Schwerpunkt

Biodynamisch gezüchtetes Getreide im Praxistest

Anbauerfahrungen im Getreidesortenprojekt

von Meike Oltmanns

 

Vielfalt ist im Ökolandbau ein Schlüsselfaktor. Jedoch geht die genetische Vielfalt auch innerhalb der Arten zurück. Bei Getreide versuchen insbesondere biodynamische Züchter eine neue Vielfalt im Einklang mit den Idealen der biodynamischen und ökologischen Landwirtschaft zu züchten. Aktuell sind über 30 Sorten aus biodynamischer Züchtung zugelassen. Jetzt liegt es an den Landwirten, Verarbeitern und Verbrauchern, diese auszuprobieren, um eine neue Vielfalt bezüglich Regionalität, Geschmack und Qualität zu schaffen und dadurch auch die Züchter zu ermutigen, weiter zu züchten. Durch Feedback von Landwirten, Verarbeitern und Verbrauchern kann die gesamte Wertschöpfungskette nur profitieren.

 

Hier setzte das Gemeinschafts-Projekt „Getreidesorten“ von Demeter und dem Forschungsring e.V. an. Das Ziel war, auf „Leuchtturmbetrieben“ verschiedene biodynamische Sorten und Sortenmischungen unter Praxisbedingungen zu testen. Dazu wurden diese deutschlandweit auf über zwanzig Betrieben über zwei Anbaujahre, 2014 und 2015, angebaut. Um die Bekanntheit und Verbreitung dieser Sorten in der Praxis zu erhöhen, wurden alle Beteiligten der Wertschöpfungskette, angefangen vom Züchter über Erzeuger, Müller, Bäcker bis hin zu Verbrauchern, in das Projekt mit einbezogen. Auf 21 Feldtagen und zwei Backworkshops konnten sich Interessierte vor Ort einen persönlichen Eindruck von den Sorten verschaffen. Zum anderen dienten die Veranstaltungen als Kommunikationsplattform, um sich mit den anderen Akteuren der Wertschöpfungskette über Erfahrungen, Ansprüche und Wünsche an biodynamische Sorten auszutauschen.

Sortendemonstration auf Praxisbetrieben

Die Getreidesorten wurden in Form von Streifenversuchen ohne Wiederholungen getestet. Daher lassen sich keine gültigen Aussagen zu Ertragserwartungen oder erzielbaren Erträgen machen, denn verschiedenste Einflüsse wie Beschattung, Bodenunterschiede, Bodenpathogene, etc. können die Ergebnisse verzerren. Trotzdem lassen sich, auch unterstützt durch die begleitenden wissenschaftlichen Sortenversuche, Tendenzen erkennen, mit welchem Erfolg die biodynamischen Sorten in der Praxis angebaut werden können. Nach der nun erfolgten Auswertung der zweiten Vegetationsperiode kann das Hauptbedenken, dass biodynamische Sorten gegenüber konventionellen Sorten ein geringeres Ertragsniveau aufweisen, nicht bestätigt werden, wie bereits im ersten Anbaujahr. Die biodynamischen Sorten erzielten auf fast allen Standorten zufriedenstellende bis sehr gute Ergebnisse (s. Tab.). Die Ergebnisse der Praxisbetriebe sind auf der Internet-Plattform www.biosorten.de als Ertragsmitteilungen einzelner Sorten zu finden. Auf dieser Webseite können Erfahrungen mit Sorten im Ökolandbau, aktuell vor allem Getreidesorten, zentral gesammelt und kostenfrei zur Verfügung gestellt werden (siehe S. 20). Sie soll die Druck-Publikation zur Sortenbeschreibung von Meischner & Geier (2013) ersetzen.

Sortenversuche auf dem Feld und in der Backstube

Die Ergebnisse der Praxisbetriebe wurden durch einen zweijährigen wissenschaftlichen Sortenvergleich im Rahmen der Leitbetriebe Nordrhein-Westfalen bestätigt. Diese Sortenversuche wurden auf den drei Standorten Büsch in Weeze, Haus Bollheim in Zülpich und dem Versuchsbetrieb Wiesengut in Hennef/Sieg als Blockanlage mit vier Wiederholungen angelegt. Dort überzeugten, gerade unter ungünstigeren Standortbedingungen, einige der ökologisch gezüchteten Winter­weizen­sorten mit vergleichsweise hohen Protein- und Feuchtklebergehalten. Die erwartete negative Korrelation von Ertrag und Qualität war nur bei limitierten Standortvoraussetzungen signifikant (Stumm 2016). Die Biobackstube Ahaus testete die verschlüsselten Weizenproben aus beiden Anbaujahren mit einem standardisierten Backtest und stufte alle Sorten als backfähig ein (Heilmann et al. 2015 – vgl. LE 6-15 – und Stumm 2016).

Biodynamische Sorten bewähr­ten sich – nun auch bei Ihnen?

Einige Landwirte, die im Getreide­sortenprojekt teilnahmen, wollten nicht unbedingt neue Sorten auspro­bieren, da sie mit ihren Standardsorten zufrieden waren. Aber durch den Testanbau waren sie von einigen Sorten oder Sortenmischungen so überzeugt, dass sie diese weiterhin anbauen möchten. Fast alle teilnehmenden Landwirte wollen passende biodynamische Sorten weiterhin nutzen. Wenn Berater, Landwirte und Bäcker regional eng zusammen arbeiten, funktioniert die Etablierung biodynamischer Sorten in der Praxis sehr gut.

Seien Sie neugierig auf Ertrags- und Qualitätseigenschaften dieser Sorten an Ihrem Standort und prüfen­ Sie biodynamische Sorten auf Ihren Böden. Säen Sie zwei bis drei neue Sorten, die am besten für Ihren Standort geeignet erscheinen, und vergleichen Sie sie mit Ihren aktuellen Sorten. Die aktuellen Sorten aus biologisch-dynamischer Getreidezüchtung finden Sie unter www.biosaat.org. Teilen Sie ihre Erfahrungen in ihren Arbeitsgruppen und auf www.biosorten.de mit. So können Sie dazu beitragen, zukunftsfähige Sorten zu etablieren und die Vielfalt innerhalb einer Art zu erhöhen.

Wir bedanken uns bei allen beteiligten Betrieben und den Geldgebern für ihr großes Engagement bei der Verbreitung der biodynamischen Getreidesorten!

Autor:

Dipl. ing. agr. Meike Oltmanns ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungsring e.V., http://www.forschungsring.de

Literatur

  • Heilmann, J.; Oltmanns, M; Stumm, C., Gleich, S. (2015): Vom Züchter bis zum Brot. Wertschöpfungskettenübergreifende Etablierung von Getreidesorten aus biologisch-dynamischer Züchtung in der Praxis. Lebendige Erde 6/2015.

  • Meischner, T.; Geier, U., (2013): Sortenbeschreibungen für biologisch-dynamisch gezüchtete Getreidesorten, Forschungsring e.V.: Schriftenreihe Band 25

  • Stumm, C., (2016): Leitbetriebe Ökologischer Landbau NRW – Versuchsbericht 2015, 372 S.