technik eigener Wahl.

 

Auch die Landwirtschaft muss ganz neu aufgebaut werden: Klar war von vornherein, dass der Hof die Lücke zwischen biodynamischer Getreidezüchtung und verfügbarem Saatgut füllen will. Denn das war in den letzten Jahren ein Problem für viele interessierte Bauern: vielversprechende biodynamisch gezüchtete Sorten, aber fehlende Verfügbarkeit als Saatgut. Das soll sich ändern, dadurch dass die Vermehrung bis hin zum Basismaterial für den Anbau von Z-Saatgut ein wesentlicher Betriebszweig des Gut Mönchhof wird. Drei Vermehrungsstufen also, die hohe Reinheit der Bestände und Geräte erfordern, die nächste Investition wird eine dafür taugliche Saatgutreinigung.

Umstellen und Aufräumen

Hof gefunden und in Vorbereitung zur Übergabe – da geht die Arbeit erst los. Zunächst mit Planung: Ein Betriebskonzept muss her und vor ein Umstellungsplan. Dabei halfen Berater des Landesbetriebs Landwirtschaft Hessen (LLH) und bezüglich der Demeter-Umstellung des Demeter Beratung e.V. Zunächst galt es, die Fruchtfolge zu planen, auch im Hinblick auf die aus der Verpachtung hinzu kommenden Flächen – der beabsichtigte Standard sieht zweijähriges Luzerne-Kleegras vor und die folgenden fünf Jahre Getreide im Wechsel mit anderen Früchten, dazu Untersaaten, wie aktuell bei den Ackerbohnen. Zug um Zug sollen bis 2022 die meisten Flächen zurückkommen, dann sind es 120 Hektar. Die letzten kommen erst 2036. Das Kleegras war bereits im zweiten Schnitt Umstellungsware, das Getreidesaatgut ist ab diesem Jahr. Die Demeter-Anerkennung der aktuellen Flächen wird 2020 sein.

 

Dann die Frage – wie ist es mit dem Vieh? Seit mehr als vierzig Jahren war auf dem Betrieb kein Rindvieh mehr, seit 1986 auch keine Schafe. Ein Demeter-Hof braucht tierischen Dünger. 40 bis 50 Kopf Mutterkühe sind letztlich geplant, Milchvieh war erstmal kein Thema. Über die Winteraufstallung – Tiefstreu – gibt es Mist, der kompostiert wird. „Allein schon die Beweidung und das Ackerfutter ändern die Atmosphäre im Betrieb“, stellt Patrik Schubiger fest. Letztlich geht es hier um die zweite Ebene der betrieblichen Investitionen: die in die Bodenfruchtbarkeit durch das Ausrichten des Betriebs als Organismus. „Eigentlich müssten Maßnahmen zum Bodenaufbau steuerlich begünstigt werden“ findet sein Mitgesellschafter. Damit das Ganze am Anfang wirtschaftlich bleibt, dient auch ein Teil der Kleeflächen zur Saatgutproduktion. Den Start unterstützt hat der Alnatura Bio-Bauern-Preis, mit dem das Handelsunternehmen mit dem Naturschutzbund Umsteller fördert.

 

Neben dem Umstellen mussten rasch ein paar Gebäude nutzbar gemacht werden, was vor allem Entrümpeln und Aufräumen hieß. So gibt es nun ein Saatgutlager, eine Gerätehalle und der Erwerb einer Reinigung für Saatgutzwecke ist geplant, voraussichtlich als separates Gewerbe. Behörden, Nachbarn und Berufskollegen begleiten das frische Treiben auf dem Gut Mönchhof mit Wohlwollen, wissend, dass hier im ehemaligen Zonenrandgebiet jeder Belebungsimpuls zählt.

Dinkel züchten

Catherine Cuendet züchtet schon seit 2002 Dinkel, erst bei Peter Kunz in der Schweiz, dann auf dem Darmstädter Hofgut Oberfeld, stets als Mitarbeiterin des Schweizer Züchters. Auch hier auf Gut Mönchhof. Seit 2015 ist sie Geschäftsführerin der „Getreidezüchtung Peter Kunz Deutschland gGmbH“. Fünf Dinkelsorten aus ihrer Hand sind bereits beim Bundessortenamt zugelassen: Copper, Edelweisser, Gletscher, Raisa, Serpentin, und ein Wechseldinkel, Flauder, ist noch im Verfahren. Es wäre der zweite Sommerdinkel europaweit (mehr unter www.biosaat.org ). Einige hundert Stämme führt sie, daneben baut sie zur Erprobung Hafer, Sommerweizen und Sonnenblumen für biodynamische Züchterkollegen an.

 

Nach wie vor schwierig ist es, rasch genügend Saatgut für die Erzeuger bereitzustellen. Die Hochvermehrung in den Vorstufen zum Z-Saatgut ist einer der Engpässe, auch weil sich zu wenige Landwirte diese Spezialisierung zutrauen und es kaum Erfahrungswerte gibt. Ein Projekt, u.a. zusammen mit dem Dottenfelderhof und dem KTBL soll hier Abhilfe schaffen.

 

Am Standort schätzt die Züchterin die abwechslungsreiche Landschaft mit den verschiedenen Stimmungen, mal weite Fläche, mal Tälchen. Auch dass ihre Führung durch den Dinkelzuchtgarten aufs Interesse örtlicher Landwirte stieß, freut sie.

Praxis und Präparate

Mit dem 3-Meter-Dammkultursystem sind die beiden Landwirte sehr zufrieden. Getreide auf dem Damm zwei Reihen auf der „Krone“, das klingt zwar gewöhnungsbedürftig, ist aber gut zu pflegen: So konnten sie kurz vor dem Ährenschieben noch hacken. Die Dämme halten besser die Bodenfeuchte, die Verdunstung ist geringer und durchs späte Hacken auch der Stickstoff noch beeinflussbar. Für die kleinen Saatgutmengen – die ja erst hochvermehrt werden müssen – hat sich die gebrauchte pneumatische Sämaschine bewährt, zumal sie besser zu säubern ist und auch auf hängigem Gelände noch 5 Kilo Kleesamen gleichmäßig verteilt.

 

Die biodynamischen Präparate werden mit der vom Forschungsring entwickelten Anbauspritze, einem der wenigen Neugeräte, ausgebracht. Hornmist nach der Herbstsaat mit der Hacke im Frühjahr, Fladenpräparat eher humusbildend, kam umstellungsbedingt im Frühjahr auf die Flächen, sonst aber zur Stoppelbearbeitung. „Man hat schon gesehen, dass unser Grünland sich anders entwickelt als das der Nachbarn“, so beschreibt Patrik Schubiger die Wirkung der Präparate­anwendung. Mittlerweile aber hat die Sommerdürre die Landwirte auch hier im Griff. Zum Glück gibt es hier viele extensiv bewirtschaftete Kleinstrukturen, die sie mittels Ausnahmegenehmigung abweiden lassen können. Und da es nicht um Milchleistung geht und die Mutterkuhherde erst im Aufbau ist, wird auch „stehendes Heu“ gefressen. Mit dem Roten Höhenvieh haben sie bewusst Tiere einer regionalen Rasse gekauft und beteiligen sich im Herdbuchverband an seiner Erhaltung. Eine achtköpfige Eselherde haben sie im Frühjahr angeschafft, ein paar Schafe und Hühner gibt es auch. Die Fleischvermarktung muss noch aufgebaut werden.

 

Unterstützt werden die zwei Landwirtepaare durch Peter Blattmann: der Demeter-Landwirt vom Bernethansenhof im Schwarzwälder Glottertal hat den eigenen Hof an seinen Sohn übergeben und ist nun Mitarbeiter bei seinem ehemaligen Lehrling Jens. Seine Erfahrung in der Forstarbeit kam dem Betrieb gleich im ersten Winter zugute, gehört doch reichlich Wald zum Gut Mönchhof. Und der musste nach dem Januarsturm aufgeräumt werden. Für die beiden Landwirte hieß das: Holzfällerkurs. Peter Blattmann schätzt die neue Freiheit: viel Abwechslung und vor allem nicht mehr zweimal täglich melken: „Was das für einen Zuwachs an Lebensqualität bedeutet, ist mir erst im Nachhinein aufgegangen“, so der Landwirt.

Reiche Demeter-Erfahrung trägt

Alle vier Betriebsinhaber haben auf Demeter-Betrieben gelernt und gearbeitet. Ihre Wege zur Landwirtschaft waren unterschiedlich: Catherine kam über die biodynamische landwirtschaftliche Lehre zum Studium in Witzenhausen, wo sie Jens kennenlernte. Der hatte zuvor bei Peter Blattmann gelernt, im Betrieb des Pestalozzi-Kinderdorfs Wahlwies am Bodensee Zivildienst gemacht und auf Höfen im Ausland gearbeitet. Clarissa machte auf dem Dottenfelderhof ein Praktikum für städtische Hauswirtschaft und war „infiziert“: Danach folgten Lehre und Betriebsstationen, kennengelernt hat sie ihren Mann auf Hof Malitzsch. Patrik ist auf dem Land aufgewachsen und schwenkte nach einigen Berufsjahren als gelernter Koch und Kellner um: Über die freie biodynamische Ausbildung und Erfahrungen in der Heiltherapie kam er zu Demeter, das war für ihn eine runde Sache.

 

Er war schon auf seinen vorherigen Stationen der Mann für die Präparate. Anfangs erlebte er es als esoterisch: „Doch wird es handfest, sobald man konkret damit arbeitet“, ist seine Erfahrung. Und mit der Zeit bekomme man das auch gedanklich sortiert. Zusammen mit der regionalen Demeter-Arbeitsgruppe in Nordhessen und unterstützt durch Matthias König vom Dottenfelderhof werden die Präparate bei zwei Treffen auf dem Hutzelberghof gemacht. Die Hörner mit Mist wurden auf Gut Mönchhof vergraben.

 

Als Mitglied einer Arbeitsgruppe aus Landwirten und Forschern zur Präparatewirkung konnte Jens auf dem Frühjahrstreffen auf Gut Mönchhof klar erkennen: Schon nach einem halben Jahr Umstellung zeigte der Präparateeinsatz frappierend deutliche Unterschiede zum konventionellen Nachbarschlag mit gleicher Vorgeschichte, sowohl über Bildekräftewahrnehmung als auch mit der Spatendiagnose. Das ermutigt, an der Präparatearbeit dran zu bleiben und auch mal Neues auszuprobieren, z. B. eine differenzierte Anwendung potenzierter Präparate.

Viel Platz und viel zu tun

Die sehr üppige Bausubstanz und das weite Gelände dieses vor gut hundert Jahren eher herrschaftlich im Neorenaissancestil angelegten Gutes weckt die Fantasie. Noch sind Teile der großzügigen Wirtschaftsgebäudeflügel verpachtet an landwirtschaftliche Nachbarn, das Herrenhaus nur für eine Wohnung genutzt, Park und Teiche im Dornröschenschlaf. Die beiden Familien mit ihren jeweils drei Kindern genießen erstmal den Platz zum Wohnen, nach zuvor jeweils 60, 70 Quadratmetern. Pläne könnten sie viele haben, doch sie sind erst ein Jahr hier und mit Umstellung und Einrichtung der Landwirtschaft vollauf beschäftigt. Eine Backstube war schon in den Gemäuern – die wird sicher wieder in Betrieb genommen, hatte doch Jens Müller Cuendet bereits auf dem Hofgut Oberfeld das Backen eingeführt. Die Gärtnerei im Park könnte wiederbelebt werden – wenn sich jemand dafür findet. Die Herde soll auf 50 Muttertiere wachsen – dafür muss der Stall um Metzger. Ein, zwei Hühnermobile wären eine weitere Option. Und langfristig ist hier Platz für Hofcafé oder Seminare.

 

Kunst und Handwerk sind schon da: Die Holzbildhauerin Lena Schary und der Zimmermann Moritz Grimm wohnen mit auf dem Gut, nehmen sich der vernachlässigten Gebäude an und arbeiten gelegentlich in der Landwirtschaft mit. Aber erstmal soll es reichlich gutes Demeter-Saatgut vom Gut Mönchhof geben. Von den zugelassenen Sorten Edelweiss, Gletscher und Copper stehen schon zur Herbstsaat einige Tonnen Z‑Saatgut zur Verfügung.

Gut Mönchhof

  • Betriebsgründung Juli 2017, in Umstellung auf Demeter

  • Lehmböden mit ca. 45 Bodenpunkten, ca. 230–270 m ü. NN, 650mm Niederschlag und 8,2 °C im Jahresdurchschnitt

  • arrondierter Betrieb mit 174 ha Acker, 12 ha Grünland, 5 ha Streuobst (Kirschen), 47 ha Wald, 10 ha Park mit Teichen, Hof, 14 ha Gebäude und Freiflächen, eigene Quelle

  • aktuell selbst bewirtschaftet 48 ha – stufig mehr werdend mit Zurückfallen der verpachteten Flächen

  • Schwerpunkt: Saatgutvermehrung (Getreide, Klee) in geplant siebenjähriger Fruchtfolge

  • Vieh: Aufbau einer Mutterkuhherde aus Rotem Höhenvieh (aktuell 5 Kühe, 3 Kalbinnen, Nachzucht und Bulle), 8 Esel, 6 Rhönschafe, 10 Hühner sowie Nutzung der Flächen als Pensionsweide bzw. durch Schäfer

  • Dinkelzüchtung durch Catherine Cuendet als Zweigstelle der Getreidezüchtung Peter Kunz

  • Gesellschafter der Gut Mönchhof KG sind Catherine Cuendet, Jens Müller Cuendet, Patrik und Clarissa Schubiger, Mitarbeiter ist Peter Blattmann; Eigentümerin ist die Gut Mönchhof Grund GmbH

  • Gut Mönchhof KG, Gut Mönchhof 2, 37290 Meißner, 05657-7906150, gut-moenchhof(at)t-online.de