Schwerpunkt

Ökozüchtung finanzieren

Ökologische Züchtung trägt sich vor allem durch Spenden, nicht durch Lizenzen: Wie könnte eine solide Basis für die Sortenentwicklung aussehen?

In Deutschland wird auf insgesamt ca. 2,5 Mio. ha Mais angebaut. Dagegen nehmen sich die 18.000 ha Anbaufläche für Mais auf Ökobetrieben sehr bescheiden aus. Durch den Kauf von Saatgut einer Sorte gibt der Landwirt dem Saatgutanbieter und Züchter den Auftrag: mach weiter so. Mangels passenden Angebots geben auch die Ökolandwirte Firmen wie KWS, Pionier, Limagrain und anderen jedes Jahr neue Aufträge für ihre konventionelle Züchtung.

 

Der Verkaufspreis für Saatgut setzt sich aus verschiedenen Kosten zusammen: Die Saatgutproduktion selbst, die Zertifizierungs- und Aufbereitungskosten, Verpackung, Administration, Transporte u. a. Enthalten ist immer auch die sogenannte Saatgutlizenz. Das ist der Betrag, der dem Züchter zur Verfügung steht, um neue Sorten für zukünftige Bedürfnisse zu entwickeln. Bei Mais bezahlen deutsche Biobauern über den Saatgutpreis etwa 100 €/ha an Lizenzen an die konventionelle Maiszüchtung. Sie unterstützen also die konventionelle Züchtung mangels Alternativen insgesamt mit 1,8 Mio. € pro Jahr. Dagegen sammelt der Saatgutfonds der Zukunftsstiftung Landwirtschaft mit viel Engagement pro Jahr etwa 800.000 € an Spenden. Diese Spendengelder werden dann für eine Vielzahl von Züchtungsprojekten bei Getreide, Gemüse und Obst verwendet. Viele Biozüchter werden zusätzlich noch direkt von verschiedener Seite durch Stiftungen, Firmen und Privatpersonen unterstützt.

 

Die Anbauflächen des Ökolandbaus sind leider immer noch nicht groß genug, um die Biopflanzenzüchtung allein über den Saatgutverkauf finanzieren zu können. Das Beispiel Mais zeigt aber, dass der Ökolandbau schon jetzt Züchtung finanziert, leider oft eben die falsche.

 

Der Ökolandbau muss als ein eigen­ständiges Landwirtschaftssystem betrachtet werden. Zu diesem System gehört selbstverständlicherweise auch eine eigenständige Pflanzenzüchtung, die mit den Methoden dieses Systems arbeitet und die spezifischen Bedürfnisses dieses Systems abdeckt. Spendengelder sind sehr willkommen. Sie können Projekte anschieben und Lücken stopfen. Aber sie können auf die Dauer nicht die einzige Finanzierungsgrundlage für eine erfolgreiche Ökozüchtung sein. An der Finanzierung der Ökozüchtung muss sich die gesamte Wertschöpfungskette beteiligen. Dazu gehören auch die Biobauern. Wie könnte das nun beim Getreide aussehen?

Elemente eines Systems zur Züchtungsfinanzierung

Element

Beispiel

Kriterien

Definition der Kulturen, für die das System gelten soll

Alles Getreide oder nur Weizen oder nur Winterweizen oder nur E-Winterweizen

System kann enger oder weiter gefasst werden und ist übertragbar auf andere Kulturen

Definition der durchschnittlichen Saatgut­erneuerung bei den Mitgliedsbetrieben

25%, d.h. alle 4 Jahre wird neues Saatgut gekauft

Prozentsatz ist grundsätzlich diskutierbar, Konsens im Verband ist die Grundlage

Festlegung der Sorten, für die das System gelten soll

Alle Weizensorten oder nur Nachbau bei Ökosorten erfassen

System kann enger oder weiter gefasst werden und ist übertragbar auf andere Kulturen

Aktuelles System der Züchtungsfinanzierung funktioniert nicht

Bei Getreide fließen mit dem Kauf von Z-Saatgut etwa 20 €/ha an den Züchter zurück und bilden damit eine Finanzierungsgrundlage für die Entwicklung neuer Sorten. Klar, es könnten auch die Verkaufspreise aufgrund von höheren Züchterlizenzen erhöht werden. Wer würde dann jedoch noch Saatgut von Sorten aus Ökozüchtung kaufen, wenn dies plötzlich doppelt oder drei Mal so teuer wie konventionelles Saatgut wäre? Und um die von den Ökozüchtern geleisteten Vorarbeiten bis zur Verfügbarkeit einer Getreidesorte finanzieren zu können, wären alleine für eine Sorte rund 20.000 ha Anbaufläche nötig!

 

Viele Landwirte verwenden ihre eigene Ernte wieder als Saatgut. Im Durchschnitt kaufen Ökolandwirte nur alle drei bis vier Jahre neues Saatgut. Wenn sie sich entscheiden, ihre Ernte wieder auszusäen, dann heißt das doch auch, dass sie mit der Sorte im Großen und Ganzen zufrieden waren. Sie verwenden also die gleiche Sorte drei bis vier Jahre, geben aber dem Züchter nur einmal den Auftrag weiterzumachen. Der Hofnachbau führt also dazu, dass bereits bei der heutigen, immer noch begrenzten Verbreitung der Ökosorten den Ökozüchtern pro Jahr insgesamt bis zu 100.000 € weniger für ihre Arbeit zur Verfügung stehen, als wenn das Saatgut jedes Jahr gekauft würde. Allein mit diesem Betrag könnte dauerhaft an immer mindestens zwei zusätzlichen, neuen Getreide­sorten gearbeitet werden.

 

Öko-Landwirte sollen ihr Getreide nachbauen können, wenn sie es möchten. Da sie aber mit den Ökozüchtern im gleichen Boot sitzen, sollten sie sich solidarisch mit ihnen zeigen. Wenn ein Schlepper ausgeliehen wird, ist ja auch allen klar, dass man mehr als nur den Diesel bezahlen muss.

Möglichkeiten zur nachhaltigen Züchtungsfinanzierung

Welche Möglichkeiten gibt es, die Ökozüchtung nachhaltiger zu finanzieren? Die Ökozüchter schlagen vor, dass beim Einsatz von Nachbausaatgut die Hälfte des Züchteranteils beim Z-Saatgutverkauf an die Züchter zurückfließen soll. Konkret wären das 10 €/ha.

 

Einen Konsens mit den Landwirten zu diesem Vorschlag vorausgesetzt, stellen sich folgende Fragen:

• Wie kann dieses Geld ohne zu großen administrativen Aufwand gesammelt werden und zwar so, dass es die Landwirte nicht als Zwangsabgabe erleben?

• Zu welchem Züchter soll das Geld fließen, bzw. welche Züchtung soll damit finanziert werden? Auf diesen Aspekt kann hier aus Platzgründen nicht eingegangen werden. Es sind aber gute Lösungen möglich.

• Einzelne Ökolandwirte unterstützen bereits seit vielen Jahren Ökozüchter durch freiwillige Beträge. Für die Ökozüchter wäre es aber ein nicht zu leistender Aufwand, mit allen Landwirten einzelne Vereinbarungen abzuschließen, das würde einen Großteil der zur Verfügung stehenden Finanzmittel aufbrauchen. Eine wichtige Aufgabe könnten hier die Anbauverbände übernehmen. Sie könnten gemeinsam mit ihren Mitgliedern ein System etablieren, das zur nachhaltigen Sicherung der Züchtungsfinanzierung beiträgt. Ein solches System sollte folgende Elemente enthalten:

 

Die folgende Tabelle soll exemplarisch das Potenzial eines solchen Systems aufzeigen: Wenn sich die Landwirte eines Verbandes auf ein solches System einigen können, kann der Verband relativ leicht die Erfassung des Geldes zusammen mit den Verbandsbeiträgen umsetzen. Ein solches System führt zu planbaren und regelmäßigen Einnahmen bei den Ökozüchtern. Zudem ist es mit einem vertretbaren Verwaltungsaufwand verbunden und regelt für die Verbandsmitglieder dauerhaft die Nachbaudiskussion. Wer nachbauen will, kann das mit einem guten Gefühl auch machen und leistet damit sogar noch einen Beitrag zur zukünftigen Entwicklung der Ökozüchtung und damit des Ökolandbaus.

 

Nutzen wir die uns zur Verfügung stehenden Mittel und machen uns damit schrittweise auch unabhängig von den Bestrebungen der konventionellen Züchtungsfirmen!

Modellrechnung für Weizen, Annahmen

  • Gemeinsam definierte Erneuerungsrate z. B. 25%

  • Anbaufläche Ökosorten aus Z-Saatgut z. B. 1000 ha

  • Züchterlizenz daraus ca. 20.000 € (bei 20 €/ha)

  • Gesamtfläche Weizen Demeter (ohne Futterweizen) ca. 20.000 ha

  • Gesamtfläche Weizen Demeter (nur E-Weizen) ca. 10.000 ha (80% davon Ökosorten, in BW / BY)

Berechnung Lizenzaufkommen

Saatguterneuerung 25 % von

= Fläche aus Z-Saatgut

= Züchterlizenz Z-Saatgut 20 €/ha

50 % Züchterlizenz

10.000 ha

2.500 ha

50.000 €

25.000 €

20.000 ha

5000 ha

75.000 €

37.500 €

30.000 ha

7.500 ha

150.000 €

75.000 €

Amadeus Zschunke und Markus Johann, Sativa Rheinau, http://www.sativa-rheinau.ch