Schwerpunkt

Demeter-Landwirtschaft als Unternehmen

Entwicklung braucht Werkzeuge

von Brigitte Szezinski und Günter Kugler

 

Fällt in China ein Sack Bio-Reis um, dann ist das inzwischen auch auf einem Ökohof in Deutschland von Bedeutung. Der Markt für landwirtschaftliche Bio-Rohstoffe ist längst ein globaler. Was früher ein Lebenskonzept war, hat sich zu einer Branche mit professionellen Akteuren unterschiedlichster Interessen gewandelt. War es zu Beginn der Ökobewegung noch möglich, einen Biohof erfolgreich mit Pioniergeist zu führen, ist heute in den allermeisten Fällen Professionalisierung angesagt. Die Rahmen­bedingungen haben sich geändert. Drei Thesen dazu:

Thesen

1. Jeder Demeter-Hof war und ist schon immer auch ein Unternehmen. Ein Unternehmer ist ein Mensch, der Mut hat, neue Ideen umsetzt, sein eigenes Geld investiert und das Risiko selbst trägt. Außerdem ist er ein Künstler, der neue Produkte, neue Arbeitsplätze, neuen Wert schafft und in die Gesellschaft hinein­ kommuniziert.1 Im Vergleich dazu ist ein Manager ein Mensch, der einen laufenden Betrieb übernimmt oder leitet, mit dem Geld anderer Leute arbeitet und von anderen definierte Ziele erfüllen muss. Ein Manager muss einen Rahmen erfüllen, ein Unternehmer setzt den Rahmen. In diesem Sinne sind die meisten Demeter-Landwirte und -Landwirtinnen Unternehmer.

 

2. Weil ich als Bauer, als Bäuerin in der Landwirtschaft immer mit einem Bein im Wirtschaftsgeschehen stehe, mit dem anderen Bein aber mitten in der Natur2, sind die unternehmerischen Anforderungen an landwirtschaftliche Betriebsleiter besonders hoch. Ich muss unternehmerisch also besonders gut sein.

 

3. Das Handwerkszeug dazu ist lernbar.

Unternehmer sein

Die klassischen vier Arbeitsfelder als Unternehmer sind:

  • Produkte: Erzeugung und Entwicklung von Produkten, z.B. Milch, Dinkel, Hofkäse, Ferien auf dem Bauernhof;

  • Finanzen und Wirtschaftlichkeit:Deckungsbeiträge, Kennzahlen;

  • Vertrieb und Marketing: Hofladen, Website, Erzeugergemeinschaften;

  • Personal: Stellenausschreibung, Azubis, Arbeitsteams.

  • Die typischen vier unternehmerischen Kompetenzfelder sind:

  • fachliche Fähigkeiten: melken, pflügen, rechnen, Brot backen etc.;

  • strategische und methodische Fähig­keiten: investieren, planen, entscheiden, verbessern;

  • soziale Kompetenz: Konfliktverhalten, Kundengespräche, Führung;

  • personale Kompetenz: eigene Lernfelder erkennen, Umgang mit mir selbst.

Lernen

In der Regel lassen sich alle unternehmerischen Arbeitsthemen den genannten Rubriken zuordnen. Meist lässt sich alles erlernen. Ob ich im Unternehmensfeld Ackerbau (z. B. Produkt Dinkel) meine fachlichen Fähigkeiten verbessere durch andere Bodenbearbeitungsverfahren, ob ich im Feld Personal ein Seminar zu Führungskompetenzen besuche, ob ich im Bereich personale Kompetenz mit einem Coach oder im Hofgespräch eine eigene Haltung hin zu mehr Lösungsorientierung erübe, ob Erfassen betrieblicher Kennzahlen, Methoden zur schnellen und guten Entscheidungsfindung, Werkzeuge zur Verbesserung der Arbeitswirtschaft, Verstehen von unterschiedlichen Konflikttypen, z. B. in Betriebsgemeinschaften: die Lernfelder sind inhaltlich wie auch methodisch unendlich.

 

Lebenslanges Lernen kann Spaß machen. Unternehmer sein bedeutet, dies gezielt zu tun und sich zu fragen: Wo sind meine wichtigsten Lernfelder? Wo habe ich am meisten Entwicklungspotenzial? Was habe ich bislang nicht gesehen? Wo will ich einen Schwerpunkt setzen und vorankommen? Was hilft mir und meinem Betrieb am meisten? Auch hierfür gibt es Werkzeuge. Zum Beispiel gibt es ein Programm, das in drei mal zwanzig Fragen eine schnelle Selbsteinschätzung gibt, unterteilt in drei Bereiche: Strukturkraft, Aufbruchskraft und Gemeinschaftskraft, basierend auf einer Analyse der weltweit erfolgreichsten Unternehmen. Strukturkraft steht hierbei für klare Prozesse, Fachkenntnisse, Produktion, Finanzen. Aufbruchskraft steht für neue Ideen, Inspiration, Innovationen. Gemeinschaftskraft steht für Menschen, Beziehungen, Mitarbeiter, Kunden. Die Analyse kann helfen, sich zu verorten und mit oder ohne Beratung die wichtigsten Schritte oder Projekte zu definieren und dann anzugehen.

Beispiel: Personal suchen

Demeter-Höfe entwickeln sich gegenwärtig von klassischen Familienbetrieben hin zu anderen, mindestens aber vielfältigeren Betriebsstruk­turen. Typisch für Familienbetriebe ist eine Allrounder-Denkweise: Alle müssen alles können. Es gibt aber kaum junge Leute und neue Mitarbeiter, die in ein solches System hineinpassen und damit als Neue überhaupt eine Chance haben, im Betrieb selbst richtig gut sein zu können. Hier braucht es eine neue Denkweise, eine neue Klarheit und eine andere Aufgabenverteilung. Das wirkt sich auf Stellenbeschreibungen und Mitarbeitersuche aus.

Beispiel: Entscheiden in Gemeinschaften

Betriebsgemeinschaften zeichnen sich in der Regel durch gemeinschaftliche Bemühungen in der Sozialgestaltung aus. Entscheidungen werden häufig einvernehmlich getroffen, das Miteinander ist intensiv und wird hochgehalten. Auf Arbeits- und Entwicklungsbereiche wirkt sich diese oft verlangsamend bis hinderlich aus. Möglich wäre hier ein anderer Blick: Blicke ich auf die Menschen in der Betriebsgemeinschaft als Personen, ist hier großes Einvernehmen bzgl. Wertigkeit, Rechten und Pflichten. Blicke ich auf die Menschen in ihrer Rolle, in ihren Funktionen im Betrieb, wäre es förder­lich, hier Verantwortung und Entscheidungskompetenz gegen­seitig zu delegieren.

Beispiel Hofnachfolge: Friedlich und klar sagen, was ich denke

Es fällt immer wieder auf, wie selten sich jemand traut, das zu sagen, was er (oder sie) wirklich denkt. Das wäre besonders beim Thema Nachfolge hilfreich. Die Voraussetzung dafür ist zunächst innere Klarheit. Eine Methode, auch um eigene Denkverbote aufzudecken, sind hier paradoxe Fragen wie z. B.: „Welchen Wunsch würde ich nie formulieren?“ „Welches Ziel würde meinen Eltern am wenigsten gefallen?“ Nach diesem inneren Prozess kann ich deutlich aussprechen, was ich möchte oder nicht möchte, ohne andere anzu­greifen, zu beschuldigen oder absichtlich zu verletzen. Nur aufgrund ehrlicher Aussprache und ohne falschen Druck kann es zu stimmigen und freien Entscheidungen für alle Betroffenen kommen.

Als Unternehmer und als Unternehmen reifen

Es gibt kaum staatliche und wenig freie Bildungseinrichtungen, die strukturiert unternehmerische Fähigkeiten lehren und vermitteln. In der Regel sind die meisten Unternehmer darauf angewiesen, sich selbst ein Schulungsprogramm zusammenzustellen und zu suchen, die eigenen Lücken zu finden und „dran“ zu bleiben. Entweder, ich mache jährlich eine Art Inventur und prüfe, welche Lernfelder für mich anstehen oder ich bewege mich in einem Netzwerk, das mir kontinuierlich Lernfelder anbietet und mich so unter­stützend in Entwicklung hält. Lernen ist immer ein sozialer, ein dialogischer Prozess. Unternehmertum bildet und entwickelt sich durch Begegnung. Für Landwirte heißt das: nach dem „Meditieren“ beim Melken rausgehen, den Dialog mit anderen Menschen suchen.

 

Für echte Bio-Betriebe, für Demeter-Betriebe wird es marktwirtschaftlich künftig nicht unbedingt einfacher. Gleichzeitig bleibt das, was sie tun, für Erde und Gesellschaft wesentlich. Schön wäre es, viele Bio- und Demeter-Unternehmer zu sehen, die ihre Ideen und Betriebe erfolgreich und mit Freude, d. h. nachhaltig am Markt und in der Gesellschaft platzieren. Es können die dicksten Kartoffeln oder die teuersten Weine sein. Es kann die Solidarische Landwirtschaft mit den aktivsten Unkrautjätern oder das Hofcafé mit dem krassesten Kulturprogramm sein. Der Hofkäse kann die samenfesten Gemüsesorten finanzieren. Es kann die bewusste Beschränkung auf eine einfache, solide Milchviehhaltung sein. Alles ist möglich: Sie wählen und entscheiden. Es gibt im Bio- und Demeter-Bereich so unglaublich viel Bewährtes und so viele Ideen und Innovationen. Wir wünschen uns für uns alle, dass Sie diese mit Enthusiasmus, (Pionier)-Geist und unter­nehmerischer Professionalität finden und umsetzen.

1) nach N.G. Hayek, https://www.brandeins.de/archiv/2005/machtwechsel/was-ist-ein-unternehmer/

2) nach Udo Herrmannstorfer, Vortrag 2002, Demeter Bayern

Autoren

Brigitte Szezinski, 82544 Egling-Aufhofen, Tel: 08176-999 3100, bzw. 0176-32547966, info(at)bioberatung.com

Günter Kugler, Kugler&Rosenberger, Bahnhofstraße 18, 90518 Altdorf. http://www.kugler-rosenberger.de