Schwerpunkt

Bio: nur eine Mode oder Beginn der Zukunft?

Wie die Bio-Bewegung mit ihren Herausforderungen umgeht, wird darüber entscheiden.

von Dr. Alexander Gerber

 

Es geht um mehr als um Erträge: um die Welt von morgen

Schließlich aber – und das scheint mir das Wichtigste – geht es nicht nur um effiziente Nahrungsmittelproduktion mit möglichst geringem Ressourcenverbrauch und Nebenwirkungen auf den Naturhaushalt. Wenn wir Landwirtschaft betreiben, gestalten wir unsere Welt von morgen, prägen wir unser Geistig-Seelisches in die Natur hinein, gestalten wir Evolution. Eine einfache Frage gibt hier Orientierung: Wie soll die Welt aussehen, in der ich morgen leben möchte? Wir sollten demnach von diesem Ziel her denken und Technikeinsatz daran prüfen, ob er diesem Ziel dient. Es kommt mir so vor, als ob unsere Gesellschaften, vor allem die Wirtschaft, manchmal genau andersherum agieren: Getan wird, was machbar ist und daran wird gesellschaftliche Entwicklung gekoppelt.

 

Es geht also darum, die Erde natur- und menschengemäß weiterzuentwickeln, Nahrungsmittel zu erzeugen, die den Menschen helfen, ihr individuelles Potenzial und ihr Bewusstsein zu entwickeln sowie über die Wertschöpfungskette in Würde und fair miteinander zu arbeiten. Vor diesem Hintergrund beleuchte ich die aktuellen Herausforderungen.

Gesetzliche Regeln für Bio immer noch in Verhandlung

Die EU-Öko-Verordnung, die rechtliche Basis für Ökolandbau, wird derzeit im Trilog zwischen EU-Rat, -Parlament und -Kommission neu verhandelt. Noch immer droht, dass Pestizidgrenzwerte eingeführt werden. So würde das Verursacherprinzip auf den Kopf gestellt. Vor allem aber: man meint durch immer mehr und detaillierte Verordnungen, Bio sicherer zu machen. Das Gegenteil ist der Fall, es entsteht eine Scheinsicherheit, da kein Unternehmer mehr überblickt, ob er alles einhält und kein Kontrolleur alles kontrollieren kann. So entsteht eine Rezepte- oder Checklisten-Landwirtschaft und Eigenverantwortung bzw. Initiative werden ausgetrocknet. Darauf weisen wir im politischen Prozess stets hin und zumindest für Demeter arbeiten wir an einer neuen Form der Anerkennung, die den Menschen als Handelnden in den Mittelpunkt stellt. Wichtigstes Instrument dafür werden die Betriebsentwicklungsgespräche sein.

Wachsender Markt, beliebigere Qualität

Auf der Marktseite beobachten wir eine Ausweitung des Marktes, der Bio-Angebote. Wenn wir in der Fläche mehr und mehr Bio haben wollen, ist das eine begrüßenswerte Entwicklung. Andererseits wird die Ware immer anonymer, die Qualität beliebiger und die Konzentration (auch der Bio-) Handelshäuser nimmt zu. Für den Fachhandel wird es darum gehen, dieser Entwicklung mit transparenten, regionalen Herkünften – Geschichten zum Produkt – und Spitzenqualitäten zu begegnen. Dafür ist Demeter nach wie vor prädestinierter Partner. Mit seinen neuen Vertriebsgrundsätzen bringt Demeter zudem erstmals Aspekte fairen, nachhaltigen und assoziativen Wirtschaftens in den Handel.

 

Der Bio-Anbau wächst vor allem im Ausland und erzeugt Preisdruck. Für transparente, regionale Herkünfte und Wirtschaftskreisläufe sind mehr Umsteller in Deutschland erforderlich. Die Milchkrise treibt jetzt konventionelle Milchviehbetriebe zu Bio. Und plötzlich gerät auch der Bio-Milchpreis unter Druck. Eine weitere Erosion ist erstmal abgewendet, es zeigt sich aber die Fragilität des Marktes: Das Angebot muss in der Erzeugung und im Handel parallel­ und in angemessener Geschwindigkeit entwickelt werden. Bei Demeter haben wir immer noch – als die beliebteste Bio-Marke Deutschlands – ein riesiges Potenzial auf der Vermarktungsseite. Aber nicht nur, dass wir weniger (Neu-)Umsteller als die organischen Verbände bekommen, wir müssen auch die vielen Betriebe, die jetzt in den Generationenwechsel kommen, halten. Ein Schwerpunkt der Arbeit richtet sich daher darauf, junge Landwirte für die Übernahme von Höfen zu begeistern. Der Existenzgründungskurs, den die Demeter Akademie zusammen mit der Freien Landbauschule Bodensee, der Landbauschule Dottenfelder Hof und der BioBodenGenossenschaft anbietet, ist ein Beispiel für die Maßnahmen, die wir ergreifen.

Agrarpolitische Förderung benachteiligt Biobauern

Genauso entscheidend sind aber die politischen Rahmenbedingungen, die für den Ökolandbau zurzeit eher hinderlich als förderlich sind: jedenfalls, solange die pauschalen Agrarprämien ein durchlaufender Posten zur Bezahlung der hohen und daran gebundenen Pachtpreise sind, solange Agrarzahlungen nicht 1:1 gesellschaftliche Leistungen der Landwirtschaft honorieren, solange konventionelle Preise nicht die tatsächlichen Kosten widerspiegeln, weil Umwelt- und gesellschaftliche Kosten externalisiert werden und solange die Bio-Forschung gemessen am Bio-Anteil der landwirtschaftlichen Erzeugung weit unterdurchschnittlich ausgestattet ist.

 

Der drohenden Konzentration der Lebensmittelproduktion auf weltweit wenige Konzerne, bei der es nicht um gute Lebensmittel, sondern immer um technikbasierte Gewinnmaximierung geht, stemmt sich die biodynamische Gemeinschaft mit eigenen Züchtungsinitiativen für Gemüse, Getreide und Hühner entgegen. Der nächste Schritt wird die Rinderzucht sein, um hier die Genetik für hörnertragende Kühe zu sichern.

 

Eine große Herausforderung für den Ökolandbau wird es sein, wie die Anbausysteme weiterentwickelt werden können: Entstehen kleinräumig förderliche, vielfältige, in sich stabile Agrarökosysteme, die den Pflanzenschutzmitteleinsatz minimieren, entstehen tatsächlich Stoff- und Energiekreisläufe und nimmt die Bodenfruchtbarkeit zu? Agroforstsysteme seien als ein Beispiel für einen solchen Weg genannt. Auch wenn hier auch in der biologisch-dynamischen Landwirtschaft noch viel zu tun ist, mit der Pflicht zur Tierhaltung ist dazu ein wesentlicher Grundstein gelegt.